Sie wollen jetzt Klarheit: Was passiert mit dem Anker-Zentrum nach 2025? Am Dienstag, 22. Juni, wollen Vertreter aus Stadt und Landkreis Schweinfurt nach München in die Staatskanzlei fahren. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) soll ihnen Rede und Antwort stehen. Denn die Zukunft der Anker-Einrichtung ist entscheidend für das größte Konversionsprojekt in der Region, die Realisierung eines Industrie- und Gewerbeparks auf dem ehemaligen Gelände der US-Army-Kaserne Conn Barracks.
Eigentlich war es klar abgemacht: Das im Zuge der europäischen Flüchtlingskrise in den Conn Barracks eröffnete Ankerzentrum soll Ende 2025 wieder geschlossen werden. Das hatte der Freistaat den Gemeinden Geldersheim und Niederwerrn sowie Stadt und Landkreis Schweinfurt zugesagt, auf deren Gemarkungen das 203 Hektar große ehemalige militärische Areal liegt. Doch seit geraumer Zeit gibt es Zweifel, ob diese "Gemeinsame Erklärung" aus dem Jahr 2016 eingehalten wird.
Sorge um Weiterbetrieb der Anker-Einrichtung
Ein Blick nach Oberfranken erklärt warum: Auch die Stadt Bamberg hat 2015 eine vergleichbare Vereinbarung mit dem Freistaat Bayern abgeschlossen. Dort war ebenfalls wie in Schweinfurt ein Ankerzentrum eröffnet worden. Ankerzentren sind ein Bundesprojekt, aber nur Bayern hat sie flächendeckend eingesetzt, in jedem der sieben Regierungsbezirke eines. Ziel dieser Einrichtungen ist die Bündelung aller zur Abwicklung eines Asylverfahrens nötigen Akteure und Ämter an einem Ort. Daher der Begriff "AnkER", er steht für "Ankunft, Entscheidung, Rückführung".
Seit Mitte März nun ist in Bamberg eine öffentliche Debatte entbrannt, dass der Freistaat die Flüchtlingsunterkunft über das Jahr 2025 hinaus betreiben könnte. Ausgelöst hat sie der Unterzeichner der Vereinbarung, Innenminister Joachim Herrmann, mit einem Schreiben Anfang März an die Bamberger Landtagsabgeordnete Ursula Sowa, das öffentlich wurde. Darin heißt es sinngemäß, dass der Freistaat bezüglich der erforderlichen Kapazitäten an Möglichkeiten der Flüchtlingsunterbringung keine verbindliche Aussagen für die Zeit nach dem Jahr 2025 treffen könne. Die Zeitung "Fränkischer Tag" zitierte Herrmann sogar mit den Worten, dass wegfallende Anker-Kapazitäten an anderen Standortkommunen kompensiert würden. Auch Schweinfurt soll hier genannt worden sein.
Zweite Zufahrt zur B 303 notwendig
Das hat nicht nur die Oberfranken aufgeschreckt, sondern auch in Unterfranken die Alarmglocken läuten lassen. Schon Ende 2013 hatten die Gemeinden Geldersheim und Niederwerrn sowie die Stadt und der Landkreis Schweinfurt ihre Zusammenarbeit in einem kommunalen Zweckverband für die Nachnutzung der Conn Barracks besiegelt, um auf dem 203 Hektar Fläche umfassenden Areal einen Gewerbe- und Industriepark mit mindestens 100 Hektar Gewerbefläche zu schaffen. Ein Weiterbetrieb der Anker-Einrichtung stünde diesen Plänen im Wege. Und zwar in vielerlei Hinsicht.
Die Anker-Einrichtung belegt zwar nur 15,6 Hektar Fläche, sie liegt jedoch an exponierter Stelle an der Hauptzufahrt zum künftigen Gewerbepark. Um die 184 Hektar dahinter erschließen zu können, bedarf es zuerst einmal einer neuen, zweiten Zufahrt zur B 303. Und diese kann der Zweckverband nicht bauen, solange der Freistaat die benötigte Fläche dafür nicht freigibt. Bislang gibt es lediglich für den Bereich außerhalb der Anker-Einrichtung eine Flächenfreigabe. Hier hat sich der Zweckverband bereits das kommunale Erstzugriffsrecht gesichert. Wollte der Zweckverband nun vorab die 184 Hektar ohne Anker-Einrichtung kaufen, muss folglich Klarheit über das Ende der Einschränkungen durch die Flüchtlingsunterkunft bestehen.
