"Ich hab dich zum Fressen gern!" Ordensschwester Clara-Maria lacht, ihre Augen blitzen, die Kommunionkinder kichern. "Ihr kennt doch die Redewendung?" Vier Achtjährige nicken. Eigentlich wollten die künftigen Kommunion-Kinder nur erfahren, wie die Ordensschwestern in der Hostienbäckerei des Klosters Regina Pacis in Rödelmaier Hostien herstellen. Stattdessen bekommen sie kurzerhand einen Crashkurs in katholischen Glaubensfragen.
"Ich würd' dich am liebsten essen, weil ich dich so lieb habe, damit wir immer zusammen sind." Darum gehe es bei der Kommunion, erzählt die Ordensschwester: "Nicht ein Stück Brot, der leibhaftige Jesus kommt, um uns zu erlösen." Die Kinder lauschen. Mit solcher Inbrunst hat lange kein Erwachsener zu ihnen gesprochen.
"Liebe auf den ersten Blick": Im Karmel hat sich Schwester Clara-Maria sofort wohlgefühlt
Das muss es sein, Schwester Clara-Marias Temperament, das sie vor über 30 Jahren fast davon abhielt, ins Kloster zu gehen. "Ich habe Sorge, zu lebhaft für den Karmel zu sein", schrieb sie als lebensfrohe Abiturientin in einem Brief ans Karmeliterkloster Rödelmaier. "Die Heilige Theresa wollte Schwestern mit entschlossener Entschlossenheit. Mit Energie. Nicht saft- und kraftlos", lautete die Antwort der Oberin.
Logisch, dass ein Zusammentreffen nicht lange auf sich warten ließ. Schwester Clara-Maria spricht rückblickend von "Liebe auf den ersten Blick". Im Karmel habe sie sich sofort wohlgefühlt. "Wie ein Fisch im Wasser." Über 33 Jahre ist das her.
Hinter Klostermauern: Keine Abkehr von der Welt, sondern Hinwendung zu Gott
Ein Holztresen trennt die inzwischen 55-jährige Nonne und die Kommunionkinder im Gespräch. Dass sie regelmäßig Kommunionkinder treffe, sei für sie ein "Riesen-Geschenk". Denn sie liebe Kinder, auch wenn die Ehe letztlich nicht ihre Berufung war: "Ich fühle mich trotzdem als Mutter, als Mutter der Menschen, für die ich bete und die ich im Herzen trage."
Immer wieder beugt sich Schwester Clara-Maria über den niedrigen Tresen zur Gruppe hinüber, zeigt, erklärt, gestikuliert. Früher gab es an dieser Stelle Eisengitter. "Als meine Patentante mich hier das erste Mal besucht hat, war das ein Schlüsselerlebnis für mich", erzählt die Ordensschwester. Sie kam etwas zu spät, sah nur noch den Rücken der hinauslaufenden, weinenden Verwandten: "Die Susanne ist hinter Gittern!"
Stille ist nicht nur angenehm: "Ohne Ablenkung brennen Konflikte umso heißer"
"Da hab ich gedacht: Du liebe Zeit! Das will ich nicht vermitteln. Die Leute sehen eingesperrt, gefangen, unfrei!" Dabei sei der Gedanke ein ganz anderer: Den Schwestern gehe es um die Errichtung einer künstlichen Wüste, eines Rückzugsortes. Sinn des zurückgezogenen Gebetes sei es, sich immer mehr mit Gott zu verbinden.
"Es ist nicht so, dass wir sagen: Böse Welt, bleib draußen! Wir haben hier unsere Ruhe." Das Leben im Kloster sei alles andere als Weltflucht. Zumal die Stille nicht nur angenehm sei. "Dann kommen die ganzen Untiefen raus. Wenn man einen Konflikt hat, brennt der um so heißer ohne Ablenkung und Fluchtmöglichkeit."
1,4 Millionen Hostien backen die Schwestern jährlich in Rödelmaier
Sieben Stunden am Tag verwenden die Schwestern im Karmel auf Beten und geistliches Tun. "Da bleibt nicht viel Zeit für Arbeit", sagt Schwester Clara-Maria. "Deshalb müssen wir uns umso mehr rumdrehen, dass wir zurechtkommen." Zumal sie als "Jüngste" von acht Schwestern durchaus Zukunftssorgen hat. "Aktuell ist es hier zu viel Arbeit für zu wenig Schultern."
