
Distanz halten in Zeiten, in denen Nähe so wichtig ist, das ist schwer auszuhalten. Besonders und gerade auch für Menschen, die zurzeit im Krankenhaus oder in einer Reha-Klinik behandelt werden. Diese Menschen haben durch einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder andere Krankheiten einen Bruch in ihrem Leben erlitten, müssen sich und ihre Zukunft neu sortieren und versuchen mit Hilfe der Ärzte, Schwestern und Therapeuten wieder auf die Beine zu kommen.
Schwer auszuhalten
Oft ist es das soziale Umfeld, der Partner, die Kinder, die Freunde, an denen diese Menschen sich aufrichten können. Eine Umarmung, ein Händedruck, Nähe zeigen, da sein - all das ist wegen der Corona-bedingten Besuchsbeschränkungen zurzeit kaum möglich. An ihre Stelle können Telefongespräche, E-Mails, Briefe oder Chats in sozialen Medien treten.
Die Patienten wissen, die Besuchsbeschränkungen sind richtig, wichtig und vernünftig und dienen ihrem Schutz ebenso wie dem des Personals - auszuhalten ist eine solche Situation dennoch nicht leicht. In diesem Spannungsfeld arbeiten die Mitarbeiter der Ökumenischen Seelsorge am Rhön-Klinikum Campus.
Viel ruhiger
"Es ist viel ruhiger im Haus", beschreibt Gemeindereferent Thomas Hart die Stimmung in der Neurologischen Klinik. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Besuchsdienst unterwegs waren oder bei den Gottesdiensten mitgeholfen haben, pausieren aus Sicherheitsgründen. Aber: "Wir Hauptamtlichen sind präsent." Mit ihre Anwesenheit verbinden die Seelsorger das Versprechen: "Wir stehen das mit Euch durch!"

Etwas geändert haben sich die Arbeitsabläufe des Teams schon. Die Sakramente am Krankenbett und die Betreuung Sterbender gehören weiterhin zu den Aufgaben der Seelsorger, ebenso wie das Angebot, gesprächsbereit für alle zu sein, egal ob für Patienten oder Mitarbeiter. Denn auch die Pflegekräfte stehen in diesen Zeiten unter besonderer Anspannung und sind sehr belastet.
Die Seelsorger gehen dieser Tage nicht mehr von Zimmer zu Zimmer, sondern besuchen Kranke in Absprache mit dem Stationspersonal nur noch auf Anfrage sowie natürlich bei Notfällen. Dieser Tage kommen auch telefonisch mehr Anfragen von Angehörigen, die darum bitten, dass man bei einem Patienten mal vorbeischauen soll.
Auf der Palliativstation ist es im Grunde wie bisher, aber dennoch auf das Nötigste beschränkt. Kollegen und Kolleginnen, die Patienten der Psychosomatischen Klinik in Bad Neuhaus betreuen, klären, ob Anfragen zum Einzelgespräch auch telefonisch wahrgenommen werden können.
Individuelle Betreuung
Auch Gottesdienste werden nicht gefeiert. Im ganzen Haus wurden Hinweiszettel aufgehängt, die die Patienten auf die Gottesdienste hinweisen, die auf den öffentlich rechtlichen Kanälen zu empfangen sind. Einen Ort der Andacht finden die Patienten in der Kapelle in Haus 4. Die Gebetbücher und die vielen Informationsbroschüren wurden aus Hygienegründen weggeschlossen. Für die jüngst stattgefundene Kar- und Osterzeit haben die Seelsorger die Kapelle besonders gestaltet.
Die Betreuung der Patienten ist sehr individuell. Da war etwa der alte Herr, der seine Frau jeden Tag in der Reha besuchte und mit ihr einen Spaziergang machte. Er rief Thomas Hart an und bat ihn, das für ihn zu übernehmen. Nun, das hat sich nicht ergeben. Er und seine Kolleginnen und Kollegen können nicht die nun wegfallende Betreuung durch die Angehörigen übernehmen. Sie prüfen aber von Situation zu Situation, wo und wie sie in besonderen Einzelfällen etwas von dem kompensieren können, was momentan durch den Wegfall von Besuchen durch Familie, Angehörige und Freunde wegbricht. Im konkreten Fall ging Hart mit der alten Dame Kuchen in der Cafeteria essen, denn auch das gehörte zum Besuchsritual der alten Herrschaften.
Unterschiedliche Wahrnehmung
Die Besuchseinschränkungen werden von den Menschen unterschiedlich wahrgenommen. Patienten, die ganz neu in der Klinik sind, berichtet Hart, bekommen oft gar nicht so recht mit, was um sie herum vor sich geht. Patienten in der Reha haben einen strammen Therapieplan, der sie durchaus den ganzen Tag über beschäftigt.
Kommen gläubige Menschen leichter mit den schwierigeren Bedingungen während ihres Krankenhausaufenthalts zurecht? "Ja", meint Hart. "Menschen, die ihre Sorgen an eine höhere Stelle abgeben können, tun sich da leichter."