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Bad Neustadt
Rhön-Klinikum Campus: Mehr als 100.000 Herzoperationen und Patienten aus ganz Deutschland
Die Ansiedlung des Herzzentrums in der Rhön 1984 war etwas Besonderes. Warum die Bad Neustädter Herz- und Gefäßklinik nicht nur für die Region bedeutend ist.
Die Chefärzte Prof. Dr. Sebastian Kerber (links) und Prof. Dr. Anno Diegeler blicken auf Meilensteine in 40 Jahren Herz- und Gefäßklinik am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt zurück.
Foto: Kristina Kunzmann | Die Chefärzte Prof. Dr. Sebastian Kerber (links) und Prof. Dr. Anno Diegeler blicken auf Meilensteine in 40 Jahren Herz- und Gefäßklinik am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt zurück.
Julia Back
 und  Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 14.10.2024 02:32 Uhr

Auch wenn jeder hofft, sie nie zu brauchen, ist es beruhigend, dass es sie gibt: Die Herz- und Gefäßklinik am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Im Gespräch mit dieser Redaktion blicken Prof. Dr. Sebastian Kerber (63, Ärztlicher Direkter des Campus und Chefarzt Klinik für Kardiologie I, Interventionelle Kardiologie und kardiale Bildgebung) und Prof. Dr. Anno Diegeler (65, Chefarzt Klinik für Kardiochirurgie) auf Meilensteine in den 40 Jahren zurück und verraten, ob sie auf der Straße erkannt werden.

Frage: Können Sie sich noch an Ihren ersten Eingriff in Bad Neustadt erinnern?

Anno Diegeler: Ich weiß noch, dass er im November 2001 stattgefunden hat. Damals war ich, um den Übergang so nahtlos wie möglich zu gestalten, schon am Rhön-Klinikum. Offiziell wurde ich im Februar 2002 Chefarzt. Aber an Details kann ich mich nicht mehr erinnern. Mein damaliger Chef meinte, ich könne mir einen Eingriff aussuchen und das habe ich gemacht.

Sebastian Kerber: Ich kann mich noch daran erinnern. Dieser dürfte am ersten Werktag im Jahr 2001 gewesen sein, da ich am 1. Januar 2001 als Chefarzt hier angefangen hatte. Es fühlte sich schon ein bisschen so an, als wären alle Scheinwerfer auf mich gerichtet.

Warum braucht es in einer ländlichen Region wie der Rhön ein eigenes Zentrum für Herzmedizin?

Diegeler: Die lokale Region würde ein Herzzentrum in dieser Größe für ihre eigene Versorgung natürlich nicht benötigen.

Kerber: Die frühen 1980er-Jahre waren eine Zeit der Unterversorgung, was Herzchirurgie und Kardiologie anging. Bayern brauchte ein neues Herzzentrum, das nach einer politischen Entscheidung im Norden angesiedelt werden sollte. Eugen Münch bot damals an, ohne Fördermittel verfügbare Gebäude am Rhön-Klinikum dafür umzubauen. Das Angebot konnte der Freistaat nicht ablehnen. 

Wie hat sich die Herzmedizin am Rhön-Klinikum Campus seither entwickelt?

Kerber: Das Zentrum hat von Anfang an funktioniert und arbeitet bis heute sehr effizient. Die Leute kamen von überall her: mit Bussen aus dem Fichtelgebirge oder Gelsenkirchen. Bereits nach drei bis vier Jahren war Bad Neustadt das Zentrum, das deutschlandweit mit am meisten Herzoperationen durchführte. Heute umfasst das Team der Kardiologie 41 Ärztinnen und Ärzte und wir gehören zu den großen Herzzentren in Deutschland.

Seit Gründung der Herz- und Gefäßklinik am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt vor 40 Jahren wurden dort mehr als 100.000 Herzoperationen und über 250.000 Katheter-Untersuchungen durchgeführt.
Foto: René Ruprecht | Seit Gründung der Herz- und Gefäßklinik am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt vor 40 Jahren wurden dort mehr als 100.000 Herzoperationen und über 250.000 Katheter-Untersuchungen durchgeführt.
In Zeiten des Ärztemangels: Wie gelingt es, genügend ärztliches Personal für die Herzmedizin in die Rhön zu locken? Bad Neustadt ist ja nun nicht München...

Kerber: Von alleine kommen die Kolleginnen und Kollegen nicht hierher. Wir müssen viel tun und eine sehr gute Weiterbildung anbieten. Damit die Assistenzärzte sich untereinander austauschen und erzählen, dass es sich hier gut arbeiten und leben lässt. Dann klappt das. Wir haben in den letzten 25 Jahren hier mehr als 130 Fachärzte für Innere Medizin ausgebildet und 100 Fachärzte für Kardiologie. Viele haben Migrationshintergrund. Deshalb sind wir froh, dass es das Scholarship für ausländische Ärzte gibt, das Christiane Hanshans großartig betreut.

Wie viele Patienten behandeln Sie pro Jahr?

Kerber: Bad Neustadt hat rund 17.000 Einwohner. Wir machen ungefähr 6000 bis 8000 Katheter-Eingriffe pro Jahr, Professor Diegelers Team führt 3000 bis 4000 Operationen jährlich durch. Das heißt, wir hätten in anderthalb Jahren alle Bad Neustädter behandelt.

