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Gerolzhofen
Tafel-Laden: Der Bedarf nach günstigen Lebensmitteln in Gerolzhofen und Schweinfurt steigt
Die hohen Preise im Einzelhandel belasten viel Haushalte. Die Tafel-Läden bekommen das zu spüren: Die Zahl ihrer Kunden wächst. Zugleich werden bestimmte Waren knapp.
Der Tafel-Laden in Gerolzhofen ist eine Außenstelle der Schweinfurter Tafel. Jeden Donnerstag ab 18.30 Uhr kommen etwa 30 und 40 Bedürftige dorthin, um sich mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen. Zum neunköpfigen Laden-Team gehören (von links) Brigitte Dinkel, Laden-Leiter Harald Quasigroch und Josef Schmitt.
Foto: Michael Mößlein | Der Tafel-Laden in Gerolzhofen ist eine Außenstelle der Schweinfurter Tafel. Jeden Donnerstag ab 18.30 Uhr kommen etwa 30 und 40 Bedürftige dorthin, um sich mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:26 Uhr

Noch eineinhalb Stunden dauert es, bis der Laden der Schweinfurter Tafel in Gerolzhofen öffnen wird. Dennoch warten davor bereits Menschen darauf, dass die Tür aufgeht. Vielleicht zehn, zwölf Frauen sind es. Manche haben ihre Kinder dabei. Sie unterhalten sich. Alle sind geduldig. Das Warten scheint niemanden zu stören. Zum Glück scheint die Sonne.

Drinnen, im Laden, sind Harald Quasigroch, Brigitte Dinkel und Josef Schmitt dabei Lebensmittel in die Regale zu räumen. "Heute ist es eine ganz gute Auswahl an Obst und Gemüse", sagt Quasigroch, der seit kurzem das neunköpfige Team des Gerolzhöfer Tafel-Ladens leitet. Er zeigt auf das Regal links neben der Eingangstür zum Laden, wo in den Plastikboxen Paprika, Radieschen, Salat, Tomaten, Champignons und Kohlrabi liegen. Sogar ein paar Packungen Spargel und einige Frühlingszwiebeln sind dort zu finden. Die drei ehrenamtlichen Helfer räumen zudem eine Kiste Bananen und Packungen mit Suppengrün in ein Regal, wo bereits zwei Kisten Äpfel stehen.

Es werden nur einwandfreie Lebensmittel verkauft

Ganz klar: Mit dem Angebot eines Supermarkts kann der Tafel-Laden nicht mithalten. Wie auch, dort wird schließlich das angeboten, was in den Märkten aussortiert wurde und im Müll gelandet wäre, würde es jetzt nicht eben hier, im Tafel-Laden auf Kunden warten. Wohlgemerkt: Die Lebensmittel, die die Tafel anbietet, sind nicht minderwertig oder gar vergammelt. Sie sind nur kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums – und gelten damit im regulären Einzelhandel als schwer verkäuflich. "Wir retten diese Lebensmittel", beschreibt Ernst Gehling, der Vorsitzende der Schweinfurter Tafel, den Grundsatz, der für alle Tafel-Läden gilt.

Die Auswahl an frischem Gemüse schwankt. Dieses Mal war das Sortiment der von Märkten gespendeten Waren vergleichsweise groß.
Foto: Michael Mößlein | Die Auswahl an frischem Gemüse schwankt. Dieses Mal war das Sortiment der von Märkten gespendeten Waren vergleichsweise groß.

Die Außenstelle in Gerolzhofen ist die einzige Tafel-Laden außerhalb der Kreisstadt.  Während der Tafel-Laden in der Brombergstraße in Schweinfurt an vier Wochentagen geöffnet hat, ist es in Gerolzhofen ein Öffnungstag: donnerstags von 18.30 bis circa 19.30 Uhr. Laut Gehling liefen derzeit Gespräche, um möglicherweise in Gochsheim und Schwebheim ebenfalls Ausgabestelle der Schweinfurter Tafel zu organisieren, um näher zu den Bedürftigen zu kommen. In Werneck ist es vor einigen Wochen bereits gelungen, in Zusammenarbeit mit der Nachbarschaftshilfe eine Außenstelle zu eröffnen.

