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Mellrichstadt
Verregnete Getreideernte: Warum hochwertiges Brot aus regionalem Mehl dennoch nicht knapp wird
Für einige Landwirte war 2023 ein Ausnahmejahr. Weshalb Regen und Ernteausfälle für Rhön-Grabfelds Müller und Bäcker gar nicht das eigentliche Problem sind.
Verregnete Getreideernte: Geht Rhön-Grabfelds Müllern regionales Qualitätsgetreide und den Bäckern hochwertiges Mehl aus? So antwortet Bäcker Ulrich Amthor aus Waltershausen.
Foto: Daniel Peter | Verregnete Getreideernte: Geht Rhön-Grabfelds Müllern regionales Qualitätsgetreide und den Bäckern hochwertiges Mehl aus? So antwortet Bäcker Ulrich Amthor aus Waltershausen.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:42 Uhr

Statt der ursprünglich angekündigten drei Tage regnete es diesen Sommer nahezu vier Wochen lang. Entsprechend nervenaufreibend war die Getreideernte für viele Landwirte in Rhön-Grabfeld.

1. Landwirt Michael Derleth für den Bauernverband Rhön-Grabfeld

Als stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands Rhön-Grabfeld hat Landwirt Michael Derleth landkreisweit die Felder im Blick.
Foto: Sarah Zubel | Als stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands Rhön-Grabfeld hat Landwirt Michael Derleth landkreisweit die Felder im Blick.

Das Ernte-Ergebnis fiel im Einzelfall offenbar recht unterschiedlich aus, wie Michael Derleth, stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands im Landkreis Rhön-Grabfeld, erklärt. Während manche Landwirts-Kollöegen von einem "durchaus nicht schlechten Ergebnis" sprächen und davon, dass das Getreide "besser geworden sei als erwartet", würden andere von 70 Prozent Totalausfall reden.

Im Schnitt, so Derleths Einschätzung, liege die Erntemenge etwas unter dem Durchschnitt der Vorjahre. Tendenziell waren die Ernteergebnisse, so seine Einschätzung, im Raum Bad Neustadt und im Grabfeld besser als in der Rhön.

Was er darüber hinaus mit Sicherheit sagen könne: Nässe und Stürme drückten in Teilen beim Getreide auf die Erntequalität, wodurch gewisse Ernte-Anteile nicht backfähig seien. Die Folge: Verkauft werden können sie damit beispielsweise nicht als Brotweizen, sondern nur als Tierfutter.

2. Müller Andreas Wirsing von der Mellrichstädter Eichersmühle

Auf diesem Archivbild schien die Sonne: Müller Andreas Wirsing (von links), Bäckermeister Ullrich Amthor und Landwirt Karl-Heinrich Weber im Getreidefeld.
Foto: Eckhard Heise | Auf diesem Archivbild schien die Sonne: Müller Andreas Wirsing (von links), Bäckermeister Ullrich Amthor und Landwirt Karl-Heinrich Weber im Getreidefeld.

Eine Beobachtung, die auch der Müller Andreas Wirsing von der Mellrichstädter Eichersmühle machte. In seinem Familienbetrieb in fünfter Generation wird ausschließlich regionales Getreide vermahlen. Aus einem Umkreis von 20 Kilometern liefern Landwirte an.

Der 74-jährige Wirsing spricht von einem "nicht vergleichbaren" Jahr 2023. Natürlich würden auch brauchbare Partien geliefert, allerdings auch kiloweise Futterweizen. Früher, vor 40 Jahren vielleicht, habe es mal einen ähnlich feuchten Sommer gegeben. Seither kämpft die Region eher mit Trockenheit.

"Die letzten Jahre waren zu gute Jahre", blickt Wirsing zurück. Mit "zu gut" meint er "zu trocken". Dem sehr trockenen Weizen mit geringer Enzymaktivität habe man deshalb in den Vorjahren im Promillebereich Weizenmalz beimengen müssen, um die Enzymtätigkeit anzuregen und damit die Teige zu verbessern. In diesem Jahr nun stelle er eine gegenteilige Entwicklung fest.

Um seine Mühle und sein Geschäft ist Wirsing aufgrund der verregneten Getreidepartien aber nicht bang: "Die Bauern liefern so oder so das Getreide an." Weise es mindere Qualität auf, gehe es bei ihm "nur andere Wege" und werde eben zu Futtermittel weiterverarbeitet.

Hochwertiges Mehl drohe so oder so nicht auszugehen. Einerseits, da die Eichersmühle auf Altbestände an Getreide zurückgreifen könne, die bis weit ins neue Jahr reichen können. Andererseits gebe es in der Region eben durchaus auch brauchbare Partien. 

