
Sonntag, 23. Februar, 18 Uhr. Im Sitzungssaal im Schweinfurter Rathaus trifft sich die örtliche Politprominenz. Die Stimmen für die Bundestagswahl werden ausgezählt. Auf dem Bildschirm erscheint die erste Hochrechnung der ARD. Was sich im Wahlkampf abzeichnete, wird bittere Wahrheit: Die SPD ist der Wahlverlierer. Der Schweinfurter Abgeordnete Markus Hümpfer verliert sein erst 2021 errungenes Mandat.
Statt Regierungsbildung mit der CDU/CSU und designierten Kanzler Friedrich Merz heißt es für Hümpfer: Büros in Berlin und Schweinfurt auflösen, einen neuen Job suchen. Der 32-Jährige ist Ingenieur. Nach außen wirkt er gefasst. Doch die Enttäuschung nach dem intensiven Wahlkampf ist ihm anzusehen.
"Natürlich war es absehbar, aber es ist sehr bitter", resümiert der Schonunger. Seine Partei sei mit ihren Themen wie sichere Renten oder höherer Mindestlohn bei den Wählerinnen und Wählern nicht durchgedrungen. Die Migrationsdebatte habe alles überlagert.
Für eine ausführliche Analyse ist am Sonntagabend zu wenig Zeit, sitzt der Stachel der Niederlage zu tief. Doch eine Einschätzung teilt Hümpfer mit den meisten seiner Parteigenossen vor Ort: "Ein Großteil lag auch am Kandidaten Olaf Scholz." Im Wahlkampf hatte er sich noch moderater zum Kanzler geäußert: "Olaf Scholz ist aktuell der richtige Mann." Die Betonung lag auf: "aktuell".
Neuaufstellung der SPD, inhaltlich und beim Personal gefordert
Der Wahlabend hat das verändert, für die SPD Schweinfurt ist klar: Die Partei muss sich neu aufstellen, personell wie inhaltlich. Eine erneute Kandidatur für das Direktmandat im Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen in vier Jahren schließt Hümpfer nicht aus. Sein Ziel: "Wir müssen bei der nächsten Wahl wieder in die Herzen der Menschen zu kommen."
Wie das gehen soll? Am Sonntag hat der 32-Jährige dafür noch kein Patentrezept.

"Es gibt nichts schönzureden", sagt der SPD-Bezirksvorsitzende Bernd Rützel aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart). Gründe für das schwache Abschneiden? Mehr Führung in Zeiten von Corona-Krise und Ukraine-Krieg seien nötig gewesen. "Doch da haben wir nicht geliefert." Stattdessen habe der "ständige Streit, dieser Zirkus" alles überlagert, meint Rützel. Selbst die "vielen guten Dinge, die die Ampel auf den Weg gebracht hat."
Spätestens nach dem Messerangriff in Aschaffenburg sei es nicht mehr möglich gewesen, "mit Daten und Fakten" gegen Gefühle und Stimmungen durchzudringen, sagt der SPD-Bezirkschef. Er selbst hat es wieder in den Bundestag geschafft.
Schweinfurter SPD hatte von Anfang an Boris Pistorius als Favorit
Nur wenige Meter vom Schweinfurter Rathaus entfernt hat sich am Sonntagabend in Hümpfers Wahlkreisbüro der harte Kern der SPD versammelt, die Stimmung ist gedämpft. Im Hintergrund steht noch die Tafel mit den Plänen zum Wahlkampf vor Ort. Ganz oben der Slogan "Einer von uns".
Ein Sozialdemokrat bringt es auf den Punkt: "Es ist das erwartbare Desaster, ein Abend zum Vergessen." Im Hintergrund laufen im Fernseher die ersten Debatten, wer nun mit wem koalieren sollte und was die Gründe für das Wahlergebnis sind. 16,4 Prozent für die SPD, das schlechteste Ergebnis seit 1949. Die rechtspopulistische AfD mit 20,8 Prozent ist jetzt zweitstärkste Fraktion.
Knapp 2,2 Millionen Stimmen bundesweit weniger als die AfD - "es sticht ins Herz", gibt Florian Töpper Einblick in sein Seelenleben. Für den Schweinfurter Landrat und für den Schonunger SPD-Bürgermeister Stefan Rottmann ist der Kanzler der Hauptverantwortliche für die Niederlage. Warum setzten die Sozialdemokraten nicht auf den Wunschkandidaten der Basis, Verteidigungsminister Boris Pistorius? "Wir haben eine Chance vergeben, denn vor allem das Thema Sicherheit war ganz weit oben", sagt der Landrat.
Bernd Rützel sieht das anders, Olaf Scholz sei nicht der falsche Kandidat gewesen. "In diesen Zeiten werden besonnene Köpfe mehr denn je gebraucht." Eine Koalition mit der Union könne er sich vorstellen, es liege an Friedrich Merz, Angebote zu unterbreiten. Doch mit dem Gerede von "linken Spinnern" mache er es den Sozialdemokraten "jedenfalls nicht leichter, in Gespräche einzusteigen".

