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Bad Neustadt
Outing in der Kirche: Wie für den Rhöner Thomas Hart 21 Jahre Versteckspiel endeten
Die Nachricht, dass sein Schwulsein künftig kein Thema mehr für die Kirche ist, erlebt der Gemeindereferent aus Bad Neustadt als Befreiung. Eine Frage an den Bischof hat er aber noch.
Thomas Hart ist Klinikseelsorger am Rhön-Klinikum-Campus in Bad Neustadt.
Foto: Fabian Gebert | Thomas Hart ist Klinikseelsorger am Rhön-Klinikum-Campus in Bad Neustadt.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:57 Uhr

Thomas Hart ist erleichtert. Seit 21 Jahren schon ist er mit seinem Freund zusammen. Öffentlich über diese Liebe reden kann der katholische Gemeindereferent aus Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) erst seit knapp zwei Wochen. Bei einer virtuellen Personalversammlung, zu der Bischof Franz Jung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums Würzburg geladen hatte, um über Konsequenzen aus dem Münchner Missbrauchsgutachten und die Outing-Initiative #OutInChurch zu reden, fasste er allen Mut zusammen und bekannte sich vor rund 250 Kolleginnen und Kollegen zu seiner schwulen Identität und zur Partnerschaft mit seinem Mann.

Er fühle sich "wie befreit", sagt der 51-Jährige. Seit er in Vollzeit als Klinikseelsorger am Rhön-Klinikum-Campus arbeite, wisse zwar sein dortiges Umfeld, einschließlich der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter, "was Sache ist". Sich einem größeren Kreis innerhalb der Kirche zu outen, habe er sich bis zuletzt aber nicht getraut.

Die Furcht, den Job zu verlieren, hing "wie ein Damoklesschwert" über ihm

Erst jetzt, nachdem bundesweit 125 Priester und Mitarbeitende von katholischen Einrichtungen sich öffentlich zu ihrer queeren, nicht-heterosexuellen Identität bekannt hatten und Generalvikar Jürgen Vorndran erklärt hatte, keine Beschäftigte und kein Beschäftigter müsse wegen seiner sexuellen Identität mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, habe er das jahrelange Versteckspiel guten Gewissens beenden können. Die Furcht, den geliebten Job zu verlieren, sei jahrelang "wie ein Damoklesschwert" über ihm gehangen.

Thomas Hart stammt aus Schwanfeld (Lkr. Schweinfurt). Schon als Jugendlicher engagierte er sich in der Kirche: Lange Jahre diente er als Ministrant, er war als Jugendleiter in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) aktiv, ließ sich in den Pfarrgemeinderat wählen. Nach einer Ausbildung zum Erzieher entschied er sich, Religionspädagogik zu studieren, um als Gemeindereferent arbeiten zu können.

Das Bistum setzte ihn in mehreren Gemeinden im Grabfeld ein, wo er seelsorgerische Aufgaben in Vertretung der zuständigen Pfarrer übernahm. Vor zehn Jahren wechselte er dann ans Rhön-Klinikum, zunächst in Teilzeit, seit 2014 in Vollzeit.

Der Arbeitsort durfte nicht auch der Wohnort sein

Seiner sexuellen Orientierung sei er sich als junger Mann zunächst nicht sicher gewesen. Zeitweise habe er auch Freundinnen gehabt, erzählt Hart. Schließlich aber sei für ihn klar gewesen: "Ich bin schwul."

Den Job dafür aufgeben, wollte er nicht. Ihm sei bewusst gewesen, dass Homosexualität für die Offiziellen in der Kirche Sünde sei, ein Thema für das Arbeitsverhältnis sei dies aber erst geworden, als er mit seinem Freund zusammengezogen sei. Jetzt war erst recht Heimlichkeit angesagt. "So konnten wir auf keinen Fall in einer Gemeinde wohnen, in der ich arbeite", erzählt Hart. Auch eine eingetragene Partnerschaft, mit der sich die beiden Männer gegenseitig rechtlich und wirtschaftlich hätten absichern können, sei nicht möglich gewesen.

Er habe in einem "ständigen Spagat" gelebt, sagt Hart. Wenn bei der Arbeit Fragen etwa nach einer Freundin kamen, habe er versucht, eine konkrete Antwort zu verschleiern. Einmal habe ihn ein Realschüler im Religionsunterricht vor der versammelten Klasse gefragt, ob er schwul sei. Sein Puls sei "auf 200" gestiegen, erinnert er sich. "Dann habe ich geantwortet: Wieso, willst Du einen Kuss?" Das Gelächter sei groß gewesen, "es gab keine weiteren Nachfragen". Heute muss der Gemeindereferent schmunzeln, wenn er die Geschichte erzählt.

