Treuherzig blickende Kulleraugen, feuchte Nase, wedelnder Schwanz und kuschelweiches Fell – "Leo" erobert die Herzen im Sturm. Kein Wunder also, dass der Hund mit dem aufgeweckten Blick und dem sanften Gemüt für seine Rolle als Therapiehund wie gemacht erscheint. Seit vergangener Woche ist er auch in der Dreifachturnhalle am Gerolzhöfer Schulzentrum im Einsatz. Dort sind seit Mitte März Menschen untergebracht, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Es sind vor allem Frauen sowie Kinder und Jugendliche. Aktuell leben dort etwa 30 Geflüchtete.
Rüde "Leo" kommt natürlich nicht alleine in die Halle. Das andere Ende der Hundeleine hält Katharina Müller in der Hand. Die 44-Jährige gebürtige Frankenwinheimerin, die nun in Gerolzhofen wohnt, ist von Beruf Sonderschul-Pädagogin. Mit "Leo" zusammen bildet sie ein Therapiehunde-Team. Sie hat dafür zusammen mit ihrem zweijährigen Goldendoodle eine Ausbildung bei dem in Nürnberg ansässigen Verein Therapiehunde Deutschland absolviert.
Landratsamt hat Einsatz des Therapiehunds angefragt
Der Besuchstag des sechsbeinigen Teams in der Notunterkunft für Geflüchtete ist montags. Vergangene und diese Woche waren Katharina Müller und "Leo" vormittags da. Eventuell werde sie künftig Montagnachmittag kommen, weil die Kinder aus der Unterkunft seit kurzem den Schulunterricht vor Ort besuchen, sagt sie. Doch dies müsse noch mit den Verantwortlichen des Landratsamtes abgesprochen werden. Die Behörde hatte beim Therapiehunde-Verein angefragt, ob nicht auch in Gerolzhofen, wie in manchen anderen Unterkünften bereits eingeführt, ein Therapiehund vorbeischauen könnte. So kamen Katharina Müller und "Leo" ins Spiel.
Für den Hund ist der Umgang mit Kindern nichts Ungewöhnliches. Die Lehrerin ist mit ihm zur Zeit regelmäßig an der Mittelschule Eltmann, wo er dem Unterricht in einer Schulklasse beiwohnt. "Der Hund und Kinder, das funktioniert sehr gut", sagt Müller. Zu beobachten sei vor allem, dass Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen sich viel besser konzentrieren können, sobald der Hund da ist. "Die Kinder sind dann extra still für den Hund", beschreibt die Lehrerin das, was da im Klassenzimmer passiert.
Am Ende profitieren alle im Klassenzimmer
Quasi als positiver Nebeneffekt kann so der Unterricht viel leichter ablaufen, als wenn er ständig von Einzelnen gestört wird. Im Endeffekt sind dann alle im Klassenzimmer entspannter – die Schülerinnen und Schüler, die sich "total an den Hund gewöhnt haben und mit ihm kuscheln und ihn streicheln dürfen", wie Müller berichtet, und die Lehrkraft.
In der Dreifachturnhalle geht es beim Einsatz des Therapiehundes in erster Linie darum, dass er da ist. Was so simpel klingt, ist für die dort untergekommenen Kinder umso wichtiger. Unter teils dramatischen Umständen mussten sie ihre Heimat verlassen, Hab und Gut zurücklassen – und manchmal auch ihre geliebten Haustiere. Jetzt hier einen Hund bei sich zu haben, mit dem sie spielen können, der vielleicht aber auch nur mal still dasitzt und sich drücken lässt - es sei mit Worten kaum zu beschreiben, wie dies den Kindern hilft, meint die Therapiehundeführerin. Überhaupt sei kaum messbar, welch wertvolle Arbeit Therapiehunde beispielsweise in der Verarbeitung von Traumata zu leisten vermögen.
"Leo" lässt alles mit sich machen
Doch nicht nur für die Kinder in der Halle ist "Leo" eine willkommene Abwechslung. An diesem Montag sitzt auch ein Vater auf einer Bank, als drei Jungs daneben mit dem Hund spielen, ihm Leckerli zustecken oder sein Fell zerzausen, was "Leo" geduldig mit sich geschehen lässt.
"Das Wesen eines Hundes ist ganz wichtig für dessen Eignung als Therapiehund", erklärt Katharina Müller. Und tatsächlich musste "Leo" zu Beginn der Ausbildung zum Therapiehund erst einen Eignungs- und Situationstest bestehen und beweisen, dass er beispielsweise in stressigen Momenten, wenn er eingeengt wird, ruhig und gelassen bleibt und sich keineswegs aggressiv verhält. Denn dann wäre er für den Job als Therapiehund nicht geeignet, denn solche Situationen können dabei jederzeit auftreten.
Der Hund zieht jeden in seinen Bann
Zum Einsatz kommen Therapiehunde laut Unterlagen des Vereins neben Schulen und Kindergärten unter anderem in Einrichtungen wie Senioren- und Pflegeheimen sowie auch in Hospizen. Die Verbindung zwischen Mensch und Hund entsteht während der Besuche ganz automatisch, hat Katharina Müller beobachtet. Es scheint so, als ob sich niemand dem Bann des Vierbeiners entziehen kann.
Für "Leo" und die anderen Therapiehunde ist der Einsatz, der so spielerisch leicht wirkt, dennoch Schwerstarbeit und anstrengend. Deshalb sind Therapiehunde auch immer nur eine halbe Stunde vor Ort, dann müssen sie sich ablenken können und dürfen abschalten. Denn die Eindrücke, die sie während der Begegnung mit den für sie zunächst fremden Menschen gewinnen, schlaucht sie immens – auch wenn sie das nach außen hin nicht gleich zeigen.
Insoweit kann "Leo" mit den vor dem Krieg geflüchteten Menschen in der Dreifachturnhalle gut mitfühlen, denn auch diese haben viele Strapazen hinter sich. Die Spuren, die diese bei den Menschen hinterlassen haben, sind auf Anhieb auch nicht sichtbar und mit Worten kaum zu beschreiben. Doch die braucht es in Gegenwart eines Hundes auch nicht, um sich mit diesem gut zu verstehen.