In Schweinfurt ist "Neuanfang" für die SPD das Wort des Wahlabends. Warum die Bundespartei nicht auf die Basis hörte? "Eine philosophische Frage", sagt Florian Töpper nachdenklich. Zumindest die SPD in Stadt und Landkreis Schweinfurt kann sich nicht vorwerfen lassen, sie hätten nicht gewarnt: Sehr deutlich hatte sie schon vor der Landtagswahl in Brandenburg im September in einer Pressemitteilung von Scholz "Führung bestellt".
SPD-Gedanken: Welche Konsequenzen man aus dem Wahlergebnis ziehen muss
Stefan Rottmann sieht sich bestätigt. "Wir brauchen jetzt einen Neuanfang." Dass der schwierig wird, wenn man gleichzeitig regiert, ist allen bewusst. Und noch etwas sagt der Bürgermeister, was an diesem so bitteren Abend fast wie ein Mantra wirkt: "Der Bundeskanzler war das Thema, nicht die Sozialdemokratie."
Die Schweinfurter SPD-Kreisvorsitzende Marietta Eder beschäftigt wie viele vor allem das AfD-Ergebnis. In manchen Schweinfurter Stadtteilen votierten fast 40 Prozent für die Rechtspopulisten. "Wir sprechen viel zu wenig mit dieser Klientel. Wir wissen nicht, wie sie ticken. Wir wissen nur, was sie umtreibt und dass sie kein Vertrauen haben, dass wir das hinkriegen", sagt Eder.
Im Grunde die vielleicht bitterste Wahrheit an diesem Abend voller bitterer Wahrheiten.
Unabhängig davon, ob er damit Recht hat oder nicht, sollte er, um für seine vielleicht in Zukunft nochmal weiterführende politische Karriere glaubwürdig zu sein nun die Chance nutzen und freiwillig den Wehrdienst antreten. Täte ihm auch körperlich gut.
Meiner Meinung nach sollte man mit so einer Einschätzung sorgsam umgehen, und auch immer den historischen Kontext beachten.
Außerdem sehe ich rund um den D-day Lindners noch zu viele offene Fragen, um die Regierungszeit Scholz abschließend zu bewerten.
Gab es gar konkrete Pläne, die Bundesregierung von innen heraus zu sabotieren,
weil Merz und Dobrindt mit Lindner gemeinsame Sache machen wollten?
Wem war die D-day- Inszenierung von Nutzen ?
Von all dem hört man erstaunlich wenig, aber jetzt ist die FDP eh raus, Schwamm drüber, Merz fühlt sich als Kanzler und das Vertrauen in die politische Aufrichtigkeit hat einen gewaltigen Knacks abbekommen.
Trotzdem ist die alte Aktentasche nach wie vor in Gebrauch, bis der Bundestag wen auch immer ins Kanzleramt wählt.
Ich will ja auch immernoch wissen, wer die ominösen Spender waren,
die Kohl selig seinerzeit
nicht verraten hat und werde es nie erfahren.
aber wir Wähler/innen haben jetzt ja immerhin das Recht, den unsichtbarsten Bundeskanzler (bislang) aller Zeiten ganz schnell zu vergessen (der offenbar obendrein auch nicht verstanden hat, dass Geld, welches nur auf irgendwelchen Konten gehortet wird, der Wirtschaft als solcher in den seltensten Fällen was nützt)...
Das gut ist, ein Pistorius ist durch die Wahl nicht "verbrannt" worden und kann ein guter Teil der nächsten Regierung werden.
aber nicht zu lange warten,
die nächste Wahl könnte schon bald sein.
Mit 'afd-Klientel' mal zu reden ist tatsächlich keine schlechte Idee,
um herauszufinden, in welcher Parallelwelt diese Leute leben.
Da geht es überhaupt nicht um Parteiprogramm und Politik der Alternative für Deutschand,
das ist komplett nebensächlich.
Afd ist zu einer totalitären Ideologie verkommen,
die den kompletten Alltag bestimmt.
Und man verbündet sich.
"Ausländer raus aus Deutschland,
fossile Energie bis zum Untergang,
kein deutsches Geld ins Ausland,
einmal afd immer afd",
wer nicht die Glaubenssätze der Ideologie vertritt ist Feind und wird ausgegrenzt.
Diese Bewegung ist in keiner Weise mit einer historischen politischen Partei wie der Sozialdemokratie zu vergleichen,
schon eher mit irgendwelchen Sekten oder auch dem politischen Islam.
Daher sollte man die afd nicht als parteipolitische Mitbewerber verstehen, sondern endlich ein Verbotsverfahren
starten.
Wenn eine Partei demokratisch vom Volk gewählt wird, und alteingesessene Parteien ihre Stimmen verlieren, weil sie das Volk nicht mehr erreichen, verbietet man sie?
Klingt nicht nach Demokratie?
Wenn jemand die AFD aufhalten will, muß er der Bevölkerung zuhören und ihre Probleme und Ängste ernst nehmen.
Etwas zu verbieten bewirkt eher das Gegenteil.
Gruß
Stefan Gerner
Meine Sichtweise zum Parteistatus der afd hab ich ja schon geschrieben.
Logisch muß man die Probleme und Ängste der Leute ernstnehmen,
aber genauso muß man auch klare Grenzen aufzeigen, weil eben nicht alles vertretbar ist, was irgendeine Mehrheit lautstark einfordert.