Seinen Lebensunterhalt verdient der Orden in Rödelmaier mit dem Verzieren von Kerzen und mit der Hostienbäckerei. 1,4 Millionen millimeterdünne Oblaten verlassen jedes Jahr das Dorf Rödelmaier. Ohne Spenden gehe es dennoch nicht. Was aber bewusst so gewollt sei. Schwester Clara-Maria spricht von einer "Spanne fürs Gottvertrauen". Das Gelübde der Armut bedeute ganz im Vertrauen auf Gott zu leben.
Als älteste Tochter gehörloser Eltern musste Susanne Geier früh Verantwortung übernehmen
Aufgewachsen ist sie unter dem weltlichen Namen Susanne Geyer, als älteste von vier Geschwistern bei gehörlosen Eltern in Üchtelhausen im Landkreis Schweinfurt. Früh musste sie für sich und die jüngeren Geschwister Verantwortung übernehmen, bei Schul-Elternabenden und in der Kirche für die Eltern gebärden. Trotzdem erinnert sie sich klar und deutlich an ihre damaligen Zukunftspläne: Heiraten und sieben Kinder kriegen!
Eine Pilgerfahrt nach Lourdes und Lisieux, die sie in der neunten Klasse mit ihren Eltern unternahm, stellte vieles auf den Kopf. Erstmals kam sie mit dem Leben von Thérèse von Lisieux in Berührung. "Mich hat beeindruckt, wie ein Mensch so aus Liebe leben kann. Jede Situation war für sie ein Anruf von Gott, den ich in Glaube und Liebe beantworten kann."
Zwischen weltlicher und göttlicher Liebe: Susanne Geiers Suche nach ihrer Berufung
Susanne Geyer machte sich auf die Suche, ging zu Glaubenswochenenden, auf Exerzitien, zum Katholikentag. Dazwischen mit Gleichaltrigen zum Schwimmen, ins Kino, in die Disco. An einem Glaubens-Wochenende hörte sie die Geschichte vom Bambus, der sterben musste, um zur Bewässerungsrinne für andere zu werden. "Die Geschichte hat mich ergriffen, ich habe damals so geweint." "Du hast eine Berufung", eröffnete ihr daraufhin eine Schwester.
Bei einem weiteren Wochenende, in Münsterschwarzach, hat sie sich verliebt. "Gott sei Dank", dachten ihre jüngeren Geschwister. Es gab gegenseitige Besuche, Briefe. "Carsten wusste, dass ich ringe. Er hat nie versucht, mich 'rumzukriegen." Das rechne sie ihm hoch an.
Eine Nonne über Ehe und Sexualität: "Man konsumiert Menschen nicht."
Am Ende entschied sie sich gegen den jungen Mann: "In seinen Armen ist mir klar geworden: Ein Mensch kann meine tiefste Sehnsucht nicht erfüllen." Was sie außerdem seither weiß: "Diese andere Form des Lebens wäre möglich gewesen." Eine wichtige Erkenntnis findet Schwester Clara-Maria. Denn wer nicht Ehe könne, sei auch nicht fürs Kloster geeignet. "Du musst gemeinschaftsfähig sein."
Blicke sie heute auf das Liebesleben vieler Menschen, tue ihr das weh. "Es gibt so viele Verletzte." Intimität zwischen Mann und Frau gehe tief. "Man konsumiert Menschen nicht", findet die Nonne. Die Kirche sei kein Spaßverderber, die Kirche gönne durchaus. All die Moralvorschriften seien da, um zu schützen. Schwester Clara-Maria schmunzelt: "Eine Ordensfrau über Liebe und Sexualität."
Warum sie ihren Kloster-Eintritt letztlich doch noch drei Jahre nach hinten verschob
Und Carsten? "Er hat mich hier im Kloster noch mal besucht", erzählt sie offen. "Da wurde mir klar: Wenn ich das weiter pflege, wird's brenzlig." Sie hat ihm trotzdem noch einmal geschrieben. Eine Antwort kam nicht mehr. "Seine Mutter war Postbotin, vielleicht ist die eingeschritten", mutmaßt Schwester Clara-Maria, "weil es war schwer für ihn".
Das Abitur war bestanden, der 14. Juni 1986 als Eintrittsdatum ins Kloster Rödelmaier festgelegt. Da nahm sie eine Frau aus dem Pfarrgemeinderat ihres Heimatorts beiseite: "Du bist die Stütze deiner Eltern und jüngeren Geschwister, du kannst jetzt noch nicht gehen."