Vor kurzem stand der Tafel-Laden in Gerolzhofen, der etwas versteckt zwischen der Brunnengasse und der Spitalstraße liegt, noch kurz vor der Schließung. Die Zahl der Kunden war rückläufig gewesen. Zu Spitzenzeiten, berichtet Quasigroch, waren es an die 50 Kunden, die pro Öffnungstag kamen. Dann waren es nur noch etwa die Hälfte. Doch seit einigen Wochen sind es allerdings wieder spürbar mehr geworden. Grund hierfür sind vor allem die Geflüchteten aus der Ukraine, die in Gerolzhofen Zuflucht gefunden haben. Am vergangenen Donnerstag waren es in Gerolzhofen nach Angaben des Schweinfurter Tafel-Vorsitzenden Gehling 37 Kunden.

In den meisten Haushalten leben mehrere Bedürftige

Wobei diese Zahl für die versorgten Haushalte steht. Die Menschen, die von der Tafel an diesem Tag in Gerolzhofen mit günstigen Lebensmittel versorgt wurden, beträgt ein Vielfaches, denn die meisten Haushalte bestehen aus mehr als aus einem Menschen. So rechnet man bei der Schweinfurter Tafel, einer der größten Tafeln in Bayern, wo rund 160 Ehrenamtliche aktuell zwischen 220 und 250 Kunden pro Ausgabetag versorgen, mit über 800 Menschen, die an einem solchen Tag versorgt werden. Insgesamt spricht die Schweinfurter Tafel von circa 2500 Erwachsenen und über 1000 Kindern, die einen Berechtigungsschein haben, um bei ihr einzukaufen.

Die ehrenamtlichen Helfer Gabriele Knippel und Robert Schinzel verpacken portionsweise frische Backwaren.
Foto: Michael Mößlein | Die ehrenamtlichen Helfer Gabriele Knippel und Robert Schinzel verpacken portionsweise frische Backwaren.

Einem bundesweiten Trend folgend verzeichnet die Schweinfurter Tafel zuletzt mehr Kunden. Vor wenigen Monaten waren es noch etwa 130 bis 150 Kunden pro Ausgabetag, berichtet Gehling. Zum Anstieg der Zahlen haben nicht nur die Kriegsflüchtlinge beigetragen. Auch immer mehr Einheimische können sich die stark gestiegenen Lebensmittelpreise nicht mehr leisten. Manche der Kunden, sagt Gehling, kämen mehrmals pro Woche, um bei der Tafel für drei Euro eine Menge an Lebensmitteln zu erhalten, die im Laden weitaus mehr kosten würde.

Sortierte Waren kommen von Schweinfurt nach Gerolzhofen

Die Auswahl beschränkt sich grundsätzlich auf das, was die Helfer von den Märkten, die die Tafel unterstützen, kostenlos erhalten. Die Auswahl schwankt dementsprechend, es gibt kein festes Sortiment. Obst und Gemüse, Molkereiprodukte, einige Fertiggerichte und Backwaren sind es an diesem Tag, die die Helfer im Gerolzhöfer Tafel-Laden ausgeben können. Sie erhalten die Waren mittlerweile direkt von der Tafel in Schweinfurt, wo die in Stadt und Landkreis Schweinfurt eingesammelten Waren zentral sortiert und zusammengepackt werden.

Die Waren im Tafel-Laden sind in der Regel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums – aber dennoch tadellos.
Foto: Michael Mößlein | Die Waren im Tafel-Laden sind in der Regel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums – aber dennoch tadellos.