3. Müller Christian Linder von der Linder-Mühle in Sulzfeld

Getreide auf dem Weg zum Mehl in der Linder-Mühle Sulzfeld
Foto: Sarah Zubel | Getreide auf dem Weg zum Mehl in der Linder-Mühle Sulzfeld

Entspannt sieht auch Christian Linder, Müllermeister und Geschäftsführer der Linder Mühle in Sulzfeld, die Lage auf dem heimischen Getreidemarkt. Auf die Frage, ob sich eine möglicherweise verregnete Getreideernte bei ihm bemerkbar mache, antwortete er: "Noch nicht." Vieles, was Landwirte bislang angeliefert hätten, sei noch vor dem Regen eingefahren worden. "Und das war von der Qualität her sehr gut."

Futtermittel stellt die Sulzfelder Mühle, ein Familienbetrieb in vierter Generation, nicht her. Bevor der Landwirt anliefert, bestimmt Christian Linder deshalb per Probe, ob die Qualität des angelieferten Getreides zur Mehlvermahlung passt. Sorge, dass ihm aufgrund von Ernteausfällen Arbeit wegbrechen könnte, plagt ihn nicht. "Es ist alles kaputt", habe mancher Landwirt anfangs gesagt. Inzwischen habe sich herauskristallisiert: Viel Getreide ist eben doch geworden.

Preislich schlägt sich das Regenwetter vor Ort erst einmal nicht nieder, erklärt Linder. "Die Preise orientieren sich am Weltmarkt." Viel entscheidender als örtliche Ernteausfälle durch Regen sei die Lage in der Ukraine und Russland. Trotz Putins Aufkündigung des Getreideabkommens exportiere die Ukraine aktuell. Entsprechend ruhig sei die Lage deshalb glücklicherweise an der Börse. Auch wenn die Linder Mühle überhaupt kein Getreide aus Russland oder der Ukraine vermahle, haben die Entwicklungen in der Ferne letztlich einen stärkeren Einfluss als ein Regensommer in Rhön-Grabfeld.

4. Bäcker Ullrich Amthor aus Waltershausen

Der Regen lässt ihn kalt: Bäckermeister Ulrich Amthor in seiner Backstube in Waltershausen. Energiepreise und Personalnot bereiten ihm wahre Sorgen.
Foto: Daniel Peter | Der Regen lässt ihn kalt: Bäckermeister Ulrich Amthor in seiner Backstube in Waltershausen. Energiepreise und Personalnot bereiten ihm wahre Sorgen.

Alles andere als dramatisch schätzt Bäcker Ulrich Amthor aus Waltershausen die Situation ein. Natürlich gebe es Ernteeinbußen durch den Regen, so die Informationen des Obermeisters der Bäckerinnung Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld. Im Durchschnitt liege die Erntemenge aber nur leicht unter dem Vorjahr, glaubt er.

"Auf Kosten und Qualität der Backwaren wird das keinen Einfluss haben." 70 Prozent der von seiner Bäckerei verwendeten Mehle stammen aus der Region, erklärt Amthor. Preissteigerungen oder Lieferengpässe beim Mehl erwartet er nicht. Vor Ende Oktober werde die aktuelle Ernte aber bei ihm sowieso nicht verbacken.

Mit leichten Qualitätsschwankungen des Getreides und damit der Teige könne er als kleine Bäckerei, die wirklich handwerklich arbeite, noch vergleichsweise gut umgehen. "Bei uns steuert der Mensch und nicht die Maschine. So ein Teig hat ein Eigenleben." Eventuell müsse ein Teig dann eben etwas länger gehen, gegebenenfalls sei der Zeitaufwand etwas höher. 

Was ihn und die Bäcker seiner Innung wirklich umtreibe, sei nicht der Regen, sondern die gestiegenen Energiepreise und der Bürokratie-Aufwand. Sollte Anfang nächsten Jahres der Energiepreis-Deckel auslaufen, hätten viele Betriebe wirklich ein Problem, glaubt Amthor. "Dann werden Betriebe aufhören, obwohl die Umsätze eigentlich stimmen."

In seinem eigenen Betrieb habe er zumindet ein großes Problem in den Griff bekommen: die Personal-Knappheit. Dass er seine Bäckerei vor einem Jahr von einer 7-Tage-Woche auf eine 4-Tage-Woche umstellte, "war die richtige Entscheidung." Dadurch habe er sofort Personal bekommen und für die kommenden zwei Jahre bereits zwei Azubis unter Vertrag nehmen können. In punkto Energie und Bürokratie liege es nun an der Politik, ob Bäcker künftig im Regen stehen.

 
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