
Es wird ein großes Geburtstagsfest, das die "Tafel Schweinfurt" am Samstag, 22. April, feiern wird. Zu ihrem 20-jährigen Bestehen lädt sie zu einer "Langen Tafel" auf dem Schweinfurter Marktplatz ein. Ob Spender oder Sponsoren, Tafel-Ehrenamtliche oder Kunden, jeder und jede darf Platz an der über 40 Meter langen Tafel nehmen. Zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern, sozial engagierten Vereinen und Gruppierungen aus Schweinfurt und Umgebung wird das 20-Jährige begangen. "Alle sind herzlich eingeladen", heißt es in der Ankündigung. Tatsächlich alle?
Zumindest eine Organisation, für die Solidarität und Mitmenschlichkeit ebenso ein Herzensprojekt ist und die auch das Wort "Tafel" im Namen trägt, ist zum Geburtstagsfest nicht eingeladen: Es ist die Schweinfurter Kindertafel.
"Das ist ein Armutszeugnis", sagt Stefan Labus, der Gründer und Vorsitzende der Schweinfurter Kindertafel. In ganz Deutschland genieße die Schweinfurter Kindertafel Anerkennung. Höchste Auszeichnungen habe man erhalten, sogar eine Widmung des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler. "Wir helfen, wo Hilfe benötigt wird", sagt Labus, hier in Schweinfurt aber zähle das wohl nicht.

Warum also darf die Kindertafel das Geburtstagsfest nicht mitfeiern? Die Redaktion fragte nach beim Gastgeber. Der Vorsitzende der Tafel Schweinfurt, Ernst Gehling, stellt zuerst einmal klar, dass nicht gefeiert wird. Man wolle sich vielmehr sichtbar machen, wahrgenommen werden und darauf hinweisen, dass es seit 20 Jahren in Schweinfurt große Bedürftigkeit gibt.
Eine Notwendigkeit, die Kindertafel dazu einzuladen, sieht Gehling nicht. "Da hätten wir noch viele andere sozial engagierte Vereine in Schweinfurt einladen müssen, und es ist nicht unsere Aufgabe auf Befindlichkeiten zu reagieren", sagt er. Man habe die Organisationen ausgewählt, mit denen man in den vergangenen 20 Jahren Berührung hatte. Das sind zum Beispiel die Diakonie, das Rote Kreuz oder die Caritas, um nur einige der zwölf Vereine zu nennen, die sich mit einem Stand auf dem Marktplatz präsentieren dürfen. "Die Kindertafel hat nie Wert darauf gelegt, mit uns Berührungen zu haben", sagt Gehling.
Jahrelanger Rechtsstreit um die Namensnennung
Dass die Schweinfurter Kindertafel nicht dabei sein darf, ärgert deren Vorsitzenden so sehr, dass er jetzt auspackt. "Das ist eine Retourkutsche", vermutet Labus einen Zusammenhang mit den jahrelangen Rechtsstreitigkeiten, die es nach der Gründung der Schweinfurter Kindertafel 2009 mit dem Bundesverband Deutsche Tafel e.V. gegeben hat. Dieser ging damals bundesweit gegen mehrere Organisationen vor, die das Wort "Tafel" im Namen trugen, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Mario Nitschke, der die Schweinfurter Kindertafel seinerzeit juristisch vertreten hat. Der Dachverband habe erwirken wollen, dass "Tafel" als Marke geschützt ist.

Der neu gegründeten Schweinfurter Kindertafel hatte man eine "Duldung" der Namensverwendung in Aussicht gestellt, wenn sie Mitglied im schon bestehenden Verein "Tafel Schweinfurt e.V." würde. "Das wollten wir aber nicht", sagt Labus, weil die Kindertafel ein anderes Ziel als der Tafel-Verein verfolge und auch nach einem anderen Konzept arbeite.
Labus gründete daraufhin den Bundesverband Deutsche Kindertafel e.V., unter dessen Dach die Kindertafeln Glockenbach, Lüneburg und Schweinfurt gemeinsam mit der ebenfalls betroffenen Tiertafel Deutschland die Löschung der Marke Tafel beantragten. Und damit begann ein jahrelanger Rechtsstreit, der bis an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg führte und bei dem die Kindertafeln letztlich obsiegten. Das höchste Gericht Europas ließ 2017 die EU-Marke "Tafel" löschen. Der Begriff gilt damit als nicht schutzfähig.
Verhältnis der beiden Tafeln nach Rechtsstreit abgekühlt
30.000 Euro habe den Kindertafeln der Kampf um ihr Namensrecht gekostet, sagt Labus. Finanziert aus Spendengeldern und Mitgliedsbeiträgen. Ein Teil der Kosten sei nach dem gewonnenen Prozess zwar zurückerstattet worden, ein paar tausend Euro blieben aber an jedem Beteiligten hängen.

