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Kreis Schweinfurt
Alte Hausmülldeponien im Raum Schweinfurt: Wie gefährlich sind die Müllkippen der Vergangenheit?
Bis in die 1970er-Jahre wurde Müll einfach weggeworfen – in kommunale Deponien gekippt, meist nicht mehr als ein Graben. Was dort landete, ist oft nicht ohne.
Bis in die 1970er-Jahre wurde Hausmüll in kommunalen Mülldeponien abgelagert, auch im Landkreis Schweinfurt. In Gräben, alte Steinbrüche oder auch Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg wurde alles gekippt, was an Müll anfiel – vom Babygläschen bis hin zu Asphalt. Unser Symbolfoto zeigt Aushub einer Deponie in Halsheim (Main-Spessart).
Foto: Michael Link | Bis in die 1970er-Jahre wurde Hausmüll in kommunalen Mülldeponien abgelagert, auch im Landkreis Schweinfurt. In Gräben, alte Steinbrüche oder auch Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg wurde alles gekippt, was an ...
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 07.03.2024 02:54 Uhr

Müllentsorgung war bis in die 1970er Jahre Aufgabe der Gemeinden. Wie die aussah, daran können sich noch einige erinnern. Der Müll wurde zu Deponien gekarrt - Kühlschränke, Konservendosen, Haushaltsabfälle – alles landete gemeinsam in der Müllkippe, die oft nicht mehr war als ein Graben, irgendwo am Ortsrand. Natürlich nicht abgedichtet wie heutige Deponien. 1972 war damit Schluss. Doch die alten Müllkippen, die unter der Erde schlummern, sind bis heute ein Thema: als Altlastverdachtsfälle, aufgeführt im Altlastenkataster Bayern.

Über 10.000 Altablagerungen sind dort verzeichnet: ehemalige kommunale Müllkippen oder Betriebsdeponien für Produktionsrückstände. 149 kommunale Mülldeponien gab es allein im Landkreis Schweinfurt. Nach und nach werden sie überprüft. Gehen von den Rückständen Gefahren aus, sickern etwa Schadstoffe ins Grundwasser oder wird das, was im Boden schlummert, bei einer Bebauung zum Problem? In 70 Fällen konnten diese Fragen bisher mit Nein beantwortet werden, so das Landratsamt Schweinfurt auf Nachfrage der Redaktion.

In aktuell sechs Fällen nicht. Dort wurden Schadstoffe gefunden, die weitere Untersuchungen nötig machen. In Gerolzhofen bremsten Müllreste den Bau der Zufahrtsstraße zum Baugebiet "Am Nützelbach II" aus. Die Stadt lässt auch für ihre ehemalige Hausmüllkippe, etwa 300 Meter östlich vom Lindelachshof, aktuell eine Detailuntersuchung durchführen.

Alte Hausmülldeponien im Raum Schweinfurt: Wie gefährlich sind die Müllkippen der Vergangenheit?

In der Gemeinde Kolitzheim gibt es weitere Flächen, die auffällig waren, rund 800 Meter südwestlich vom Ort und etwa einen Kilometer nordwestlich von Gernach. Neu dazugekommen ist auch eine ehemalige Deponie an Ortsrand von Maibach. Und schließlich muss auch die Marktgemeinde Werneck handeln.

Gutachter findet erhöhte Konzentration von Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen

Fünf von sechs ehemaligen Müllkippen in der Marktgemeinde wurden laut Landratsamt untersucht. Während die Untersuchung in Eßleben noch aussteht, wurde für die drei Hausmüllkippen in Egenhausen und Schnackenwerth Entwarnung gegeben. In Mühlhausen und Zeuzleben allerdings gab es Auffälligkeiten. In beiden Fällen fand der beauftragte Sachverständige neben Hausmüll und Erdaushub auch Bauschutt und Schwarzdeckenmaterial aus dem Straßenbaubereich. Und erhöhte PAK-Konzentrationen: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - viele von ihnen stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.

Was ist mit der alten Deponie in meiner Gemeinde? Die kompletten Daten finden Sie hier als PDF.

Auf den alten Deponien in Mühlhausen und Zeuzleben lagen die PAK-Konzentration in den Proben über dem Prüfwert von 0,2  Mikrogramm pro Liter, so das Landratsamt. Also über dem Wert, ab dem laut dem Bundesbodenschutzgesetz eine Detailuntersuchung nötig ist. Woher sie kommen? Bis Anfang der 1980er-Jahre wurden im Asphalt pech- beziehungsweise teerhaltige Bestandteile verwendet, heißt es in der Stellungnahme des Landratsamtes. Außerdem habe man erhöhte Schadstoffwerte von Schwermetallen wie Blei, Chrom und Kupfer gefunden.

Detailuntersuchung soll klären: Sind die alten Deponien gefährlich für das Grundwasser?

