Ostern feiern Christen Jesus' Auferstehung und Überwindung des Todes. Die Mitarbeiter des Rhön-Grabfelder Hospizvereins sind regelmäßig mit dem Tod konfrontiert. Ob ihnen ihr Glaube bei den Sterbebegleitungen hilft, darüber sprechen Vereinsvorsitzende Hannelore Schneider und die neue hauptamtliche Koordinatorin Heike Sahin. Sie erzählen außerdem, was sich Sterbende wünschen und was sie als Hospizbegleiter über das Leben vor dem Tod gelernt haben.
Heike Sahin: Der Tod gehört zum Leben.
Hannelore Schneider: Es gibt Zeiten, in denen Leben und Tod eine Einheit bilden und Zeiten, in denen man den Tod nicht wahrhaben will. Die meisten Menschen haben keine Angst vor dem Tod, sondern Angst vor dem Sterben, vor dem Übergang, vor der Grenze. Der Tod ist das, was danach kommt. Hospizbegleiter haben in der Regel keine Angst mehr vor dem Sterben. Das ist eine Grundeinstellung, die sich aus den Erfahrungen speist, die wir gemacht haben.
Sahin: Ich komme aus der Pflege. Damals, als ich mein Staatsexamen gemacht habe, hat man Sterbende einfach ins Bad geschoben. Weil ich mir einen anderen Umgang wünschte, habe ich mich im Bereich Palliativ Care weitergebildet. Seit November letzten Jahres arbeite ich als hauptamtliche Koordinatorin beim Rhön-Grabfelder Hospizverein. Und freue mich, dass ich meine Erfahrungen jetzt umsetzen kann.
Schneider: Auch mein Vater ist im Bad gestorben. Seine Leiche zu sehen, das war für mich als Jugendliche der Schock meines Lebens. Mit meinem Mann konnte ich dann ein ganz anderes Sterben erleben. Über ihn bin ich auch zum Hospizverein gekommen. Ich habe ihn damals zum Sterben nach Hause geholt. Dafür brauchte ich Hilfe, unter anderem von zwei Hospizbegleitern. Das „Wie“ seines Sterbens hat mich gelassen gemacht. Dafür bin ich dankbar.
Sahin: Ja. Man redet nicht darüber. Man hat Angst und schiebt das Thema ganz weit weg.
Schneider: Das Verdrängen hat etwas mit der modernen Medizin zu tun: Alles ist machbar. Für alles gibt es irgendein Reparatur-Set. Oft ist genau das der Grund dafür, dass wir als Hospizverein so spät eingebunden werden. „Jetzt noch nicht“, hört man dann als Argument.
Sahin: Dabei ist es besser, wenn man uns vorher anfordert. Nicht erst, wenn es auf das Ende zugeht. Denn dann können wir zu dem Sterbenden eine Beziehung aufbauen. Dazu muss man wissen: Wir begleiten nicht nur beim Sterben, wir begleiten auch ins Leben.
Schneider: Es geht um Unterstützung in einer schweren Zeit, wo die hinführt, wird (nickt gen Himmel) „da oben“ entschieden.
Schneider: Da hat jeder seine Lebensgeschichte. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, ein Wissen oder eine Sicherheit, die ich persönlich habe, zu vermitteln.
Schneider: Nicht immer. Du hast vielleicht dein Leben lang an die Auferstehung geglaubt und kommst dann an den Punkt, wo du haderst.
Sahin: Ja, es gibt viele, die noch einmal anfangen das „Vater Unser“ zu beten.
Schneider: Oft empfinden es ältere Menschen als wohltuend und tröstlich, wenn man Dinge aus ihrer Kindheit wiederholt, etwa ritualisierte Gebete aus ihrer Kindheit. Man sagt ja die Ohren seien der letzte Sinn, der sich verabschiedet.
Sahin: Reue wurde mir gegenüber nie geäußert. Allerdings werden wir oft auch erst in den letzten zwei, drei Tagen hinzugezogen, da können wir oft nicht mehr viel kommunizieren.
Schneider: Ich habe eine Dame einmal zweieinhalb Jahre begleitet, da war Reue kein Thema. Ich glaube, die Tendenz ist eher, dass man sein Leben mit zunehmendem Alter beschönigt. Viele blicken am Ende noch einmal auf die Kindheit und die schönen Lebens-Momente zurück.