Zweckverband will Klarheit über Kaufpreis
Ebenso will der Zweckverband Klarheit über den Kaufpreis, und zwar für das gesamte Gelände. Einen unabhängig voneinander stattfindenden Verkauf der beiden Teilbereiche lehnen die Verbandsmitglieder ab, weil man finanziell sonst doppelt im Nachteil wäre. Denn für die weitaus größere Fläche außerhalb der Anker-Einrichtung (184 Hektar) müsste der Zweckverband bei einem Vorabkauf einen höheren Kaufpreis an den Bund bezahlen, weil beim Wertermittlungsverfahren die wertmindernden Abrisskosten für den recht hohen Gebäudebestand im wesentlich kleineren Anker-Bereich (15,6 Hektar) nicht ins Gewicht fallen würden. Beim späteren Kauf des Anker-Bereichs wiederum würden die Abriss- und Erschließungskosten die möglichen Grundstückerlöse übersteigen. Eine parallele Planung von Gewerbepark und Anker-Einrichtung über den 1. Januar 2026 hinaus lehnt der Zweckverband daher ab.
Die Botschaft aus Unterfranken in Richtung München ist unmissverständlich: "Die Staatsregierung und kommunalen Mandatsträger stehen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgen im Wort", sagt Landrat Florian Töpper. Seit Beginn der europäischen Flüchtlingskrise 2014 trage der Landkreis Schweinfurt zur Bewältigung dieser Herausforderung bei. "Wir haben unsere Unterstützung jedoch in der Erwartung geleistet, dass die Rahmenbedingungen für alle verbindlich sind", verweist Töpper auf die "vorbehaltlose Festlegung", dass spätesten am 31.12.2025 die Nutzung der Conn Barracks als Ankerzentrum beendet ist.
"Unterfränkische Solidarität" fordert Thomas Hemmerich, der Bürgermeister von Geldersheim, auf dessen Gemarkung über 80 Prozent der Conn Barracks liegen. Bis zum Jahresabschluss 2025 habe die Region Schweinfurt über zehn Jahre eine spürbare Sonderlast für den Regierungsbezirk Unterfranken getragen. Spätestens ab 2026 sei es daher an der Zeit, dass auch in Unterfranken, wie es bereits in Schwaben seit 2019 erfolge, die Unterbringung der Asylsuchenden wieder in regionaler Solidarität auf verschiedene Standorte verteilt werde.
Niederwerrns Bürgermeisterin Bettina Bärmann verweist darauf, dass die Gemeinden vor Ort ihre Hausaufgaben gemacht und ein umsetzungsfähiges Erschließungskonzept erarbeitet haben. Damit sei es möglich, bereits vor der Schließung der Anker-Einrichtung Ende 2025 erste Erschließungsbauabschnitte zu verwirklichen. "Alles was der Freistaat leisten muss, ist das Einlösen seiner Zusagen, um den Flächenankauf zum Abschluss zu bringen." Die Voraussetzungen dazu seien vom Zweckverband bereits im vergangenen Jahr per Satzungsänderung geschaffen worden.
Auch Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé fordert vom Freistaat "verbindliche und verlässliche Rahmenbedingungen in Erfüllung seiner Zusagen aus den Jahren 2016 und 2018". Bleiben diese aus, drohe dem seit 2013 laufenden Konversionsprojekt der Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Industrieregion Schweinfurt würden damit Zukunftschancen weggenommen, "von denen wir noch Jahrzehnte profitieren könnten", sagt Remelé.
16,7 Millionen Euro bisher investiert
Im Innenministerium lässt man sich bislang nicht in die Karten schauen. Auf Nachfrage dieser Redaktion heißt es: "Die Nutzung der Flächen als Anker beträgt noch knapp fünf Jahre, daher steht eine Entscheidung über die künftige Ausgestaltung des Ankers Unterfranken aktuell nicht an und ist auch nicht angezeigt." Was eine Zentralisierung oder Verlagerung von Anker-Einrichtungen an andere Standorte angeht, gebe es "dazu aktuell keine Planungen".
Seitens der Regierung von Unterfranken, der Betreiberin der Anker-Einrichtung, "steht die Einrichtung derzeit und die nächsten Jahre nicht in Frage". Warum auch? Wird doch noch immer fleißig am Anker gebaut. Seit 2015 bis heute hat der Freistaat hier 16,7 Millionen Euro an Herrichtungs-, Sanierungs- und Unterhaltungskosten aufgewendet. Derzeit wird das Gebäude des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hergerichtet. Hierfür sind weitere 3,8 Millionen Euro angesetzt. Die Investitionssumme für das offiziell bis Ende 2025 befristete Ankerzentrum summiert sich damit auf 20,5 Millionen Euro.