Die gewaltigen Herausforderungen, die die Energiewende mit sich bringt, werden für die meisten Menschen selten sichtbar. Und auch diejenigen, die an der Baustelle direkt neben dem Schalthaus an der Straße zwischen Brünnstadt und Zeilitzheim vorbeifahren, erkennen kaum, was dort vor sich geht. Sie können gar nicht wissen, dass es sich um eine der vielen Baustellen handelt, die dafür sorgen sollen, dass die Menschen und Unternehmen in diesem Land in absehbarer Zeit fast ausschließlich mit Strom versorgt werden, der regenerativ erzeugt wurde. Dabei investiert die ÜZ Mainfranken dort in den kommenden Monaten eine Millionensumme.
Dem fast 50 Jahre alten Schalthaus, das dort auf der Anhöhe steht, sieht man sein Alter auf Anhieb gar nicht an. Es sieht nicht nur intakt aus – es funktioniert auch noch tadellos. Nur arbeitet es seit Jahren hart am Limit. Seine Kapazität reicht eigentlich seit Jahren nicht mehr, um für die ÜZ als Knotenpunkt zwischen Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetzen die großen Mengen Strom zu verteilen, die dort Tag und Nacht ankommen.
Noch vor 30 Jahren war das Umspannwerk Brünnstadt nach Angaben der ÜZ ihr zentrales Umspannwerk, das für das komplette Netzgebiet der ÜZ die Versorgung der Menschen und Betriebe vom Steigerwald bis zum Main sicherstellte. Doch diese Zeiten sind vorbei.
Wenn die Sonne scheint, wird's eng im Netz
"Heute sind wir zu einem ,Strom-Entsorgungsunternehmen‘ geworden", beschrieb Jürgen Kriegbaum, der Geschäftsführende Vorstand der ÜZ während des Spatenstich-Termins am Freitagnachmittag die grundlegend gewandelte Situation des regionalen Netzbetreibers und Stromversorgers. Um zu verdeutlichen, woran das unter anderem liegt, musste Kriegbaum nur kurz zum Himmel blicken. Dort hatten sich die Wolken verzogen und die Sonne lachte. "Herrliches Photovoltaik-Wetter", stellte er fest. Anders ausgedrückt bedeutete das: Im Gebiet der ÜZ wurde gerade mehr Strom erzeugt als dort verbraucht wurde.
Dieser Umstand beschert Stromnetzbetreibern wie der ÜZ viel Arbeit. Und manchmal auch Sorgen. Denn der Strom aus Photovoltaik (PV), genauso der Strom, der per Windkraftanlagen (WKA) erzeugt wird, muss bei der ÜZ laut Kriegbaum an 365 Tagen im Jahr ins vorgelagerte Hochspannungsnetz gespeist werden. Sonst käme der Strom nicht dorthin, wo er gebraucht wird. Deshalb auch sein Vergleich der ÜZ mit einem "Entsorgungsunternehmen".
Investitionen in weitere Schalthäuser stehen an
In Zahlen ausgedrückt stellt sich das nach Angaben der ÜZ so dar: Die regenerativen Erzeugungsanlagen in ihrem Netzgebiet summieren sich auf eine Gesamtleistung von über 380 Megawatt. Um diese ans Stromnetz anzubinden, hat die ÜZ in den zurückliegenden Jahren 80 Millionen Euro in den Ausbau des Netzes investieren müssen.
Aus einst zwei Umspannwerken (eines davon das bei Brünnstadt) sind mittlerweile sechs Umspannwerke geworden. Weitere würden geplant. Das Schalthaus Brünnstadt, das jetzt durch den Neubau neben dem Bestandsgebäude ersetzt wird, bleibt für die ÜZ, wie sie berichtet, das größte und wichtigste ihrer Schalthäuser. 4,3 Millionen Euro gibt sie für den Neubau aus. In weitere Schalthäuser bei Donnersdorf, Wiesentheid und Waigolshausen müsse ebenfalls investiert werden.