Die Schadstoffbelastungen in beiden Deponien sind ähnlich, das Fazit auch: Eine Verunreinigung des Grundwassers ist möglich. Um das auszuschließen, ist eine Detailuntersuchung nötig. Das teilten die Behörden der Marktgemeinde Werneck mit, im Juli 2021. Seitdem liegt das Gutachten des Sachverständigen der Umwelttechnik Mainfranken GmbH & Co. KG dort auf dem Tisch. Passiert ist fast nichts.

Man habe regelmäßig nachgefragt, heißt es aus dem Landratsamt. Aber: in Auftrag geben müsse die Detailuntersuchung die betroffene Gemeinde, in dem Fall also der Markt Werneck. Das will man jetzt tun, beschloss der Gemeinderat Anfang Februar 2024. Wobei der Markt zuerst einen Förderantrag an die Gesellschaft zur Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) stellen will. Sie unterstützt Gemeinden bei der Erkundung und Sanierung kommunaler Hausmülldeponien – auch finanziell. Bis zu 100 Prozent der förderfähigen Kosten können übernommen werden.

Erst Förderantrag, dann der Auftrag für eine Detailuntersuchung: Bis Mühlhausen und Zeuzleben Klarheit bekommen, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Das ist auch Wernecks Bürgermeister Sebastian Hauck bewusst. Warum das Thema so lange liegen geblieben ist? Hauck will da nichts schönreden. "Zweieinhalb Jahre sind viel, das stimmt, aber wir gehen das jetzt an", sagt er, der Markt werde seine Hausaufgaben erledigen. Der Förderantrag jetzt sei ein erster, wichtiger Schritt.

Im Altlastenkataster sind die beiden Deponien als "mittelfristig" zu untersuchen eingeordnet. Kriterien dafür sind, welche Emissionen von dem abgelagerten Müll ausgehen könnten und ob die Fläche versiegelt oder bewachsen ist beziehungsweise wie sie aktuell genutzt wird, so das Landratsamt. Insofern sei auch eine umgehende Durchführung der Untersuchung "nicht vonnöten" gewesen.

Von der Müllkippe zur Müllentsorgung und zum Altlast-Verdachtsfall

1972 hat der Bund ein Abfallbeseitigungsgesetz erlassen, der Freistaat zog ein Jahr später nach. Seitdem sind die Landratsämter und kreisfreien Städte für die Müllentsorgung zuständig.
Zurück blieben bundesweit rund 50.000 teils offizielle, teils wilde Müllkippen. Auch im Landkreis Schweinfurt.
Fast jeder Ortsteil hatte seine eigene Müllkippe. Abgelagert wurden die Abfälle bevorzugt in ehemaligen Gruben, Brüchen, Hohlwegen und Bombentrichtern aus dem Zweiten Weltkrieg. Entsorgt wurde alles, was anfiel – von Hausmüll über Bauschutt bis hin zu Erdaushub.
149 solcher ehemaligen Hausmüllkippen befinden sich im Landkreis Schweinfurt. Seit mehreren Jahren werden sie untersucht. Verantwortlich dafür sind das Landratsamt Schweinfurt und das zuständige Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen.
Bei Standorten stillgelegter Anlagen und Flächen mit Altablagerungen, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass von ihnen eine Gefährdung oder zumindest eine Beeinträchtigung für die Umwelt ausgeht, spricht man von Altlastverdachtsflächen. Ehemalige Hausmüllkippen fallen unter diese Kategorien und werden im Altlastenkataster geführt. 
Für die Erfassung ins Kataster und die historische Erkundung ist im ersten Schritt das Landratsamt zuständig, die orientierende Untersuchung (mit Proben) ist Sache des Wasserwirtschaftsamtes. Zeigen die Ergebnisse Prüfwerte, die eine weitere Erkundung nötig machen, müssen die Gemeinden eine Detailuntersuchung beauftragen.
Quelle: Landratsamt Schweinfurt
 
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Kommentare
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  • Roland Albert
    Warum? Weil jeder seinen Dreck in die Landschaft schmeißen konnte, auch damals schon nicht durfte!
    In Wirmsthal im Haufen rechts liegt Militärmunition, ja ganze beladene Lkws haben die Amis da rein verfrachtet. Habe ich als Knirps selbst gesehen. Da hatten die Radlader keine Gummi-, sondern Stahlräder. Mit Spikezähnen um nicht abzurutschen. Bei Oerlenbach gab es zwei Löcher, da hat sich die Bevölkerung mit allem ausgelassen, was Müll war oder weg musste. Da sind ganze Autos angezündet worden. Wer glaubt denn dass das woanders nicht genauso gehandhabt wurde?
    Die Behörden wissen das und reagieren nicht.
    Das kostet Unsummen und keiner will es bezahlen. Mit diesem Artikel wird der Bürger für dumm verkauft und die MP spielt mit.
    Journalistische, kritische Berichterstattung sieht anders aus!
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  • Dietmar Eberth
    Früher war alles besser...
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