Etwas über vier Monate, nachdem die ersten vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Menschen in der Dreifachturnhalle in Gerolzhofen untergekommen sind, hat der Landkreis Schweinfurt diese Notunterkunft wieder aufgelöst. Ab Mitte August, wenn die Halle restlos geräumt ist, wird diese nach Angaben des Landratsamtes wieder der regulären Nutzung für Schul- und Vereinssport zur Verfügung stehen. Zugleich zieht der Helferkreis Gerolzhofen eine Bilanz zu der von ihm organisierten und geleisteten Unterstützung. Alles in allem, schätzen die Verantwortlichen, hätten sich über 100 Menschen für die Geflüchteten – überwiegend Frauen und Kinder – eingesetzt.
Der Großteil der zeitweise in der Halle untergebrachten Menschen sind in andere Regionen Deutschlands oder Europas verzogen, berichtet das Landratsamt. Mittlerweile pendle sich die Zahl der neu ankommenden Kriegsflüchtlinge auf einem niedrigen Niveau ein, die Zahlen seien bisweilen sogar rückläufig. "Die Turnhalle in Gerolzhofen muss daher aus Sicht des Landratsamtes nicht mehr als Notunterkunft in Betrieb bleiben", heißt es in der Pressemitteilung, mit der Landrat Florian Töpper auch seinen ausdrücklichen Dank an alle Helferinnen und Helfer, insbesondere auch an den Helferkreis verbindet.
THW und BRK räumen die Turnhalle
Das Technische Hilfswerk Gerolzhofen und das Bayerische Rote Kreuz werden die Halle in den kommenden Tagen komplett räumen, unterstützt von Mitarbeitern des Kreisbauhofs Gerolzhofen sowie der Feuerwehr Grafenrheinfeld, die hierfür ihr kreiseigenes Logistikfahrzeug einsetzen wird. Die in der Halle lagernden Restbestände an Spenden hat der Helferkreis bereits weitergegeben, unter anderem an das Rote Kreuz und das Erich-Kästner-Kinderdorf in Oberschwarzach, das Spielzeug erhielt.
Das Landratsamt hält sich die Option offen, "einzelne Notunterkünfte in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Kommunen" erneut aufzubauen, soweit es die Entwicklung des Krieges in der Ukraine notwendig machen sollte.
Als Ende vorletzter Woche die letzten Bewohner die Notunterkunft verlassen haben, lebten dort noch rund 15 Menschen, darunter eine fünfköpfige Familie, die zwar bereits eine Privatwohnung hatte, die aber noch möbliert werden musste. Der Rest der übrig gebliebenen Bewohnerinnen und Bewohner sind in einer vom Landratsamt angemieteten dezentralen Unterkunft in der Nördlichen Allee in Gerolzhofen untergekommen, berichteten die Hauptverantwortlichen des Helferkreises während eines Gesprächs mit dieser Redaktion.
Für viele wurde Wohnraum gefunden
Ihr Fazit der Hilfe für die Geflüchteten, die im März angelaufen ist, fällt trotz aller, vor allem anfangs notwendig gewesener Improvisation positiv aus. Ihrer Ansicht nach haben sie den in Gerolzhofen gestrandeten Ukrainerinnen und Ukrainern effektiv helfen können. Eindrucksvoll zeigt sich dies etwa darin, dass für viele von ihnen, die hier bleiben wollten, in Gerolzhofen und in der Umgebung Wohnraum gefunden wurde. Hierfür zeichnete vor allem Erich Servatius verantwortlich. Dieser schätzt, dass in Gerolzhofen aktuell noch über 80 Menschen aus der Ukraine leben. Nicht alle von diesen waren zuvor in der Notunterkunft.
Im harten Kern waren es rund ein Dutzend Frauen und Männer, die sich von Anfang an für den Gerolzhöfer Helferkreis um die Geflüchteten in der Dreifachturnhalle kümmerten. Zusätzliche Helfer übernahmen einzelne Aufgaben, wie etwa Ausgaben von Spenden in der Halle oder als Dolmetscher. Ganze Schulklassen halfen zudem bei der Betreuung von Kindern in der Notunterkunft mit. Selbst ein Therapiehund war dort im Einsatz.
Kontakte zu Fachleuten für den Notfall
Der Helferkreis baute zudem ein Netz an Kontakten zu allen möglichen Menschen auf, die bei Bedarf auf kurzem, unbürokratischem Weg aktiviert werden konnten, wenn Hilfe erforderlich war. Matthias Seng nennt als Beispiel den Kontakt zu einer Russisch sprechenden Ärztin der Geomed-Klinik, oder den zu einem in Gerolzhofen lebenden Psychiater. Als Glücksfall bezeichnen die Helfer den Umstand, mit dem Verantwortlichen der Security-Mannschaft in der Halle einen Mann vor Ort gehabt zu haben, der "eher ein weiterer Sozialarbeiter" denn ein Wachmann war. Dieser fuhr Bewohner der Halle auf deren Wunsch auch mal zum Arzt oder mit diesen zum Einkaufen – in seiner Freizeit.