Dies ist neu. Bisher hatten die ehrenamtlichen Helfer des Gerolzhöfer Tafel-Teams die Waren noch selbst bei den örtlichen Märkten (Edeka, Rewe, Aldi und beim Edeka in Oberschwarzach) abgeholt, die die Tafel unterstützen. Die Unterhaltskosten für den dazu notwendigen Transporter rechneten sich einfach nicht mehr, begründet Gehling die Umstellung auf die Versorgung durch Zentrale in Schweinfurt. Lediglich von den Bäckereien Gürsching und Oppel erhalten die Gerolzhöfer Helfer die gespendeten Backwaren kurz vor Öffnung des Tafel-Ladens direkt.

Was die Tafel zu spüren bekommt, ist die Verknappung frischer Lebensmittel. Die Märkte würden diese derzeit deutlich weniger häufig aussortiert als früher, berichtet Gehling. Dies plus der Umstand, dass mehr Kunden zur Tafel kommen, mache die Sache aktuell "schon spannend".

Ausnahmegenehmigung ermöglicht Kauf von Lebensmitteln

Denn die Tafel finanziert nicht nur ihre Fixkosten für Mieten, Material und Fahrzeuge über Spenden. Auch die Lebensmittel, die sie weitergibt, erhält sie von den Geschäften kostenlos. Dafür Geld auszugeben, verbietet ihr ihre Satzung. Dass sie derzeit bestimmte Lebensmittel, etwa Zwiebeln oder Kartoffeln, bei Bedarf dennoch kauft, basiert auf einer Ausnahmegenehmigung, erläutert Gehling. Und genau genommen sind es auch nicht die einzelnen Tafeln, die diese Waren einkaufen, sondern deren Landesverband Bayern. Dieser verteilt die Waren dann weiter an die Tafeln, die Bedarf haben, wie auch die Tafel-Läden untereinander vernetzt sind und überschüssige Lebensmittel untereinander weitergeben. Die Schweinfurter Tafel, die unter anderem über eine Zusammenarbeit mit dem Edeka-Zentrallager in Gochsheim gut versorgt wird, habe beispielsweise neulich 20 Paletten Joghurt erhalten, berichtet Gehling. Dies war viel zu viel, um den Joghurt allein in Schweinfurt und Gerolzhofen zu verteilen. Ein Großteil davon wurde an andere Tafel-Läden abgegeben.

Der Tafel-Laden in Gerolzhofen liegt etwas versteckt zwischen der Brunnengasse und der Spitalstraße.
Foto: Michael Mößlein | Der Tafel-Laden in Gerolzhofen liegt etwas versteckt zwischen der Brunnengasse und der Spitalstraße.

Unter anderem für den beschränkten Einkauf besonders knapper Lebensmittel hat die Bayerische Staatsregierung nach Angaben von Sozialministerin Ulrike Scharf den Tafeln im Freistaat jüngst auch 200.000 Euro zur Verfügung gestellt. Dies soll den Tafeln helfen, den aktuellen Herausforderungen besser begegnen zu können.

Kunden der Tafel benötigen einen Bezugsschein

Wer bei den Tafeln einkaufen darf, darüber entscheiden Berechtigungsscheine. In Gerolzhofen gibt diese die Verwaltungsgemeinschaft aus. In Schweinfurt übernehmen dies die Diakonie und die Caritas. Um einen solchen Schein zu erhalten, darf eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreiten  werden. Antragsteller müssen ihre Bedürftigkeit auch nachweisen.

Molkereiprodukte sind normalerweise immer unter den gespendeten Lebensmitteln zu finden.
Foto: Michael Mößlein | Molkereiprodukte sind normalerweise immer unter den gespendeten Lebensmitteln zu finden.

Für Gehling ist klar: "Die Bedürftigen, die bei uns einkaufen, das ist nur die Spitze des Eisbergs." Viele Menschen, die kaum genügend Geld für ihren Lebensunterhalt haben, gingen dennoch nicht zur Tafel – und sei es aus Scham. Auf der anderen Seite könnten die Tafeln aber auch nicht alle Bedürftigen versorgen und würden mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit ohnehin Aufgaben übernehmen, um die sich eigentlich die Politik in unserem Land besser kümmern müsste, meint Gehling.

 
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