Diegeler: Bei mir sind es aktuell 7.200 Herzoperationen. Wir haben schon aus Scherz gesagt, wenn ich 10.000 habe, gehe ich in Rente (lacht).

Das sind beeindruckende Zahlen. Werden Sie manchmal beim Einkaufen im Supermarkt erkannt nach dem Motto 'Dank Ihnen bin ich noch hier'?

Kerber: Die Patienten sind diskret, aber ich bin in Bad Neustadt schon ziemlich bekannt. Wenn ich im Modegeschäft vor vier Jahren eine braune Jeans gekauft habe und wiederkomme, kennen sie dort meine Hosengröße und sagen: 'Da wäre eine braune Jeans für Sie'. Da wundert man sich wirklich. 

Diegeler: Meine Frau sagt, du kennst keinen, aber dich kennen viele. Und das war die ersten 15 Jahre auch so. Seitdem ich Kinder habe, kenne ich mehr Leute. Da hat man dann auch den ein oder anderen Opa oder Onkel aus deren Umfeld schon operiert.

Kerber: Meine Mutter ist mal mit dem Taxi vom Campus nach Hause gefahren und hat erzählt, dass sie in der Kardiologie war. 'Da gibt es doch den Prof. Dr. Kerber. Vielleicht kennen Sie den?', fragte der Fahrer. 'Ja, den kennt doch jeder hier', hat meine Mutter geantwortet (lacht).

Können Sie sich an besondere Personen erinnern, die Sie in Bad Neustadt operiert haben? Auch Franz Beckenbauer soll hier am Herzen operiert worden sein.

Diegeler: Darüber, welche Personen wir operiert haben, dürfen wir nicht sprechen. Aber natürlich bleiben ein paar Fälle im Gedächtnis. Meistens solche, die schwierig waren. Wenn ich gerufen wurde und die Kollegen sagten 'Es geht nicht weiter, wir haben keine Lösung mehr'. 

Kerber: Auch ich kann mich an medizinische Momente erinnern, zu denen ich hinzugezogen wurde, weil die Situation aussichtslos erschien. Dann musste ich manchmal in zwei Sekunden eine Entscheidung treffen nach dem Motto 'Ich versuche das jetzt'. Und dann hat es auch meistens irgendwie geklappt. Es gab schon spezielle Momente, nach denen ich anschließend zu Hause erzählt habe: 'Heute haben wir gezaubert'. 

Ärzte brauchen geschickte Finger. Herr Prof. Dr. Kerber, Sie spielen Violine. Was gibt Ihnen die Musik?

Kerber: Ich betreibe das sehr stringent, nehme auch Unterricht und versuche ab und an Konzerte zu geben. Für mich ist es eine perfekte Abwechslung zum Job, ich kann die Schwierigkeiten des Tages vergessen und fokussiere mich nur auf die Musik. Es macht einfach meinen Kopf frei.

Herr Prof. Dr. Diegeler, haben Sie ein ähnlich virtuoses Hobby?

Diegeler: Operieren, operieren, operieren... Nein, das war ein Scherz. Ich habe früher ein bisschen Klavier gespielt und mir jetzt sogar eines gekauft. Aber mittlerweile ist mein neunjähriger Sohn wahrscheinlich besser als ich.

Sie feiern heuer 40 Jahre Herzmedizin in Bad Neustadt – ein Erfolgsprojekt?

Kerber: Auf jeden Fall eine Erfolgsgeschichte. Wir sind unseren Vorgängern dankbar, dass sie ein gutes Fundament geschaffen haben. Die Abteilungen haben solide handwerklich gearbeitet und dafür gesorgt, dass sich schnell herumgesprochen hat: 'Die können das in Bad Neustadt'.

Herz- und Gefäßklinik am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt

Die Herz- und Gefäß-Klinik startete vor 40 Jahren als Klinik für Kardiologie und als Klinik für Kardiochirurgie. 2018/2019 wurde schließlich mit der Inbetriebnahme des neuen Campus Bad Neustadt eine Entwicklung mit nun 21 Fachdisziplinen eingeleitet.
Seit der Gründung der Herz- und Gefäß-Klinik 1984 haben die Chefärzte Kerber und Diegeler mit ihren Vorgängern und Teams mehr als 100.000 Herzoperationen und mehr als 250.000 Katheter-Behandlungen in Bad Neustadt durchgeführt.
Mittlerweile hat sie sich zu einem überregionalen Kompetenzzentrum kardiovaskulärer Medizin etabliert. In Diagnostik und Therapie widmet sich das Team der koronaren Herzkrankheit, Herzklappenfehlern, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen. 
Quelle: Rhön-Klinikum Campus
 
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  • Hans Schwinger
    Hans Schwinger
    Im Jahr 1984 war Eugen Böhm noch einer meiner Kollegen bei der IHK in Würzburg als er erklärte, ein Krankenhaus in Bad Neustadt zu gründen und zu führen. Wir dachten,er sei verrückt. Doch er war wagemutig und erfolgreich. Jahre später war es Dr. Diegeler, der mich mit seinen Kollegen erfolgreich an der Herzklappe operierte.
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