
Thomas Hart ist erleichtert. Seit 21 Jahren schon ist er mit seinem Freund zusammen. Öffentlich über diese Liebe reden kann der katholische Gemeindereferent aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) erst seit knapp zwei Wochen. Bei einer virtuellen Personalversammlung, zu der Bischof Franz Jung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums Würzburg geladen hatte, um über Konsequenzen aus dem Münchner Missbrauchsgutachten und die Outing-Initiative #OutInChurch zu reden, fasste er allen Mut zusammen und bekannte sich vor rund 250 Kolleginnen und Kollegen zu seiner schwulen Identität und zur Partnerschaft mit seinem Mann.
Er fühle sich "wie befreit", sagt der 51-Jährige. Seit er in Vollzeit als Klinikseelsorger am Rhön-Klinikum-Campus arbeite, wisse zwar sein dortiges Umfeld, einschließlich der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, "was Sache ist". Sich einem größeren Kreis innerhalb der Kirche zu outen, habe er sich bis zuletzt aber nicht getraut.
Die Furcht, den Job zu verlieren, hing "wie ein Damoklesschwert" über ihm
Erst jetzt, nachdem bundesweit 125 Priester und Mitarbeitende von katholischen Einrichtungen sich öffentlich zu ihrer queeren, nicht-heterosexuellen Identität bekannt hatten und Generalvikar Jürgen Vorndran erklärt hatte, keine Beschäftigte und kein Beschäftigter müsse wegen seiner sexuellen Identität mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, habe er das jahrelange Versteckspiel guten Gewissens beenden können. Die Furcht, den geliebten Job zu verlieren, sei jahrelang "wie ein Damoklesschwert" über ihm gehangen.
Thomas Hart stammt aus Schwanfeld (Lkr. Schweinfurt). Schon als Jugendlicher engagierte er sich in der Kirche: Lange Jahre diente er als Ministrant, er war als Jugendleiter in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) aktiv, ließ sich in den Pfarrgemeinderat wählen. Nach einer Ausbildung zum Erzieher entschied er sich, Religionspädagogik zu studieren, um als Gemeindereferent arbeiten zu können.
Das Bistum setzte ihn in mehreren Gemeinden im Grabfeld ein, wo er seelsorgerische Aufgaben in Vertretung der zuständigen Pfarrer übernahm. Vor zehn Jahren wechselte er dann ans Rhön-Klinikum, zunächst in Teilzeit, seit 2014 in Vollzeit.
Der Arbeitsort durfte nicht auch der Wohnort sein
Seiner sexuellen Orientierung sei er sich als junger Mann zunächst nicht sicher gewesen. Zeitweise habe er auch Freundinnen gehabt, erzählt Hart. Schließlich aber sei für ihn klar gewesen: "Ich bin schwul."
Den Job dafür aufgeben, wollte er nicht. Ihm sei bewusst gewesen, dass Homosexualität für die Offiziellen in der Kirche Sünde sei, ein Thema für das Arbeitsverhältnis sei dies aber erst geworden, als er mit seinem Freund zusammengezogen sei. Jetzt war erst recht Heimlichkeit angesagt. "So konnten wir auf keinen Fall in einer Gemeinde wohnen, in der ich arbeite", erzählt Hart. Auch eine eingetragene Partnerschaft, mit der sich die beiden Männer gegenseitig rechtlich und wirtschaftlich hätten absichern können, sei nicht möglich gewesen.
Er habe in einem "ständigen Spagat" gelebt, sagt Hart. Wenn bei der Arbeit Fragen etwa nach einer Freundin kamen, habe er versucht, eine konkrete Antwort zu verschleiern. Einmal habe ihn ein Realschüler im Religionsunterricht vor der versammelten Klasse gefragt, ob er schwul sei. Sein Puls sei "auf 200" gestiegen, erinnert er sich. "Dann habe ich geantwortet: Wieso, willst Du einen Kuss?" Das Gelächter sei groß gewesen, "es gab keine weiteren Nachfragen". Heute muss der Gemeindereferent schmunzeln, wenn er die Geschichte erzählt.
Freude über die Erklärung des Bischofs
Dass Bischof Franz Jung jetzt eine "Selbstverpflichtungserklärung" an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von katholischen Einrichtungen im Bistum verschickt hat, die sicherstellt, dass ab sofort, also bereits vor einer Änderung des Dienstrechts durch die Bischofskonferenz, keinem Beschäftigten Nachteile wegen seiner persönlichen Lebensführung entstehen, freut den Bad Neustädter Klinikseelsorger. Er ist sicher, dass sich nun auch weitere Kolleginnen und Kollegen im Bistum trauen, sich als queer zu outen.
Eine Frage allerdings hat Thomas Hart noch. Er hat sie Generalvikar Vorndran in einem Brief dieser Tage ganz konkret gestellt: Darf ich meinen langjährigen Freund jetzt auch heiraten, ohne den Job zu gefährden? Die Antwort steht noch aus.
21 Jahre, solange ist es her, dass in Deutschland die Rechtsform der eingetragenen Partnerschaft eingeführt wurde, übrigens gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche.
21 Jahre sind eine sehr lange Zeit, wenn man bei einem Verein arbeitet, der die eigene Identität ablehnt, aber dessen Moralvorstellungen man unter anderem als Religionslehrer folgen soll und zu vermitteln hat.
Ich frage mich auch, warum sich die outen.
In deren Umfeld weiß doch sicher jeder Bescheid und was interessiert mich in SW, dass einer
in NES schwul ist
oder geht Ihnen dieses Thema als Nichtbetroffene/r/d besonders oder der Themenbereich Kirche als solcher besonders auf die Nerven?
ich persönlich freue mich, den Bericht lesen zu dürfen.
Schüler fragen ja nicht zwingend nach dem Umgang mit Homosexualität, bloß um den Lehrer dumm dastehen zu lassen.
Und zu viele junge Leute hatten, aufgrund dieser katholischen Bipolarität, massive Probleme, ihren Platz im Leben zu finden.
Manche haben das aber auch nicht geschafft, sondern haben sich aufgegeben, weil die Kraft fehlte, gegen den Strom anzukämpfen.