Vor 30 Jahren kam der absolute Großteil des Stroms, der im Brünnstädter Schalthaus verteilt wurde, aus dem in Sichtweite stehenden Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (KKG). Aus Sicht des Netzbetreibers war das praktisch, denn so lange das KKG lief, lieferte es rund um die Uhr die gleiche Menge an Strom. Konstant, unabhängig von Sonne und Wind. PV- und WKA-Strom dagegen fließt unregelmäßig. Es gibt Spitzenlasten und Zeiten der Flaute. Das Stromnetz muss mit beidem zurechtkommen und entsprechend stabil ausgebaut sein.
Gewaltiger Zuwachs bei Ökostrom absehbar
Manchmal kommt schon heute so viel Strom an, dass im bestehenden Schalthaus die Belastbarkeitsgrenzen längst erreicht werden, sagte Kriegbaum. Vergangenes Jahr musste erstmals eine PV-Anlage vom Netz genommen werden, um eine Überlastung zu verhindern. "Wir haben da keine freie Kapazität mehr." Zugleich gebe es Anfragen, ob die ÜZ nicht weitere 85 Prozent der aktuellen Jahresleistung weiterleiten könne. So stark boomt derzeit die Ökostromerzeugung. Auch deshalb führe am Ausbau der Schalthäuser, aber auch der Umspannwerke, kein Weg vorbei.
Die Kosten für den Netzausbau zahlen über die sogenannten Netzentgelte alle Stromkunden, ganz gleich, ob sie ihren Strom bei der ÜZ kaufen oder anderswo. Als Netzbetreiber kann die ÜZ die Investitionskosten über 40 Jahre hinweg refinanzieren, wie Kriegbaum beschrieb. Er kritisierte in diesem Zusammenhang erneut, dass die aktuelle Gesetzeslage die Umlage der Netzentgelte auf den Bereich des jeweiligen Netzbetreibers beschränkt.
Vereinfacht gesagt heißt das: Auf dem Land, wo viele Photovoltaik- und Windkraftanlagen stehen, und folglich die Kosten für den Netzausbau höher sind, zahlen die Menschen mehr Netzentgelte als in Städten, wo weniger Ökostrom entsteht, aber normalerweise mehr Strom verbraucht wird. Diese aus Sicht Kriegbaums ungerechte Verteilung der Kosten müsse politisch gelöst werden.
Bürgermeister und Landrat fordern Ausgleich der Lasten
Dies sieht auch Frankenwinheims Bürgermeister Herbert Fröhlich so. Er könne überhaupt nicht verstehen, dass der Netzausbau "auf den Rücken der Bewohner der ländlichen Region ausgetragen wird", sagte er zum Spatenstich. Dort hätten die Menschen zudem mit dem Gros der stehenden und entstehenden PV-Flächen und WKA ohnehin schon die Hauptlast der Energiewende zu tragen – und zahlen dann am Ende auch noch mehr für den vor Ort erzeugten Strom.
In dieselbe Richtung zielte Landrat Florian Töpper in seiner Rede. "Wir wollen die Energiewende und möchten unseren Beitrag dazu leisten", meinte er. Doch müsse mit Blick aufs ganze Land ein "Ausgleich bei den Belastungen" geschaffen werde, beispielsweise auch bei Fragen der Errichtung neuer Netzknotenpunkte wie dem bei Bergrheinfeld.
Die ÜZ lässt das in absehbarer Zeit nicht mehr benötigte alte Schalthaus Brünnstadt nicht abreißen. Dort plant sie einen Großspeicher für Überschussmengen an regenerativ erzeugten Stroms. Dieses Pilotprojekt entwickelt die ÜZ zusammen mit dem Technologieunternehmen CMBlu Energy aus Alzenau, wissenschaftlich begleitet von der Technischen Hochschule Schweinfurt. Die dort gespeicherten Energiemengen würden dann aktiviert, wenn Strom aus dem vorgelagerten Netz bezogen wird, das Netz also Strom aufnehmen kann.