
Intensiv hatten Bad Neustadts Stadträte und die Stadt-Verwaltung in der Zukunftswerkstatt im Oktober um das Thema Verkehrsführung in Bad Neustadts Altstadt gerungen. Konkret ging es unter anderem um eine mögliche Öffnung der Hohnstraße für den Verkehr. Aktuell findet sich dort, zwischen Hohntor und Marktplatz, Bad Neustadts einzige Fußgängerzone.
Auf einen Nenner kam das Gremium im Workshop nicht. "Es gibt gute Argumente dafür und dagegen", fasste Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner in der jüngsten Stadtratssitzung die konträren Positionen zusammen. Letztlich sei man deshalb überein gekommen, "einen Feldversuch" zu starten.
Hohnstraße und Teile der Spörleinstraße als Einbahnstraße
Die Planungen zu dem Verkehrsversuch präsentierte im Stadtrat Selina Büttner von der Stabstelle der Stadt. Interessierte Anwohner sowie Gewerbetreibende sollen zudem am Montag, 28. April, um 18 Uhr im Bildhäuser Hof informiert werden.
Wie soll das Experiment aussehen? Ab 26. Mai bis 26. November wird sechs Monate lang die Hohnstraße als Einbahnstraße Richtung Hohntor geöffnet. Auch die Spörleinstraße soll ab der Weingasse zur Einbahnstraße Richtung Hohntor werden. Die Apothekengasse wird weiterhin beidseitig befahrbar bleiben. Zu diesem Zeitpunkt ist laut Planung der erste Bauabschnitt der Fernwärme-Baustelle am Marktplatz abgeschlossen. Zeitgleich fallen rund um diese Markplatz-Baustelle in erster Linie nur noch Arbeiten und Sperrungen in der Storchengasse an.
Schrittgeschwindigkeit in der gesamten Altstadt
Im Zuge des Versuchs werde laut Büttner die gesamte Altstadt in einen verkehrsberuhigten Bereich verwandelt. Eine Verkehrsberuhigung der Altstadt war eine im Integrierten Mobilitätskonzept (IMK) vorgeschlagene Maßnahme. Fortan darf damit in der Altstadt nur noch Schrittgeschwindigkeit gefahren werden.

Parken ist in der Altstadt nur noch innerhalb markierter Flächen möglich. Statt der Halteverbotszonen werden in der Spörleinstraße Parkplätze eingezeichnet, drei gegenüber "nah&gut Schlembach", fünf gegenüber des Landratsamtes und fünf anschließend gegenüber des Rathauses. In der Hohnstraße soll ein Parkplatz zwischen Salzpforte und Häfnergasse, Höhe früheres Schuhhaus Dietz, entstehen. Die zwei Parkplätze beim Hotel Schwan und Post sollen nach vorne an die Straße gezogen werden. Ob man einen der zwei Parkplätze behindertengerecht ausweisen könne, wollte Rita Rösch (SPD) geprüft wissen. Die aktuelle Parkplatzregelung am Marktplatz bleibt laut Büttner bestehen. Darüber hinaus blieben auch die Bewohnerparkplätze unverändert.
So wird der Verkehrsversuch analysiert und beworben
Um die Auswirkungen des Verkehrsversuchs zu analysieren, wird der Verkehr an verschiedenen Messpunkten (Ein- und Ausfahrt Spörleinstraße, Weingasse, Hohntor und Sparkasse) gezählt. Die Verwaltung hatte zunächst vier Vier-Wochen-Zeiträume dafür vorgesehen. Alexander Barthelmes (CSU) regte an, durchgehend sechs Monate lang zu zählen, was auf Zustimmung stieß und umgesetzt werden soll.

