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Hostien ohne Rand landen in der Suppe
Rödelmaier (pow) Ein monotones Brummen schwirrt durch den Raum. Alle 15 Sekunden wird es durch ein dumpfes Klappern und ein Platschen unterbrochen: Eine handtellergroße Portion weiße Masse klatscht auf die polierte Stahlfläche, ehe von oben eine zweite Platte herab fährt.
Redaktion
 |  aktualisiert: 17.10.2017 20:13 Uhr
Immer dienstags und donnerstags wird gebacken. Dann ist als erstes Schwester Johanna gefragt. Pro Backtag verrührt sie insgesamt etwa zwei Zentner grobes und feines Weizenmehl mit rund 130 Litern Wasser. Weil die mit Starkstrom angetriebene Rührmaschine nicht alles auf einmal fasst, teilt sie die Menge in acht Portionen ein.

Mit einer großen Schütte schaufelt Schwester Johanna das Mehl auf die Waage, holt mit dem Eimer die benötigte Menge Wasser und gibt sie in den Rührtopf aus Edelstahl. Während das Rührwerk vor sich hin kreischt, gibt sie das abgewogene Mehl dazu. Abweichungen in der Rezeptur sind nicht erlaubt: Zu flüssig, und der Teig verläuft auf dem Backeisen, zu fest, und die Pumpe kann ihn nicht verarbeiten.

Der Backautomat stammt aus dem Jahr 1975. Er ersetzte die handbetriebenen Backeisen, welche die Karmelitinnen 1968 mitsamt dem restlichen Inventar und dem Kundenstamm von den Fuldaer Vinzentinerinnen übernommen hatten. Die Maschine pumpt den halb flüssigen Mehlteig aus der gelben Kunststoffwanne in die Backformen. Dort entstehen DIN A4-Blatt große Oblatenscheiben, aus denen später die Hostien für die Eucharistiefeier hergestellt werden.

Rund sechs Millionen Stück verkaufen die zwölf Schwestern jährlich. Neben dem Verkauf von Kerzen ist die Hostienbäckerei Haupt-Einkommensquelle der Nonnen. Rund 350 Pfarreien in den Bistümern Fulda und Würzburg sind die Abnehmer der kleinen ungesäuerten Brote. Wie kompliziert die Herstellung ist, wissen wohl die wenigsten.

Etwa zweieinhalb Minuten vergehen zwischen dem Einspritzen des Teigs und der Entnahme der gebackenen Scheiben. Bei den etwas dickeren und dunkleren Brothostien dauert es etwas länger, weil sie länger und bei höherer Temperatur gebacken werden. Schwester Ancilla, Priorin des Klosters, wacht darüber, dass nichts haften bleibt. Überstehende Teigreste an den Rändern der Backeisen kratzt sie mit einer Spachtel weg.

Die heißen Oblatenplatten stapelt sie nach Mustern: Die einen sind beidseitig glatt, andere tragen dicht gedrängt den wie P und X aussehenden griechischen Schriftzug mit den Anfangsbuchstaben für Christus. Wieder andere haben groß IHS als Muster. Aus ihnen werden die großen Priester-Hostien gemacht. Die werden in deutlich geringerer Stückzahl gebraucht.

Zuvor lagern die frisch gebackenen Rohlinge im Regal, um auszukühlen. Vor dem Ausstanzen müssen sie einen halben Tag im Feucht-Raum gelagert werden. "Sonst sind sie zu spröde und brechen beim Ausstanzen", erläutert Schwester Ancilla. Platte für Platte legt sie in dem gelb gekachelten Raum auf die Roste. Ein Verdunstungsautomat sorgt für konstant 70 Prozent Luftfeuchte.

Mit einem Rasseln fallen 50 Hostien in einen Auffangbehälter. Schwester Katharina macht sich an den zu 50er Stapeln gebündelten Oblatenplatten zu schaffen. Mit dem Fuß tritt sie auf ein Pedal. Flugs senkt sich ein Spezialbohrer auf die Arbeitsfläche und schneidet kleine kreisrunde Scheibchen aus dem Oblatenklotz. Insgesamt 20 mal wiederholt sie bei den kleinen, rund drei Zentimeter großen Standardhostien den Vorgang. Pro Stapel entstehen so 1000 Hostien.

Weil nur einwandfreie Ware ausgeliefert wird, sortieren die Schwestern alle schadhaften Hostien von Hand aus. "Wir machen das während der Rekreation, in unserer Freizeit, weil man sich prima dabei unterhalten kann", sagt die Priorin. Im Normalfall ist Schweigen angesagt. Doch zweimal täglich sitzen die Schwestern eine Stunde zusammen und tauschen sich rege aus. Auch die älteste Bürgerin Rödelmaiers hilft da gerne mit. Schwester Immaculata sitzt zwar im Rollstuhl, doch sortiert die 92-jährige gebürtige Rödelmairerin die Hostien genauso flink wie ihre Mitschwestern. Was keinen regelmäßigen Rand hat oder Risse, landet in der Suppe.

Alle anderen Hostien werden zu 500 beziehungsweise 1000 Stück in weiße Papiertüten verpackt. Die großen Priesterhostien werden als Rollen verpackt. Die Kartons für den Versand stellt Schwester Benedicta zusammen: Weiße Hostien, Brothostien, Priesterhostien in unterschiedlicher Größe. Die Wünsche und Mengen variieren von Bestellung zu Bestellung.

Nur eines bleibt immer gleich: Gute Polsterung der Pakete ist wichtig, damit die zerbrechliche Ware heil ankommt. Die meisten Kunden werden per Post beliefert. Aber es kommen auch Priester vorbei und holen die Ware selbst ab.

Im Büro klebt Schwester Clara-Maria ein großes Paket zu, nachdem sie im Computer die Rechnung und das Begleitschreiben erstellt hat. Kurz vor dem Mittagessen wird der Transporter der Post vorfahren und ein halbes Dutzend Pakete einladen. Und mit jedem einzelnen geht die frohe Botschaft auf originelle Weise von den Rödelmairer Klostermauern hinaus in die Welt.

 
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