zurück
Bad Königshofen
Nochmal Schwein gehabt? Der Kampf der Rhön-Grabfelder Kommunen gegen eine höhere Kreisumlage
Der Landkreis holt sich von den Kommunen Geld, das er für immer mehr Aufgaben braucht. Die tun sich immer schwerer. Doch wo kann das Landratsamt sparen?
Glück beim Sparen, das muss man erst einmal haben. Der Kreistag wird demnächst über die Kreisumlagen-Erhöhung abstimmen. Einen knappen Prozentpunkt an Einsparmöglichkeiten hat man wohl gefunden.
Foto: Gerhard Fischer | Glück beim Sparen, das muss man erst einmal haben. Der Kreistag wird demnächst über die Kreisumlagen-Erhöhung abstimmen. Einen knappen Prozentpunkt an Einsparmöglichkeiten hat man wohl gefunden.
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 07.04.2025 02:43 Uhr

Alle Jahre wieder kommt auf die Kommunen auch das Thema Kreisumlage zu. Der Landkreis zapft seine beinahe einzige Geldquelle an, nämlich die Gemeinden und Städte in Rhön-Grabfeld. Er holt sich Geld, das er für seine Sozialausgaben benötigt, für den Öffentlichen Personennahverkehr, für den Betrieb der Schulen. Aber auch für die eine oder andere freiwillige Leistung, zum Beispiel das Kulturangebot in Wechterswinkel.

Gestöhnt wurde unter dem Joch der Kreisumlage schon immer. Aber in den vergangenen Jahren ist das Stöhnen zu einem bitteren Klageruf angewachsen. Bisheriger Höhepunkt: Vor zwei Jahren schrieb Mellrichstadts Bürgermeister Michael Kraus als Kreis-Vorsitzender des bayerischen Gemeindetages einen Brandbrief mit vielen Unterschriften an Landrat Thomas Habermann. Die Unterschriften kamen fraktionsübergreifend, und bei der Haushaltssitzung schlugen seinerzeit auch die CSU-Bürgermeister von Steffen Malzer aus Ostheim bis zu Sonja Reubelt aus Sandberg ordentlich auf den Tisch.

Neues Selbstbewusstsein

Das neue Selbstbewusstsein der Kommunen, auch wenn der Landrat häufig der Parteifreund der Protestierenden  ist, ist auch nach zwei Jahren nicht abgeflacht. Jetzt will – oder muss – der Landkreis die Hände noch weiter aufhalten. Tatsächlich stand im ersten Etat-Entwurf von Kreiskämmerer Marc Huter eine Erhöhung des Hebesatzes von 47,2 auf 52 Prozent, also um ganze fünf Punkte. 

Die Ausgangslage für den Kreishaushalt 2025 ist "so schwierig wie schon sehr lange nicht mehr", sagt Kämmerer Huter, für den es der erste Haushalt seit seinem Wechsel von Ostheim ins Landratsamt ist. Die Steuereinnahmen für die Kommunen stagnieren oder gehen zurück. Auf der Ausgabenseite aber gibt es "eine kaum aufzuhaltende Dynamik nach oben", formuliert es der Kreiskämmerer.

Die Defizit-Übernahme für den Betrieb des MVZ in Bad Königshofen gehört zu den freiwilligen Leistungen des Landkreises Rhön-Grabfeld.
Foto: Gerhard Fischer | Die Defizit-Übernahme für den Betrieb des MVZ in Bad Königshofen gehört zu den freiwilligen Leistungen des Landkreises Rhön-Grabfeld.

Beispiele gefällig? Die Ausgaben für die Kinder- und Jugendarbeit im Landkreis haben sich zwischen 2019 und 2024 von rund 5,7 Millionen Euro auf 9,4 Millionen Euro erhöht, das bedeutet einen Mehraufwand von satten 64,3 Prozent. Auch die sonstigen Sozialausgaben sind um 31,6 Prozent auf fünf Millionen Euro gestiegen. Indirekt ist Rhön-Grabfeld auch von der heftigen Steigerung der Ausgaben durch den Bezirk betroffen. Die Bezirksumlage steigt von rund 19 Millionen Euro auf 21 Millionen Euro, was einer Steigerung von fast zehn Prozent entspricht.

Ein weiteres Beispiel für eine Kostenspirale ist der ÖPNV. Großes Sparpotenzial sieht Rhön-Grabfeld mit der Etablierung des Rufbus-Systems CallHeinz. Statt starrer Linien kommt ein Kleinbus nur auf Vorbestellung, fährt dafür aber fast so zielgenau wie ein Taxi. Und dennoch: Im Haushaltsjahr 2025 macht der ÖPNV nach den Etat-Plänen des Landratsamtes noch einmal rund 1,3 Millionen Euro mehr Minus. 5,7 Millionen Euro (plus 31,7 Prozent) an Defizit sind angepeilt. Im Jahr 2019 waren es gerade einmal rund 380.000 Euro in diesem Sektor.

ÖPNV-Kosten haben sich verachtzehnfacht

Das Azubi-Shuttle-Projekt des Landkreises als freiwillige Leistung schlägt mit 209.000 Euro zu Buche. Die Kosten für den ÖPNV und die Schülerbeförderung haben sich in sechs Jahren verachtzehnfacht für den Landkreis. Kein Wunder, denn der Freistaat hat seine Fördermittel radikal beschnitten. Vom Deutschlandticket profitieren andere. "Die Verdichtungsräume werden begünstigt und gestärkt, während der ländliche Raum hinten runterfällt und sich selbst überlassen wird", klagt Kämmerer Huter und weiß Landrat Habermann hinter sich.

