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Ebbe am Ellertshäuser See: Besucherandrang wie zur Hochsaison
Die Touristen kamen in Massen. Der herrliche Sonnen-Sonntag vor Allerheiligen lockte Besucher aus der gesamten Region an. Ein letzter Blick auf den See, bevor das Wasser weg ist.
In Massen strömten die Besucher am Sonntag herbei, um einen Blick auf den schrumpfenden Ellertshäuser See zu werfen.  
Foto: Anand Anders | In Massen strömten die Besucher am Sonntag herbei, um einen Blick auf den schrumpfenden Ellertshäuser See zu werfen.  
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:22 Uhr

Es ist wie zur Hochsaison: Der Parkplatz ist proppenvoll und die Menschen strömen in Massen zum Ellertshäuser See. Auf dem Damm müssen Fußgänger und Fahrradfahrer aufpassen, dass sie sich nicht in die Quere kommen. Auf dem Rundweg um den See schieben sich Menschentrauben in beide Richtungen aneinander vorbei. Am Strand tummeln sich Mütter und Väter mit Kind und Kegel. Sonnenhungrige haben alle Strandliegen in Beschlag genommen. Ein Spaziergänger wandert sogar in Shorts und flatterndem Hemd am Ellertshäuser Watt entlang.

Ja richtig, am Ellertshäuser See gibt es ein Watt. Auch ohne Ebbe und Flut. Es ist ein einmaliges Ereignis, das Besucher aktuell erleben können. Der vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen betriebene Stausee wird abgelassen, weil die technischen Betriebsanlagen auf dem Seegrund saniert werden müssen. Der Ablassschieber wurde am 29. September geöffnet. Seitdem laufen 500 Liter Wasser pro Sekunde durch den Abfluss davon. Inzwischen hat sich der Wasserspiegel schon um viereinhalb Meter abgesenkt. Und wie bei Ebbe am Wattenmeer der Nordsee wird dadurch Zug um Zug der Grund des Stausees freigelegt. Bis Ende November soll das gesamte Wasser abgelaufen sein. 

Seit 22. Oktober gilt ein Betretungsverbot am Ellertshäuser See. Manche Touristen ignorieren es.
Foto: Anand Anders | Seit 22. Oktober gilt ein Betretungsverbot am Ellertshäuser See. Manche Touristen ignorieren es.

Der Blick auf den schrumpfenden See lockt viele Neugierige an, erst recht bei so herrlichem Wetter wie am letzten Sonntag im Oktober. "So etwas sieht man ja nicht alle Tage", meint eine Besucherin. Das erste Mal war der Ellertshäuser See vor 38 Jahren entleert worden. Auch damals musste saniert und entschlammt werden. Wenn die Pläne des Wasserwirtschaftsamtes Bad Kissingen als Betreiber der Stauanlage aufgehen, wird das zweite Ablassen des Sees auch das letzte Mal sein. Denn diesmal soll mit baulichen Veränderungen im Bereich des Abflussbauwerks Vorsorge getroffen werden, dass künftige Sanierungsmaßnahmen ohne eine komplette Entleerung des Beckens erfolgen können. 

Besucher sammeln Müll am Ufer ein

Corinna Schüssler und ihr Freund Manuel sind bei einem Benefiz-Spendenlauf der Stiftung Kinderherz in Aidhausen mitgelaufen und haben schnell noch einmal einen Abstecher zum See gemacht, bevor sie nach Hause fahren. Sie sind überrascht, wie weit sich das Wasser schon zurückgezogen hat und wie tief die Uferböschung abfällt. Auf ihrem kurzen Spaziergang am Strand entlang sammeln sie Flaschen und Müll ein, den die Ebbe zum Vorschein gebracht hat. 

Sonnenbad auf der Seeliege: Das Ehepaar aus Bad Bocklet genießt mit Pudel-Dame Daisy die warmen Sonnenstrahlen.
Foto: Anand Anders | Sonnenbad auf der Seeliege: Das Ehepaar aus Bad Bocklet genießt mit Pudel-Dame Daisy die warmen Sonnenstrahlen.

Auf dem Badesteg haben andere Besucher schon ein buntes Sammelsurium an Fundstücken aufgereiht: Neben Flaschen, Dosen und Angelhaken liegen ein altes Bootspaddel, ein verdreckter Schnorchel mit Brille, ein Kinderschuh und jede Menge Muscheln herum. Große, mittlere, kleine und ganz winzige.  

Eltern wünschen sich mehr Informationen für Kinder

Der kleine Lukas ist ganz traurig, "dass so viele Muscheln sterben". Auch um die Fische macht sich der Fünfjährige aus Madenhausen große Sorge. Fast jedes Wochenende verbringt er mit seinen Eltern am See. Er weiß genau, welche Tiere im Wasser leben. "Was passiert mit dem Biber?", will der Kleine unbedingt wissen. Mutter Susanne Kraus gibt geduldig Antwort, würde sich vor Ort aber mehr Informationen des Wasserwirtschaftsamtes zum Ablassen des Sees speziell für Kinder wünschen.  

