Die Dominanz des Autoverkehrs zu reduzieren, diese Maßnahme ist im jüngst vorgestellten Mobilitätskonzept für Bad Neustadt definiert. Was das konkret bedeuten könnte, darüber wird aktuell im Stadtrat diskutiert. Diesen Donnerstag steht das Mobilitätskonzept erneut auf der Agenda. Anlass für diese Redaktion, im Vorfeld zu fragen: Was wünschen sich Geschäftsleute, Gastronomen und Ärzte für die Innenstadt? Wie wichtig ist in ihren Augen der Individualverkehr für Bad Neustadts Altstadt?
Der Bad Neustädter Zahnarzt Markus Brandt, der seine Praxis in der Spörleinstraße hat, kann der Idee, den Individualverkehr noch stärker aus Bad Neustadts Altstadt herauszuhalten, wenig abgewinnen. "Dann hätten wir das Problem, dass die Senioren noch schlechter in die Praxis oder zu den Geschäften kommen." Für manche Senioren seien die wenigen Minuten Fußweg vom Schillerhain zu seiner Praxis nicht machbar. Sie würden oft von zwei Begleitern bis vor die Tür gebracht: Einer halte in der Spörleinstraße, ein zweiter begleite Senior oder Seniorin in die Praxis.
Zahnarzt Markus Brandt wünscht sich die Spörleinstraße als Einbahnstraße
Die Situation mit Bad Neustadts Verkehrsüberwachung sei da heutzutage oft schon kritisch. Würde es dem Individualverkehr schwerer gemacht, ist seine Sorge: "Dass die Innenstadt noch stärker ausstirbt." Völlig abstrus fand Brandt die jüngst im Stadtrat geäußerte Idee, auf E-Scooter zurückzugreifen: "Andere Städte schaffen die gerade wieder ab und in Bad Neustadt sollen welche angeschafft werden." Persönlich optiert er für die Option, die Spörleinstraße zur Einbahnstraße zu machen und auf der rechten Seite Kurzzeitparkplätze einzurichten.
"Als Anwohner in der Stadt ist es tatsächlich anstrengend", sagt Nina Vogt, die selbst in der Roßmarktstraße wohnt. Gerade rund um die Donnerstagskonzerte wünscht sie sich eine Sperrung der Innenstadt für den Individualverkehr. "Ich habe keine Lust mehr, mich von anderen Menschen, die nicht mal in Bad Neustadt wohnen, beleidigen zu lassen, weil die meine Garage einparken." Viele seien einfach zu faul zu laufen, glaubt sie: "Wir haben ein Riesen-Parkhaus und einen riesigen Busbahnhof, beide wurden für viel Geld saniert und es parkt einfach jeder in der Stadt."
"Als Anwohner in der Stadt ist es anstrengend", sagt Bad Neustädterin Nina Vogt
Durch die Scheibe des Supermarktes nah & gut Schlembach in der Spörleinstraße könne sie als Einzelhandelskauffrau jeden Morgen die katastrophale Verkehrssituation beobachten: "Bus und Lieferanten kommen oft nicht raus oder rein. Es ist immer alles zugeparkt. Der Bus kriegt Verspätung." Für den Markt, in dem sie arbeitet, fürchtet sie bei einer Einschränkung oder gar Sperrung des Autoverkehrs keine Nachteile: "Die Omis kommen mit der Nessi, ab und zu mit dem Taxi." Kämen Einschränkungen, müssten Taxis davon ausgenommen werden, sagt Vogt.
"Die Hohnstraße ist autofrei und das ist für die Geschäftsleute dort eine mittlere Katastrophe", erklärt Kalli Wehner vom Gasthof am Markt. Individualverkehr und vor allem genügend Parkplätze in naher Umgebung seien für sein Geschäft essenziell. Informiere er potenzielle Gäste über die Langzeitparkplätze im weiteren Umfeld, sei er sie oft los, so seine leidvolle Erfahrung. "Wir treiben die Leute aus der Stadt." Bad Neustadt liege als mittelalterliche Stadt auf einem Hügel. Wer kurze, kleine Erledigungen habe, laufe nicht vom Parkplatz außerhalb in die Altstadt. Mehr Kurzzeitparkplätze und eine Brötchentaste wünscht sich der Gastwirt.
Auch Sébastian Depoutot vom Proviantkorb findet es wichtig, dass seine Kunden bei Bedarf am Marktplatz vorfahren und ihre gekauften Geschenkkörbe ins Auto laden können. Nicht nur für sein Geschäft sei das wichtig, sondern auch für die älteren Kunden der Apotheke nebenan. Große Städte mit einer jüngeren Altersstruktur könnten auf Autofreiheit oder eine Reduzierung des Individualverkehrs setzen. Auch er findet, dass Bad Neustadt eine Brötchentaste gut täte. Eine Verlangsamung des Verkehrs würde er sich durchaus wünschen. "Die Poser, die mit ihren aufgemotzten Karren abends durchbrettern, die sind das Problem." Temposchwellen, glaubt er, könnten eine Lösung sein.
"Ich fahre einfach zu gerne Auto, ich bin Autoliebhaberin", sagt Lea Heuering, Filialleiterin bei C&A Bad Neustadt. Entsprechend fände sie Maßnahmen zur weiteren Erschwerung oder Reduzierung des Individualverkehrs nicht gut. Auch sie fürchtet, dass der ein oder andere Kunde wegbräche, könnte er nicht mal eben für Spontan-Käufe oder für einen Umtausch vorfahren.
Sorge vor Abwanderung von Kunden ins Internet
"Wir haben lauter alte Menschen, die können nicht laufen", sagt Hörakustiker-Meister Dominik Schineller von der Firma Trabert am Marktplatz. "Die Parksituation ist ja jetzt schon eine Katastrophe in der Stadt." Egal, was geplant sei, um die Dominanz des Autoverkehrs zu beenden. "Wir müssen auf jeden Fall die Möglichkeit haben, dass Angehörige unsere Kunden bis vor die Tür fahren können."
Ähnlich äußert sich Magdalena Herde, Filialleiterin der Buchhandlung Rupprecht. "Bücher sind schwer." Für ihre Kunden sei es essenziell, kurz am Marktplatz zu halten und ein Bücherpaket einladen zu können. Zumal auch Büchereien und Lehrer zu ihren Kunden zählten, die mitunter ganze Klassensätze oder große Bücherpakete orderten. Sollte das Vorfahren oder Halten für Kunden erschwert werden, müssten sie als Buchhandlung noch mehr als heute schon ausliefern, was personell, aber auch wirtschaftlich gesehen schwierig wäre. Sie fürchtet, wird das Erreichen ihres Ladens auf welche Weise auch immer für den Autoverkehr erschwert, entscheide der ein oder andere Kunde: "Gut, dann bestelle ich es im Internet."