In Schweinfurt war danach das Verhältnis der beiden Tafeln abgekühlt. Es habe zwar immer wieder mal gegenseitige Versuche der Annäherung gegeben, heißt es, eine Zusammenarbeit aber wollte nicht klappen. Beide Seiten schieben sich den Schwarzen Peter zu. "Wir machen unser Ding, die sollen ihr Ding machen", sieht Tafel-Vorsitzender Gehling inzwischen keinen Ansatzpunkt mehr für Synergien.
Tatsächlich verfolgen die beiden Einrichtungen unterschiedliche Konzepte. "Wir retten Lebensmittel, um Menschen am Rande der Gesellschaft zu unterstützen und sind Brücke zwischen Überfluss und Mangel", erklärt Gehling das Tafel-Prinzip. Die freiwilligen Helfer sammeln bei Märkten in Stadt und Landkreis Schweinfurt Lebensmittel ein, die sonst im Müll landen würden, überprüfen, sortieren und verteilen diese dann an sozial und wirtschaftlich Benachteiligte. Den erforderlichen Tafel-Berechtigungsschein stellen Diakonie oder Caritas aus. Unabhängig von der Anzahl der Familienmitglieder wird pro Einkauf ein symbolischer Betrag von drei Euro entrichtet.

Die Schweinfurter Kindertafel hingegen hat sich gegründet, um bedürftigen Kindern ein gesundes Frühstück zu geben. "Schweinfurt lag 2008 auf Platz eins der Kinderarmut", erklärt Labus. Anders als bei der Tafel werden aber nicht Lebensmittel, sondern Geldspenden gesammelt und damit frische Waren für ein gesundes Pausenbrot eingekauft. Je nach Bedarf, den Schulen und Kindergärten bei der Kindertafel anmelden, werden täglich bis zu 350 Frühstückspakete gepackt und in den Einrichtungen anonym verteilt. Einen Berechtigungsschein braucht es nicht.
Tafel-Vorsitzender Gehling lehnt dieses Konzept ab, weil nicht die Bedürftigkeit im Vordergrund stehe. "Das geht am Ziel vorbei." Kindertafel-Vorsitzender Labus aber sagt: "Viele Kinder kommen mit leerem Magen in die Schule, das ist nicht förderlich für die Konzentration und Lernbereitschaft."
Unterschiedliche Ziele und Konzepte
Auch die Infrastruktur der beiden Einrichtungen ist eine andere. Die Schweinfurter Tafel ist eine der größten in Bayern. Sie betreibt drei Ausgabestellen, am Bergl, in Gochsheim und in Gerolzhofen. 160 Ehrenamtliche halten den Betrieb am Laufen. Der Verein hat mal eine Wiege-Aktion an einem Montag im Oktober 2019 durchgeführt. Von den beiden Fahrerteams waren über 1600 Kilogramm Lebensmittel in Märkten in der Region eingesammelt worden. Pro Ausgabetag werden 150 bis 200 Familien versorgt. Laut Gehling betreut die Schweinfurter Tafel insgesamt circa 2500 Erwachsene und über 1000 Kinder.

Bei der Schweinfurter Kindertafel sind täglich etwa 20 Ehrenamtliche im Einsatz. Sie schmieren die Brote, packen die Tüten und bringen sie zu den Schulen und Kindergärten. 3600 Helferstunden summieren sich laut Labus dafür pro Schuljahr. Die Frühstückspakete sind aber nur eines von fünf "Herzensprojekten" der Kindertafel. Der 160 Mitglieder zählende Verein hilft auch älteren Menschen, die sich nicht mehr selbst bekochen können. Sie können sich in der Suppenküche von Montag bis Freitag ein warmes Essen holen, das von einem Caterer zubereitet wird. Ein Nachweis für die Bedürftigkeit ist nicht nötig. "Hierher kommt, wer Hunger hat", sagt Labus.
Namhafte Unterstützer und zahlreiche Sponsoren
Auch die finanzielle Ausstattung der beiden Organisationen unterscheidet sich. "Wir haben mehr als 100.000 Euro Kosten im Jahr und bei weitem nicht so viele Spenden wie die Kindertafel", bedauert Gehling. Labus verweist ebenfalls auf Kosten von 100.000 Euro pro Jahr für die beiden Projekte Pausenbrot und Suppenküche, hat aber eine Vielzahl von Unterstützern. Darunter so namhafte Firmen wie Lego, Coca Cola oder Ikea.
Nach ihrer Gründung 2009 war die Schweinfurter Kindertafel sogar ins Förderprogramm der Aktion Sternstunden des Bayerischen Rundfunks aufgenommen worden und bekam vier Jahre lang ihre gesamten Jahresausgaben erstattet. "Das war eine hohe Auszeichnung für uns", sagt Labus stolz, der für sein unermüdliches Engagement selbst das Bundesverdienstkreuz erhalten hat.