Während Lukas brav auf dem Uferweg bleibt, tummeln sich andere Kinder im Matsch direkt am Wasser. Trotz der Verbotsschilder, die alle paar Meter unübersehbar auf das Betretungsverbot der unteren Uferzone hinweisen. "Ich pass' doch auf", sieht eine junge Mutter keine Gefahr für ihren Nachwuchs. Gut, dass der Schlamm hier nicht so tief ist. Glück, dass keine Polizeistreife da ist. Denn der Verstoß gegen das Betretungsverbot wird mit einem Bußgeld geahndet. Auch Erwachsene ignorieren die Schilder und spazieren im Sperrbezirk herum. An diesem Sonntag wären bei einer Kontrolle viele Menschen zur Kasse gebeten worden.   

Fotoserie

Das Betretungsverbot sei keine Schikane des Wasserwirtschaftsamtes, betont Behördenleiter Leonhard Rosentritt. Seit das Wasser auf dem Rückzug ist, kommen rund um den Stausee Schlammbuchten zum Vorschein, deren Gefahr die Spaziergänger nicht richtig einschätzen würden. Erst kürzlich war ein Kind im Schlamm stecken geblieben und musste von seiner Mutter gerettet werden. Und je weiter das Wasser abfließt, desto tiefer werden die Schlammbereiche. "Wir mussten handeln."

Daisy lässt sich vom Trubel ringsherum nicht stören. Die 13-jährige Pudel-Dame genießt mit Frauchen und Herrchen ein Sonnenbad auf der Strandliege. Das Ehepaar kommt aus Bad Bocklet und will nochmal einen Blick auf den See werfen, bevor das Wasser endgültig abgelaufen ist. 

Entdeckungstour für Kinder

Für Anton, Emil und Angelika ist der Spaziergang mit den Eltern rund um den See die reinste Entdeckungstour. Die drei Geschwister aus Ulm sind zu Besuch bei Oma und Opa in Schonungen. Da wollen sie sich das Naturschauspiel am Ellertshäuser See natürlich nicht entgehen lassen. Und es gibt tatsächlich viel zu entdecken. Zum Beispiel einen toten Krebs, der auf einen der Pontons in der Seglerbucht liegt. "Wow, ist der riesig", meint Emil. Bisher habe er so etwas nur im Film gesehen.

Emil und Angelika bestaunen einen toten Krebs.
Foto: Anand Anders | Emil und Angelika bestaunen einen toten Krebs.

Auch Sondengänger sind zuhauf vor Ort. Die Profis erkennt man an ihrem Outfit: Gummistiefel an den Füßen, Kopfhörer auf den Ohren. Der zehnjährige Korbinian ist mit einem eher bescheidenen Gerät unterwegs. Er hat Opas alten Metalldetektor hervorgeholt, mit dem er früher nach Schätzen unterm Teppich suchen durfte. Das Gerät funktioniert noch. Gerade piepst es wieder. Die bisher gemachte Beute hält er in einem Plastikbeutel hoch: drei Bleigewichte, ein Karabinerhaken und ein Kompass. "Den Goldschatz suchen wir noch", meint der 81-jährige Opa schmunzelnd.  

Korbinian ist mit einem alten Metalldetektor seines Opas auf Schatzsuche am See.
Foto: Anand Anders | Korbinian ist mit einem alten Metalldetektor seines Opas auf Schatzsuche am See.

Auf der Suche nach schönen Motiven sind drei Hobbyfotografinnen aus Schweinfurt. Sie spazieren auf dem Rundweg den See entlang. Ihre Kameras kommen aber nicht zum Einsatz. "Es lohnt sich nicht zu fotografieren", sagt Susanne Schell. Viel zu viele Leute seien unterwegs, und die Schlammwüste biete nicht die erwarteten Fotomotive. Trotzdem genießen die drei Frauen ihren Ausflug.

Tatsächlich ist das Ablassen des Sees für viele Spaziergänger Anlass, den See einmal komplett zu umrunden, um von allen Seiten einen Blick auf das schrumpfende Gewässer werfen zu können. Die einen starten am Nordufer links herum, die anderen auf der gegenüberliegenden Seite des Damms rechts herum. Je nachdem, wo das Auto geparkt wurde. Denn für die Besuchermassen am Sonntag reichte der offizielle Parkplatz gar nicht mehr aus. Auch die Feriensiedlung war zugeparkt mit Fahrzeugen aus ganz Unterfranken.   

Sondengänger auf Schatzsuche am Ellertshäuser See.
Foto: Anand Anders | Sondengänger auf Schatzsuche am Ellertshäuser See.
 
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