Schneider: Der Tod ist so individuell wie jede Geburt individuell ist. Oft wird die Hoffnung geäußert, dass Dinge weiter ihren gewohnten Gang gehen, dass auf Dinge geachtet wird, die den Sterbenden wichtig waren. Das können scheinbare Banalitäten sein: Wie der Wunsch, dass das geliebte Geschirr in die richtigen Hände gerät.
Sahin: Viele, die sterben, sind schwer krank. Sie hoffen vor allem auf Erlösung.
Schneider: Nein, der christliche Glaube ist eine mögliche Herangehensweise von vielen.
Schneider: Im Grundkurs ziehen wir als Bild tatsächlich die Geschichte der Emmausjünger heran: Zwei Jünger sind nach dem Kreuzigungstod von Jesus zu Fuß unterwegs ins Dorf Emmaus. Auf ihrem Weg treffen sie den Auferstandenen, erkennen ihn jedoch zunächst nicht. Sowohl in besagter Bibelstelle als auch in der Arbeit der Hospizbegleiter spielen Begriffe wie „begleiten, wahrnehmen, gehen, zuhören, verstehen, weitergehen, bleiben, loslassen und aufstehen“ eine zentrale Rolle.
Schneider: Im Zentrum steht die Frage: Wie gehe ich mit meinem Gegenüber um? Ich gehe ein Stück mit ihm, ich höre zu. Dadurch ändert sich dann vielleicht auch meine Einstellung und ich lerne loslassen. Denn am Ende muss auch ich als Hospizbegleiter meinen Weg weitergehen. So sind beide begleitet, der Sterbende und der Hospizbegleiter.
Schneider: Nein, wir sind als weltanschaulich neutraler Verein absolut offen. Jeder kann die Ausbildung zum Hospizhelfer machen, Menschen unterschiedlichster Glaubensrichtungen, aber auch Atheisten. Aber unser Grundverstehen von hospizlicher Begleitung fußt auf dem christlichen Glauben.
Sahin: Zunächst wird telefonisch unserer Unterstützung angefordert, beispielsweise von den Altenheimen, von der Palliativstation oder von Privatpersonen. Wir erfragen den Bedarf und suchen eine passende Begleitung.
Sahin: Oft können Sterbende den Begleitern als „Außenstehenden“ Sorgen und Nöte anvertrauen, die sie Verwandten vielleicht nicht aufbürden möchten. In dem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass wir unter Schweigepflicht stehen. Hospizbegleiter entlasten aber natürlich auch Angehörige.
Schneider: Manche Menschen können auch einfach nicht sterben, so lange Angehörige im Zimmer sind. Weil sie dann nicht loslassen können.
Schneider: Ich habe gelernt, dass das Leben aus jedem Moment besteht. Das Leben ist nicht das Morgen, sondern da, wo ich gerade bin. Die Bewusstheit, die verstärkt sich.
Sahin: Hospizbegleiten heißt nicht, nur ernst zu sein. Wir lachen auch viel. Mit Humor ist vieles leichter annehmbar.
Der Hospizverein und seine Akteure
Vorsitzende Hannelore Schneider Die 67-jährige Religionspädagogin im Ruhestand aus Hohenroth hat den Vereinsvorsitz seit fünf Jahren inne.
Koordinatorin Heike Sahin
Seit November 2016 arbeitet die 53-Jährige aus Unsleben als hauptamtliche Koordinatorin. Finanziert wird ihre Stelle über die Krankenkassen. Sahin ist examinierte Altenpflegerin.
Im Hospizverein Rhön-Grabfeld engagieren sich 64 ausgebildete Hospizbegleiter landkreisweit. Sie verrichten ihren Dienst ehrenamtlich und kostenfrei. Dennoch ist der Verein auf Spenden angewiesen, etwa um Fortbildungen und Fahrtkosten zu bezahlen. 2017 wurden bislang circa 30 Personen begleitet.
Infos unter www.hospizverein-rhoen-grabfeld.de oder unter Tel. (0 97 71) 63 55 984.