Der Verkehrsüberwachungsdienst werde die ersten vier Wochen des Versuchs bei Fehlverhalten zunächst "orange Karten" verteilen, so Büttner. Vier Bauzaunbanner an Zollberg, Spörleinstraße, Sparkasse und Hohntor sollen die neue Verkehrsführung und die Parkmodalitäten in der Altstadt bewerben.
Entscheidend ist die Rückmeldung aus der Bevölkerung
"Der Verkehrsversuch lebt vom Feedback", machte Bürgermeister Werner deutlich. Sorgt die abgeänderte Verkehrslenkung für eine Innenstadt-Belebung oder bewirkt sie am Ende gar das Gegenteil? Die Stadt sei diesbezüglich auf Rückmeldungen der Gewerbetreibenden, Anwohner und Besucher angewiesen. Ein allgemeiner Fragebogen soll während des Gesamtzeitraums allen zur Verfügung stehen, die ihre Meinung abgeben möchten. Ein spezieller Fragebogen gezielt für Gewerbetreibende soll gegen Ende des Versuchs verteilt werden.
Robert Foidl (Freie Wähler) schlug vor, nicht allein auf Fragebögen zu setzen. Wenn möglich solle die Wirtschaftsfördererin gezielt auf Gewerbetreibende zu und in die Geschäfte hinein gehen, um vor Ort Stimmungen wahrzunehmen.
Jürgen Pröscholdt: Eine rückwärtsgewandte, nicht zukunftsorientierte Verkehrspolitik
Als "rückwärtsgewandt" und nicht zukunftsorienierte Verkehrspolitik bezeichnet Jürgen Pröscholdt (SPD) den Verkehrsversuch. Für den ÖPNV sei das ein "Sargnagel". Für die Akteure des IMK und der Kreativen Zentren "ein Schlag ins Gesicht". Durch die Einbahnstraße in der Spörleinstraße werde der "zurückflutende Verkehr" in die parallel verlaufende Rossmarktstraße und die Apothekengasse verlagert, so seine Befürchtung.
Pröscholdt stellte die Frage, wo in der Spörleinstraße künftig be- und entladen werden solle. Durch die Nessi, die entgegen der Einbahnstraße fahren müsse, komme es in der engen Hohnstraße zeitweise zu Begegnungsverkehr. Eine weitere Ampel erscheint ihm nicht attraktiv.
Warum die Nessi für den Versuchszeitraum nicht umgeleitet wird
Gerald Pittner (Freie Wähler) erinnerte, dass es zwei unversöhnliche Positionen gebe. Der Verkehrsversuch werde eben unternommen, um herauszufinden, wie es wird. Danach habe man "ein halbwegs vernünftiges Stimmungsbild, das auf Erfahrungen beruht".
"Es wird probiert", stimmte Rita Rösch (SPD) dem Versuch an sich zwar zu. Die Ziele, mehr Lebensqualität und weniger CO₂ in der Innenstadt, steckten aber ihrer Meinung nach nicht in dem Konzept. Allein eine Verkehrsbelebung der Innenstadt werde das Thema Leerstand nicht lösen.

"Viel töter kann die Innenstadt nicht werden", erklärte Johannes Benkert (Neuschter Liste). Rhön-Grabfeld sei nun mal ein Auto-Landkreis und er gespannt auf die Ergebnisse. Allerdings hätte er sich gewünscht, dass die Nessi umgeleitet worden wäre, um Begegnungsverkehr zu vermeiden. Damit wäre ein erheblicher Zeitverzug einhergegangen, erläuterte Werner. Nur für den Verkehrsversuch habe man die Nessi-Fahrpläne nicht komplett umarbeiten wollen.
Wenn der Verkehrsversuch ernst genommen wird und tatsächlich nur noch mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wird, sollten die Schweller entfernt werden. Andernfalls entsteht eine widersprüchliche Situation: Wer sich an die Schrittgeschwindigkeit hält, braucht keine weiteren Hindernisse – und wer sich nicht daran hält, sollte die Folgen konsequenter Geschwindigkeitskontrollen zu spüren bekommen.
Eine echte Verbesserung bedeutet nicht nur, den Verkehr zu beruhigen, sondern dabei auch auf Barrierefreiheit zu achten. Hoffentlich wird das bei der Auswertung des Versuchs mit berücksichtigt!