Von ernsthaften Konflikten mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Halle sowie unter diesen ist dem Helferkreis nichts bekannt geworden. "Und das, obwohl es dort ja kaum Privatsphäre gab", wie Seng sagt. Servatius berichtet von einer Ausnahme: Ein Alkoholiker unter den Geflüchteten hat in der Halle seine Ehefrau geschlagen und weitere Bewohner bedrängt. Polizisten mussten den Mann abholen. Er wurde ins Ankerzentrum nach Geldersheim gebracht, kehrte dann jedoch nach Gerolzhofen zurück wo er erneut negativ auffiel.
Menschliche Schicksale berührten die Helfer
Eine für die Helferinnen und Helfer "furchtbare Situation", wie Servatius es nennt, ergab sich gleich zu Beginn, als ein Bus mit Geflüchteten an der Halle ankam. Problem war, dass die 30 bis 40 Menschen in Nürnberg teils gegen ihren Willen in den Bus gesetzt worden waren und manche auf keinen Fall in Gerolzhofen bleiben wollten. Dort angekommen flossen bei den Menschen, die auf der Flucht vor dem Krieg waren, Tränen. Dies ging auch den Helfenden unter die Haut. Doch nicht nur in diesem Fall, sondern auch während der übrigen Arbeit im Umfeld der Notunterkunft, berührten die menschlichen Schicksale. "Man wird demütig und dankbar", meint Kerstin Krammer-Kneissl. Die eigenen Sorgen würden demgegenüber auf einmal ganz klein.
Als kräftezehrend, auch für die Helfenden, erwies sich einmal mehr der bürokratische Aufwand. Allein die Registrierung eines Geflüchteten erforderte Seng zufolge mehrere, bisweilen bis zu zehn Termine. Zu diesen mussten die Menschen aus Gerolzhofen jeweils nach Schweinfurt zu den zuständigen Behörden gebracht werden. Wenn auch nur Kleinigkeiten auf einem der vielen Formblätter zu ändern waren, musste der komplette Antrag neu gestellt und ausgefüllt werden.
Jede Kreisbehörde regelt Details anders
Aus Sicht des Helferkreises fehlt hier eine übergeordnete, bundesweit verantwortliche Stelle, die das Thema "Integration" regelt. Aktuell organisiere quasi jedes Landratsamt für seinen Bereich das Vorgehen selbst, mit dem Ergebnis, dass überall Details anders geregelt sind. In Skandinavien, berichtet Seng, könnten Formulare zentral online ausgefüllt werden und lägen dort sogar in andere Sprachen übersetzt vor. Ein Standard, von dem deutsche Behörden noch weit entfernt sind.
Dennoch gab es auch Situationen, in denen Behörden unbürokratische Wege für Probleme gefunden hätten. Seng nennt ein Beispiel: Ein 17-Jähriger wollte nicht mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder zurück in die Ukraine. Hier wurde die Möglichkeit geschaffen das Sorgerecht für den Minderjährigen auf eine deutsche Familie zu übertragen.
Frage der Schulbus-Kosten war nicht geklärt
Herbert Kimmel hat sich als ehemaliger Lehrer dafür eingesetzt, die Frage zu klären, wie ukrainische Schüler, die die Willkommensgruppen an hiesigen Schulen besuchten, mit Schulbussen transportiert werden können. Denn auch dies war nicht zentral geklärt worden, obwohl das Kultusministerium die Willkommensgruppen begrüßt hat. Die Frage der Logistik und die der Kostenübernahme war Sache des Landratsamtes.
Anders als unter den syrischen Geflüchteten, die im Jahr 2015 nach Gerolzhofen kamen, möchten nach Einschätzung des Helferkreises die meisten der Ukrainerinnen und Ukrainer wieder zurück in ihre Heimat, sobald es die Lage dort erlaubt. Bis das soweit ist, "ist unsere Aufgabe noch nicht beendet", sagt Seng. Er verweist auf den etablierten Geo-Treff als Begegnungsstätte für Geflüchtete aller Nationen. In dieses Angebot montags um 18 Uhr im Bürgerspital sollen gezielt auch die Geflüchteten aus der Ukraine integriert werden. Eine Syrerin, die selbst als Geflüchtete nach Gerolzhofen kam, hat bereits angeboten, ukrainischen Kindern Deutschunterricht zu geben.