Was bleibt den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, von denen einige auch im Kreistag sitzen, da an Argumenten? Still sich fügen wollten sie vor zwei Jahren nicht. Und in diesem Jahr ist in den vorbereitenden Ausschuss-Sitzungen eine Neuerung zu sehen: Der Kreiskämmerer liefert bei den Haushaltsposten zu Bildung, Verkehr, Kultur oder Umweltfragen gleich eine mögliche Streichliste mit, über die sich die Fraktionen Gedanken machen sollen bis zum großen Tag am 7. April. Es gilt schließlich auch, den Kommunen als Umlagezahlern "ernsten Sparwillen" zu demonstrieren.

Wo nur kann man noch sparen?

Die Gesetze des Bundes brächten auch Rhön-Grabfeld an die "Grenze einer legalen Haushalts-Aufstellung", formulierte es Landrat Habermann kürzlich im Umweltausschuss. Der ist dabei nicht der ideale Ort, um mit dem Sparstift die Kommunen zu entlasten. Drei Millionen Euro für Naturschutzaufgaben bei einem Gesamthaushalt von 110 Millionen Euro bieten da nicht viel. Die 250.000 Euro teure Hebebühne für das Gartenamt, um möglicherweise gefahrenträchtige Bäume ausfindig zu machen, dürfte nicht in Zweifel gezogen werden.

Der Manager-Posten für die Öko-Modellregion, der noch bis 2027 gefördert wird, könnte da schon eher zur Disposition stehen, das deutete zumindest Habermann an. Pläne zum Beispiel für einen neuen Kiosk am Basaltsee wurden erst einmal zusammengestrichen auf grundlegende Reparaturen durch den Bautrupp des Landkreises selbst, wie Kreisbaumeisterin Rebecca Lingerfelt wiederum dem Tourismus-Ausschuss erläuterte.

Die Bemühungen um Einspar-Möglichkeiten sehen auch die Kritiker des Haushalts-Entwurfs, sie fordern aber noch mehr Deutlichkeit. "Der Sparwille muss sichtbar sein, auch wenn es weh tut. Aber er verschafft auch den Kommunen mehr Luft, ihre Aufgaben zu erfüllen", sagte zum Beispiel der Sulzdorfer CSU-Bürgermeister Jürgen Heusinger. Von der Sandberger Bürgermeisterin Sonja Reubelt bekam er Rückendeckung. Sie würde gerne wissen, wie viele Besucher zu welchen Kosten die Kreisgalerie in Mellrichstadt besuchten. Und warum das kleine Café im Kloster Wechterswinkel nicht privat geführt werden könne, fragte sich Reubelt ebenfalls.

Gleiches Sparziel für jede Abteilung?

Wo setzt man bloß an bei einem 110-Millionen-Etat? Es gibt Landkreise in Bayern, die alles über einen Kamm scheren und von jeder Abteilung zehn Prozent an Einsparungen abverlangen. SPD-Kreisrat Egon Friedel könnte damit nichts anfangen. "Die Abteilungen, die über ihre Verhältnisse gewirtschaftet haben, verschmerzen den Einschnitt schnell. Wer aber schon immer gespart hat, ist der Dumme", weiß er aus seiner Zeit in der Industrie. Für die Freie Wählerin Sonja Rahm ist es Vertrauenssache, dass die Verwaltung ehrlich die Sparmöglichkeiten auflistet, die der Kreistag dann absegnet. 

Marc Huter wiederum legt den Fokus auf den politischen Anteil des Landkreis-Etats. "Es erfordert auch den Mut des Gremiums, eine Entscheidung zu treffen", so der Kreiskämmerer bei einer Ausschusssitzung vor einigen Tagen. Immerhin zehn Millionen vom 110-Millionen-Euro-Etat sind freiwillige Leistungen. Dazu gehören der ÖPNV, die Museen, das Kulturzentrum Wechterswinkel oder die Kulturagentur.

Stand Wochenbeginn sieht der Landkreis-Etat nun einen Hebesatz von 51,1 Prozent vor, der in der Haushaltssitzung beschlossen werden soll. Tatsächlich werden Straßensanierungsprojekte erst einmal nach hinten verschoben. Ein paar Zehntausend Euro werden auch bei der Kultur gespart.

3,9 Prozent statt 5 Prozent, der Kampf der Kommunen scheint sich gelohnt zu haben. Damit läge Rhön-Grabfeld gleichauf mit dem Spessart. Die Haßberge stehen im zweiten Jahr bereits auf einem Hebesatz von 50,8 Prozent. Der Landkreis Würzburg will um 6,4 Prozentpunkte auf 50,4 Prozent gehen.

Am 7. April wird das Geheimnis um die Kreisumlage endgültig gelüftet. Das strukturelle Problem mit überbordenden Pflichtaufgaben muss anderswo gelöst werden. Nur bei den freiwilligen Zahlungen könnte man den großen Wurf finden.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
Mellrichstadt
Bad Königshofen
Bischofsheim
Ostheim
Fladungen
Gerhard Fischer
Egon Friedel
Jürgen Heusinger
Kloster Wechterswinkel
Kämmerer
Landratsamt Bad Kissingen
Millionen Euro
Sonja Reubelt
Steffen Malzer
Still GmbH
Taxis (Service)
Thomas Habermann
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Gerhard Zwierlein
    Dabei noch Glück gehabt! Bei der vom Landrat beabsichtigten Kreisstraße um den Kreuzberg haben die Aufklärung über die wahren Eigentumsverhältnisse und die Aufregung und Presse über den Naturschutzverstoß etliche Millionen sparen lassen. Ein MVZ in privater Hand mit Verlustübernahme des Landkreises kann auch nicht teurer sein als die jetzige Führung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten