Als Schweinfurter Finanzreferentin war das Leben in den vergangenen Jahren grundsätzlich nicht so schlecht: Anna Barbara Keck verkündete in den letzten Zehn Jahren jährlich steigende Einnahmen, durfte sich wie Comic-Figur Dagobert Duck in seinem Geldspeicher fühlen, wenn sie einen Blick auf den Kontoauszug der Stadt mit 119 Millionen Euro auf dem Sparbuch warf. Die vergangenen Jahre waren eher davon geprägt, die zahllosen neuen Großprojekte alle zeitlich unter einen Hut zu bringen als sich zu fragen, wer das alles bezahlen soll.
Und dann kam Corona. Und Anna Barbara Keck, ohnehin bekannt für ihre maßvolle und eher konservative Finanzpolitik auch in guten Zeiten, dürfte sich seit Mitte März quasi täglich wie Dagobert Ducks chronisch klammer Neffe Donald gefühlt haben. Das Geld, in dem Fall die Gewerbesteuer, wurde täglich weniger. Ein Ende des freien Falls ist noch nicht in Sicht. In der letzten Sitzung des Stadtrates vor der Sommerpause zeigte Keck die aktuelle Entwicklung. Und wie in den vergangenen Monaten immer wieder: Leider hat sich "die katastrophale Situation der Haushaltslage" nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Keck hat nur ein Wort dafür: "Erschreckend."
Im Juli werden nur noch 25 Millionen Euro durch die Gewerbesteuer erwartet. Das sind noch mal drei Millionen Euro weniger als die Schätzungen im Frühjahr zu Beginn der Pandemie. Ursprünglich plante man für 2020 mit 60 Millionen Euro durch die Gewerbesteuer. Die fünf wichtigsten Gewerbesteuer-Zahler haben mittlerweile gemeldet, dass sie in diesem Jahr nur rote Zahlen schreiben und deshalb keine Gewerbesteuer zahlen. Sprich: Die Industriebetriebe müssen vor allem ihre Liquidität sichern. Außerdem nehmen die Stundungsanträge für die Gewerbesteuer von mittelständischen und kleinen Betrieben zu, so Keck.
Kürzlich war die Finanzreferentin auf einer Tagung der bayerischen Kämmerer. Sie alle hatten Sorgenfalten im Gesicht, doch mit Sicherheit am größten sind die Sorgen in der Wälzlagerstadt. Als alle Zahlen auf den Tisch kamen, wie groß der Verlust ist, ergab sich für Bayern ein Durchschnitt von minus 55 Prozent. Schweinfurt hat einen Einbruch um 90 Prozent. Um das Loch auszugleichen, muss in die Rücklagen gegriffen werden, die eigentlich dafür da waren, die vielen Großprojekte mit zu finanzieren.
"Die Gewerbesteuereinnahme für 2020 ist historisch niedrig", so Keck, "es ist der deutlichste und schlimmste Einbruch aller kreisfreien Städte." Das Problem mit der hohen Abhängigkeit der Stadt von der Gewerbesteuer ist bekannt, im übrigen haben sich schon im Vergleich von 2018 zu 2019 die beginnende Rezession und die Schwierigkeiten der Automobilindustrie wegen der Mobilitätswende abgezeichnet. 2018 hatte die Stadt noch 73,1 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer, 2019 waren es schon nur noch 47,5 Millionen.
Keck hat schon im April eine Haushaltssperre erlassen, alle Abteilungen müssen wo möglich 30 Prozent ihrer Kosten einsparen. In den vergangenen Wochen informierte das Finanzreferat auch die Stadtrats-Fraktionen, denn natürlich stellt sich vor allem die Frage, welche Projekte – von der Landesgartenschau 2026 über den Bau des Kulturforums bis hin zur Theatersanierung – sich die Stadt zu welchem Zeitpunkt unter welchen Voraussetzungen leisten kann. Der Haushalt für 2021 wird gerade verwaltungsintern aufgestellt, parallel am Nachtragshaushalt für 2020 gearbeitet. Immer unter dem einzig möglichen Leitfaden: Sparen, sparen, sparen.
Für die Kommunen soll es auch einen Rettungsschirm geben
Einen Lichtblick gibt es für die Stadt. Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) hat schon zwei Mal an den bayerischen Finanzminister Albert Füracker (CSU) geschrieben und auf Schweinfurts Probleme aufmerksam gemacht. Der CSU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Stefan Funk, wandte sich direkt an Ministerpräsident Markus Söder. Offenbar beginnt sich in München die Erkenntnis durchzusetzen, dass es eines kommunalen Rettungsschirmes bedarf.
Der würde im Idealfall so aussehen, dass ein prozentualer Anteil der durchschnittlichen Gewerbesteuereinnahmen von 2018 und 2019 gezahlt wird. Außerdem sollen die sehr strikten Voraussetzungen, wann eine Kommune einen Kredit aufnehmen kann und wann nicht, gelockert werden. Gerade die Frage, wie ein Ausgleich des Gewerbesteuer-Verlustes berechnet wird, ist für Schweinfurt wichtig: Da geht es um Millionen Euro, und würde es so kommen, dass auch das Jahr 2018 mit der bis dato höchsten Gewerbesteuer-Einnahme aller bisherigen Zeiten mit einfließt, "würde uns das sicher für 2020 etwas Luft verschaffen", so Anna Barbara Keck. In der Stadtratssitzung am 29. September wird klar sein, wie blau das Auge ist, das die Corona-Pandemie dem städtischen Haushalt verpasst hat.
Niemand hat auch nur annähernd 2015 so fest mit einer Pandemie mit einem derartigen Ausmaß mit solch dramatischen finanziellen Folgen ernsthaft rechnen können.
Mir scheint, dass es Zeitgenossen gibt die jetzt im Nachhinein schon alles bereits seit Jahren gewusst haben wollen. Dabei wäre es hilfreicher sich nicht vorwurfsvoll in die eigene Tasche zu lügen sondern je nach Möglichkeit aktiv mit anzupacken um eine gute Zukunft zu ermöglichen.