Das Schweinfurter Gewerkschaftskartell, aus dem der heutige Kreisverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervorgegangen ist, wurde 1896 gegründet. Vor gut 125 Jahren.
Zum Jubiläum, das Anfang Juni gefeiert wird, erscheint das reich bebilderte Buch "Was uns bewegt", das die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in Schweinfurt auf gut 220 Seiten dokumentiert und vor allem auch Zeitzeugen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu Wort kommen lässt.
Die Wurzeln der Schweinfurter Gewerkschaften sind älter als die offiziellen 125 Jahren. Schon während der bürgerlichen Revolutionsbewegung 1848 wurde ein "März- und Arbeiterverein" gegründet, mit dem Ziel "den materiellen, geistigen und sittlichen Zustand der Arbeiterklasse zu verbessern". Schon zwei Jahre später wurde der Verein verboten, der jedoch unter dem Schutzmantel beispielweise von Gesangsvereinen weiterlebte.
Die Schuhmacher machten 1883 den Anfang
1883 wurde der "Unterstützungsverein Deutscher Schuhmacher" gegründet, sechs Jahre später schlossen sich Metallarbeiter zusammen. Es folgten die Buchdrucker, die Brauer und Schneider. Gemeinsam gründeten sie im Frühjahr 1896 das Gewerkschaftskartell mit 250 Mitgliedern. Vorsitzender wurde Johann Feßler bis 1905, ihm folgte Fritz Soldmann. Der Organisationsgrad der Beschäftigten war in Schweinfurt überdurchschnittlich hoch.
Den Gewerkschaftern ging es nie allein um die Verbesserung der Arbeitssituation. Um die Menschen mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen, wurde bereits 1895 die Genossenschaft "Konsumverein" gegründet, die als erste in Bayern in der Feldgasse ein eigenes Gebäude erwarb, ein Zentrallager, eine Bäckerei, einen Brennstoffhandel und eine Bierabfüllung betrieb. Das Projekt war durch den Großeinkauf so erfolgreich, dass der Verein zuletzt 16 Filialen betrieb.
Zuzug der Landbevölkerung verschärfte die Wohnungsnot
Die zunehmende Industrialisierung in Schweinfurt führte zu einem Zuzug der Landebevölkerung und verschärfte die Wohnungsnot in hohem Maße. Die Einwohnerzahl stieg von 1900 mit 15.000 auf 28.000 im Jahr 1918. Mit der Gründung des Bauvereins sollte dem gegengesteuert werden.
1889 wurde die Ortskrankenkasse gegründet, Betriebskrankenkassen folgten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche Arbeitersportvereine gegründet, die teilweise noch heute fortleben. Beispiele sind die die Freien Turner oder die Radfahrer der "Solidarität". 1914 wurden die Naturfreunde gegründet.
Zahlreiche Vereine wurden gegründet
Wichtige Vereine waren und sind die Arbeiterwohlfahrt oder der "Bund für Geistesfreiheit". Das "Kartell für Bildung, Sport und Körperpflege" hatte zeitweise 4000 Mitglieder in 22 Vereinen und war damit der zweitstärkste Verband in Nordbayern.
Das Buch beleuchtet natürlich auch die Verfolgung der Gewerkschafter in der Zeit der NS-Herrschaft und die Rolle der Unternehmerfamilien Sachs und Schäfer in dieser Zeit.
Ein Kapitel beschäftigt sich mit dem Marsch nach Bonn
In den Kapiteln zur Nachkriegszeit geht es um verschiedene Arbeitskämpfe, den "Marsch nach Bonn" als die Arbeitslosigkeit in der Krise der Metallindustrie Anfang er 1990er-Jahre die 20 Prozent erreichte, um die Gründung des Arbeitsförderungszentrum AFZ, um die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Mit Pietro Messina wird einer der ersten Gastarbeiter in Schweinfurt vorgestellt. Als Erfolge wird unter anderem die "Zukunfstvereinbarung" mit Schaeffler erwähnt, die für die Sicherung von Arbeitsplätzen sorgt.
Das Buch lässt deutlich die Nähe der Gewerkschaften zur SPD erkennen. Es setzt sich jedoch auch kritisch mit den Hartz-IV-Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder auseinandersetzen, die nicht nur zu einer Entfremdung, sondern auch dem Aufkommen, der Partei "Die Linke" führte, die stark von Gewerkschaftern getragen wird.
"Was uns bewegt. Geschichte und Geschichten aus 125 Jahren Schweinfurter Gewerkschaften. Erarbeitet von Roland Budz, Frank Firsching, Helmut Haferkorn. Norbert Lenhard, Sinan Öztürk und Frank Riegler. Erhältlich im Buchhandel zu 28 Euro.