
Vincentas Nesavas ist Ende 30. Der Arzt aus Litauen fühlt sich auf dem Rhön-Klinikum-Campus in Bad Neustadt wohl. Nesavas hat sich gut eingelebt und Deutsch gelernt. Mit seiner Arbeit als Stationsarzt an der Psychosomatischen Klinik ist er zufrieden. In Bad Kissingen hat Nesavas außerdem eine neue Heimat für sich, seine Frau und die zwei Kinder gefunden. Die Kinder haben Freunde in der Grundschule und am Gymnasium, seine Frau arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der medizinischen Forschung. In nur drei Jahren haben die Nesavas einen kompletten Neuanfang gemeistert.
„Zuerst habe ich mich nach Skandinavien beworben, aber das hat nicht geklappt“, erzählt Nesavas. Er hatte in Litauen Medizin studiert und praktizierte als Arzt. Allerdings war es ihm nicht möglich, sich zum Facharzt für Psychologie fortzubilden und parallel als Arzt zu arbeiten. Also suchte er nach Alternativen. „Ein Freund erzählte mir, dass in Deutschland Ärzte gebraucht werden“, sagt er. Nesavas bewarb sich erfolgreich auf das Scholarship-Programm des Rhön-Klinikums.
Das Scholarship-Programm ist ein Stipendium, das seit gut drei Jahren vom Rhön-Klinikum an ausländische Medizinabsolventen vergeben wird. Deutschland sei bei der Ausbildung von Fachärzten auf Migranten angewiesen „Wir hatten schon vor drei Jahren eine große Zahl ausländischer Ärzte in Deutschland. Die Entwicklung war absehbar“, sagt Professor Bernd Griewing, ärztlicher Direktor in der Neurologie.
Das Programm haben bislang 66 Nachwuchsärzte absolviert. „Etwa 80 Prozent der Leute bleiben vor Ort“, sagt Griewing. Heute sei etwa jeder Vierte der 250 Rhön-Klinikum-Ärzte Migrant. Griewing glaubt, dass das Programm langfristig der ärztlichen Versorgung auf dem Land dient.
Christiane Hanshans betreut das Programm. Zweimal jährlich werden zehn Stipendien angeboten. „Das umfasst eine sechsmonatige Hospitationsphase mit Deutschkurs“, sagt sie. Die jungen Mediziner werden fachlich wie sprachlich geschult. Jeder Stipendiat bekommt einen Arzt als Tutor zugeteilt. Christiane Hanshans organisiert die Unterbringung im Gästehaus, gestaltet Freizeitangebote und hilft, Bürokratie zu erledigen. „Das alles könnten die Stipendiaten allein nur schwer bewältigen“, sagt sie. Sie hält den Medizinern den Rücken frei, damit die sich auf die Betreuung der Patienten und das Lernen der Sprache konzentrieren. Hanshans: „Die Leute sind fachlich gut ausgebildet, aber die Patienten möchten, dass der Arzt mit ihnen auch über die Enkel plaudert.“
Nach der Hospitationszeit haben die Stipendiaten die Chance auf eine Festanstellung. „Wenn die Ärzte in einem Anstellungsverhältnis stehen, möchten wir sie nicht allein lassen.“ Die Aufenthaltsgenehmigung muss beantragt, die ausländische Approbation anerkannt oder der Familiennachzug geregelt werden, wie bei Vincentas Nesavas. „Das Programm lebt von der sozialen Komponente“, sagt Professor Griewing. Das Hauptaugenmerk liege darauf, dass die Familien sich gut in Deutschland einleben. Hanshans hilft auch Kindergartenplätze zu finden, Sprachunterricht für Kinder zu organisieren und dem Partner dabei, Arbeit zu suchen.
Blue Card
Seit September 2012 wird die Blue Card deutschlandweit als Aufenthaltserlaubnis für gut ausgebildete Ausländer erteilt. Sie gilt für Staatsangehörige, für die das EU-Freizügigkeitsabkommen nicht gültig ist, beispielsweise Nicht-EU-Ausländer. Das Bad Kissinger Ausländeramt hat bislang insgesamt 40 Blue Cards ausgestellt. Von den betreffenden Personen leben noch 20 im Landkreis, die Mehrheit sind Ärzte. Die meisten Blue Card Inhaber sind Serben, Syrer und Israelis.