
Seit das Fahrrad den Elektromotor bekommen hat, boomt das Geschäft. 2018 war in Deutschland bereits jedes vierte verkaufte Rad ein E-Bike. In diesem Jahr wird von den über vier Millionen neuer Rädern für alle Altersklassen und Nutzungsarten laut Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG) über die Hälfte mit einem Motor bestückt sein. Doch es könnten deutlich mehr sein, die Nachfrage übertritt das Angebot.
Ausfälle in den Lieferketten und Corona-Fälle in Fahrradfabriken sorgen dafür, dass die Jahresproduktion 2022 bei einigen Herstellern in Sparten wie etwa dem in Mode gekommenen Gravel-Bike, den Rennrädern mit breiteren Profilreifen für Schotter-, Wald- und Wiesenwege, bereits komplett verkauft ist. Lieferschwierigkeiten gibt es also nicht nur beim "Fahrrad mit eingebautem Rückenwind". Die Pandemie hat Corona das auf Hochtoren laufende Geschäft noch einmal angetrieben. Die Leute verreisten nicht mehr, sondern erkundeten die eigene Umgebung - immer öfter und immer lieber auch mit dem E-Bike, mit dem das Radfahren komfortabler wurde.
Die Lage bei den Fahrradhändlern: Zu wenig Räder für 2022
Die Lieferzeiten hätten sich über den Winter zwar "entschärft", berichten Christoph Mannel, Geschäftsführer der Winora Group in Sennfeld (Lkr. Schweinfurt), und andere Händler aus der Region. Man habe die Verkaufsräume wieder bestücken können. Doch inzwischen würden die Lieferzeiten für alle Räder, die noch nicht in den Läden und Lagern stehen, wieder länger.
"Es geht mehr raus als rein", hieß es schon im Dezember bei Fahrrad Schauer in Schweinfurt. Das größte Fahrradgeschäft in Unterfranken bezieht Räder von mehreren Herstellern und versucht so, das ganze Jahr über, Alternativen zu bieten. Die meisten anderen Fahrradhändler in der Region setzen auf die jahrelange Partnerschaft mit Hausmarken. Bei beiden Strategien gilt derzeit: Nicht alle Wunschräder der Kundinnen und Kunden, werden derzeit geliefert, vielfach verweisen die Hersteller schon auf 2023. Der Fachhandel habe "zu wenige Fahrräder für 2022" ordern können, sagt Stefan Seifert von Fahrrad Seifert in Bergrheinfeld (Lkr. Schweinfurt).
Die Lage beim Fahrrad-Leasing: Nachfrage verdreifacht
Nicht nur für die Freizeit boomt das Rad: Geschätzt eine halbe Million Diensträder wurden im vergangenen Jahr bundesweit nach Branchenangaben geleast. Bei der Firma Deutschen Dienstrad GmbH in Schweinfurt verdreifachte sich laut Geschäftsführerin Christina Diem-Puello die Nachfrage. Der im Juli 2020 gegründete Dienstleister beschäftigt heute 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bezeichnet sich "zwar nicht als der größte, aber der innovativste, dynamischste und attraktivste" Anbieter der Leasingbranche. Laut Diem-Puello nimmt die Nachfrage durch die steigenden Preise für Benzin und Diesel aktuell nochmals deutlich zu.
Der Schweinfurter Dienstleister arbeitet nach eigenen Angaben mit 6000 Fahrradhändlern und 100 Online-Versendern zusammen. Weil man Räder aller Marken anbiete, sei "immer Ware" verfügbar, sagt Diem-Puello. Und die Planung für das laufende Jahr die Firma angesichts der höheren Spritpreise "nach oben korrigieren". Auch sonst zeige die Kurve nach oben: "Personalbindung, Kampf gegen den Fachkräftemangel und die Nachhaltigkeit", nennt die Geschäftsführerin als Gründe für den Aufwärtstrend bei den Diensträdern.
Beliebt sei das Leasing beim Arbeitgeber, weil der Dienstleister ihm alle Arbeit abnehme, sagt Diem-Puello. Der Handel sei froh, dass er nicht über den Preis verhandeln müsse, der Wartungsvertrag die Werkstätten auslaste und die Versicherung Schäden reguliere. Und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden sich freuen, durch das Leasing Geld zu sparen, so die Chefin von Deutsche Dienstrad: "Ich bin mir sicher, dass das Fahrradleasing zum ganz normalen Bestandteil des Gehalts wird."
Vorteil des Dienstrads für Beschäftigte: Weniger Kosten für den Erwerb und private Nutzung
Beschäftigte können jeweils zwei Diensträder auch für die ausschließlich private Nutzung bekommen, sagt Diem-Puello. Voraussetzung sei eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zur Gehaltsumwandlung. Sie macht dazu folgende Rechnung auf: für ein Bike zum Ladenpreis von 3500 Euro werden dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin monatlich etwa 50 Euro "abgezwackt" - drei Jahre lang. Dann gibt man das Rad zurück - oder kauft es zum Restwert (etwa 15 Prozent des Neupreises). Die Ersparnis bei einem Kauf nach dem Leasing liegt laut Diem-Puellos Rechnung damit gegenüber dem Neuerwerb bei rund 40 Prozent, abhängig von den jeweiligen steuerlichen Verhältnissen).