Die Ausbildung zur Krankenschwester konnte Schwester Clara-Maira in Rödelmaier gut brauchen
"Ich habe gespürt: Sie hat recht, ich habe Verantwortung." Die 19-Jährige schrieb ihre Bedenken nach Rödelmaier. Es gebe viele ältere Schwestern im Kloster, es schade nicht, wenn sie vor Eintritt Krankenpflege lerne, antwortete der Hausgeistliche. "Ich habe Rotz und Wasser geheult, als der Brief kam. Weitere drei Jahre warten." Susanne Geyer machte eine Ausbildung zur Krankenschwester im Schweinfurter St. Josefs-Krankenhaus.
Im Rückblick sagt sie: "Gott hat mich wunderbar geführt." So schmerzlich der Verzicht vorerst war, er ermöglichte ihrer Familie eine schonende Loslösung. Und als Klosterschwester in Rödelmaier konnte sie ihren Beruf gut brauchen. 1990 trat sie endgültig ein, drei Monate später hatte sie ihren ersten "Pflegling". 17 Jahre nonstop in Folge habe sie immer eine andere Schwester im Karmeliterkloster gepflegt.
Über Konflikte in der Ordensgemeinschaft und den Anspruch, sie zu lösen
Das Leben im Kloster blieb nicht immer "schön und rosig" wie zu Anfang. Sie kämpfte mit Krankheit und Konflikten. "Eineinhalb Jahre bin ich weggegangen" in ein anderes Karmel. "Ich brauchte Abstand." Doch es zog sie wieder zurück.
Das Leben in der Ordensgemeinschaft unterscheide sich nicht allzu sehr von dem in einer Familie. Hier und da gebe es Reibereien. "Aber unser Anspruch ist, dass wir das mit Hilfe Gottes lösen." Denn das Klosterleben sei kein Selbstzweck: "Gerade das ist die Chance, dass wir das durchleiden für die Menschen zum Heil." Werde ein Konflikt im Kleinen gelöst, glaubt Schwester Clara-Maria, strahle das aus. Ihre Grundüberzeugung: "Wenn wir hier Liebe leben, beseelt das alles, was in der Welt geschieht."
Schwester Clara-Maria über die Macht des Gebets in Zeiten des Krieges
Jedes Gebet, jede Bitte bewirke das Eingreifen Gottes. Warum aber brauche es eine solche Vermittlerinstanz? "Damit wir auch als Menschen an Gottes Wirken teilnehmen können. Damit wir uns im Himmel einmal mehr lieben, weil wir wissen, was wir einander verdanken."
Wie sie an die Macht des Gebetes glauben könne, angesichts all der Konflikte und Kriege in der Welt? "Ich find's furchtbar, ich wünsche mir keinen Krieg." Als Putin in der Ukraine einmarschierte, habe sie gezögert, im Garten anzusäen. Aus Überzeugung, dass der Konflikt gleich überschwappe. Inzwischen hegt und pflegt sie ihre Pflanzen wieder. "Wir richten uns im Zeitlichen ein, aber es geht ums Ewige. Ich bin hundertprozentig sicher: Da gibt es ein Happy End zum Schluss."
Die Oster-Botschaft für Schwester Clara-Maria: Das Leben und das Gute siege
Sie durchschreitet den Kloster-Kreuzgang, blickt in den verregneten Klostergarten. "Jede Situation ist Gottes so voll", sagt sie. Gerade Extremsituationen könnten wecken und Gnadenmomente sein. "In der Not, da wird es existenziell, da hat Gott einen Zugriff." Das Wissen von Gott gebe es nicht zum Sonderpreis. Sie stockt: "Ich weiß, wie furchtbar weh es tut, jemanden zu verlieren. Ich will das nicht klein- und schönreden."
Gedanklich ist sie bereits beim Osterfest: "Das Leid hat nicht das letzte Wort, auch wenn es noch so verfahren ist." Am Ende siege das Leben und das Gute. Die Oster-Botschaft in ihren Augen: Gott gehe alle Wege mit. "Er ist nicht Business-Class durch die Welt gereist. Er hat Hunger, Armut, massivstes Leiden auf sich genommen."
Zu den Kindern gewandt, sagt sie: "Gott mutet einem manchmal einiges zu. Wer glaubt, ist nicht immer happy." Aber man habe in allem einen, der Halt gebe, stärke, stütze. "Über 30 Jahre bin ich da, ich bereue es nicht."
In der Ursprungsversion dieses Artikels war Schwester Clara-Marias Nachname falsch geschrieben. Wir haben den Fehler korrigiert.