Freude über die Erklärung des Bischofs

Dass Bischof Franz Jung jetzt eine "Selbstverpflichtungserklärung" an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von katholischen Einrichtungen im Bistum verschickt hat, die sicherstellt, dass ab sofort, also bereits vor einer Änderung des Dienstrechts durch die Bischofskonferenz, keinem Beschäftigten Nachteile wegen seiner persönlichen Lebensführung entstehen, freut den Bad Neustädter Klinikseelsorger. Er ist sicher, dass sich nun auch weitere Kolleginnen und Kollegen im Bistum trauen, sich als queer zu outen.

Eine Frage allerdings hat Thomas Hart noch. Er hat sie Generalvikar Vorndran in einem Brief dieser Tage ganz konkret gestellt: Darf ich meinen langjährigen Freund jetzt auch heiraten, ohne den Job zu gefährden? Die Antwort steht noch aus.

Die Aufgaben von Gemeindereferenten und Pastoralreferenten

Seit den 1970er Jahren übernehmen Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten in vielen katholischen Gemeinden seelsorgerische Aufgaben - vor allem dort, wo kein Pfarrer mehr vor Ort ist. Unter anderem bereiten sie Kinder und Jugendliche auf Erstkommunion und Firmung vor, sie geben Religionsunterricht, begleiten Gruppen in der Gemeinde und übernehmen auch Organisationsaufgaben.
Die Frauen und Männer sind hauptberuflich tätig, sind aber Laien, obliegen also nicht dem Zölibat. Unterschiede gibt es in der Ausbildung: Pastoralreferenten haben in der Regel Theologie studiert, Gemeindereferenten Religionspädagogik.
micz
 
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  • G. W.
    Ist ja schön, daß Herr Hart und andere, denen der katholisch-kirchliche Lehrauftrag (MISSIO CANONICA) erteilt wurde, nun nach 21 Jahren den Spagat zwischen Anschein und Wirklichkeit beenden kann.

    21 Jahre, solange ist es her, dass in Deutschland die Rechtsform der eingetragenen Partnerschaft eingeführt wurde, übrigens gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche.

    21 Jahre sind eine sehr lange Zeit, wenn man bei einem Verein arbeitet, der die eigene Identität ablehnt, aber dessen Moralvorstellungen man unter anderem als Religionslehrer folgen soll und zu vermitteln hat.
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  • A. K.
    Kommt jetzt über jeden katholischen Outer ein Bericht?
    Ich frage mich auch, warum sich die outen.
    In deren Umfeld weiß doch sicher jeder Bescheid und was interessiert mich in SW, dass einer
    in NES schwul ist
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  • C. L.
    beschweren Sie sich über jeden Zeitungsartikel, der Sie nicht interessiert?
    oder geht Ihnen dieses Thema als Nichtbetroffene/r/d besonders oder der Themenbereich Kirche als solcher besonders auf die Nerven?
    ich persönlich freue mich, den Bericht lesen zu dürfen.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Vor Gott sind alle Menschen gleich.
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  • C. H.
    Jeder wie er will. Die ganzen Berichte über die plötzliche Explosion der Betroffenen füllt die Zeitungen. Das ganze Gerede hört hoffentlich bald auf.
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  • S. C.
    Das Thema "Outing / Coming out" gehört in den privaten Bereich und hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Ist auch völlig irrelevant, welche Vorlieben jemand hat; sowohl bei einem Gemeindereferenten, als auch bei anderen Berufen.
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  • G. W.
    Ehrlich gesagt muß ich nicht schmunzeln, sondern eher weinen, wenn ich da lese, welche Antworten im Religionsunterricht von Seiten der römischen Kirche gegeben werden.
    Schüler fragen ja nicht zwingend nach dem Umgang mit Homosexualität, bloß um den Lehrer dumm dastehen zu lassen.
    Und zu viele junge Leute hatten, aufgrund dieser katholischen Bipolarität, massive Probleme, ihren Platz im Leben zu finden.
    Manche haben das aber auch nicht geschafft, sondern haben sich aufgegeben, weil die Kraft fehlte, gegen den Strom anzukämpfen.
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  • B. E.
    Aus meiner Schulzeit weiß ich, dass ganz viele persönliche Fragen an Lehrer gestellt werden, um sie dumm dastehen zu lassen. Da finde ich die im Artikel beschriebene Antwort sehr gut gekontert.
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  • G. W.
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  • J. F.
    Ob sich wohl in naher Zukunft auch Bischöfe und Kardinäle outen?
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  • M. S.
    Die Kirche wird sich Ihrer Scheinheiligkeit bewahren..
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