Umso mehr ärgert ihn, dass die Kindertafel beim Tafel-Geburtstagsfest nicht dabei sein darf. "Kann es sein, dass unser großes Leistungsspektrum beneidet wird?", fragt sich Labus. "Weder ich noch andere in unserer Vorstandschaft haben etwas gegen die Kindertafel", weist Tafel-Vorsitzender Gehling niedere Beweggründe zurück. Seine Kritik beziehe sich auf das Kindertafel-Konzept, das "überhaupt nichts mit dem klassischen Tafel-Gedanken gemein hat".
Tafel Schweinfurt übt Kritik am Gabenzaun der Kindertafel
Dazu zählt Gehling auch den Gabenzaun, den die Schweinfurter Kindertafel während der Corona-Pandemie nach dem Vorbild anderer Städte eingerichtet hat. Menschen können den Gabenzaun mit Lebensmitteln, Kleidung oder Hygieneartikeln bestücken und Bedürftige sich dort bedienen. "Das sind ungeprüfte und für mich nicht immer sichere Lebensmittel", hält Gehling diese Einrichtung aus lebensmittelrechtlicher Sicht für "höchst bedenklich".

Dank der zahlreichen Sponsoren kann die Kindertafel zusätzlich noch Kinder in ihrem Weihnachtshaus beschenken und andere Hilfsprojekte durchführen. So wurden zum Beispiel an die Flutopfer im Ahrtal 18 Paletten Nudeln gespendet. An Ostern ließ Labus zur Feier des 14. Geburtstags der Kindertafel auch am Schweinfurter Marktplatz großzügig Nudelpakete verteilen.
"Was hat das mit Bedürftigkeit und mit Kinderarmut beziehungsweise deren Linderung zu tun", verurteilt Gehling dieses "Gießkannenprinzip". Er würde sich wünschen, dass der Hilfsgedanke der beiden Schweinfurter Tafel-Organisationen in ein gemeinsames Konzept gegen Lebensmittelverschwendung mündet, das unter dem Dach der Stadt Schweinfurt umgesetzt wird. Das Handeln sollte sich an den Werten Nachhaltigkeit, Humanität, Gerechtigkeit, Teilhabe und sozialer Verantwortung ausrichten.
Zigfach hat die Tafel Schweinfurt der Kindertafel angeboten, Gespräche und Gedanken zur Zusammenarbeit zu suchen und zu finden.
Auch schriftlich hat dies die Tafel Schweinfurt angeboten.
Schade, dass auch hier die Kindertafel nicht mal geantwortet hat.
Übrigens zur Info: Der Vorstand der Tafel Schweinfurt ist zu 100% ehrenamtlich aktiv, wie alle Kolleginnen und Kollegen der Tafel Schweinfurt e.V.
Gerne begrüßen wir Sie in der Tafel Schweinfurt und klären Sie über unsere Arbeit auf.
Stammtischparolen und Verunglimpfungen helfen nicht weiter. Und der Bericht in der Zeitung war weder von der Tafel Schweinfurt angeschoben noch gewünscht.
Es wäre schön, wenn wir Sie am Samstag 22.04. an der langen Tafel begrüßen dürfen. Wenn Sie sich zu erkennen geben, tauschen wir uns auch gerne aus.
Freundlichst grüßt Sie
Ernst Gehling
Jede Organisation hat das Recht einzuladen zu Veranstaltungen wen es will. Logisch auch mit wem man zusammenarbeitet.
Sie haben zwar ähnliche Namen - aber unterschiedliche Konzepte. Da müßten ja sonst noch viel mehr Vereine eingeladen werden.
Ist es wirklich ein guter Stil sich öffentlich zu beschweren wenn man nicht eingeladen wurde - obwohl man selber betont wieviel man Gutes tut?
Bedenklich ist eher, dass wir hier in Schweinfurt so einen hohen Bedarf haben!
Gut, dass sich für beide so zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer gibt und das nicht erst seit gestern. Danke an alle die hier helfen - egal ob mit Zeit, Waren oder Spenden!
Es war mir bisher auch neu, dass die etwas ganz anderes machen und nicht zur Tafel gehören. Etwas irreführend ist das schon.
Sinnvoll sind sicherlich beide Organisationen.
Warum sollte die Tafel jetzt die Kindertafel einladen ???
Ich lade doch zu meinen Geburtstag auch nur Leute ein die ich mag.