
Die geplante Wohnanlage in Herschfeld unweit des Rhön-Klinikum Campus ist einen Schritt weitergekommen. Anders als in der Vergangenheit ging es in der jüngsten Stadtratssitzung von Bad Neustadt aber nicht mehr um eine Grundsatzentscheidung, ob das Projekt mit vier höheren Gebäuden und über 70 Wohneinheiten in der Von-Guttenberg-Straße realisiert wird.
Stattdessen behandelte der Stadtrat über drei Stunden lang auf 48 Seiten die eingegangenen Stellungnahmen von Fachbehörden und Bürgerinitiative. Letztere erhob gegen das Gremium und die Verwaltung harte Vorwürfe. Und auch im Stadtrat selbst gab es erneut Misstöne, wenngleich die Beschlüsse mit überwiegender Mehrheit gefasst worden sind.
Warum Gudrun Hellmuth gegen das Projekt in Herschfeld stimmte
Zu Beginn der Stellungnahmen erklärte Stadträtin Gudrun Hellmuth (Freie Wähler), dass sie von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen und alle Beschlüsse ablehnen werde. Sie sprach von einer Gefälligkeitsplanung und einem verfrühten Aufstellungsbeschluss in einer turbulenten Sitzung 2019. In dieser präsentierte der Investor sein bereits konkret ausgearbeitetes Modell.
"Außerdem ist für mich der Grundsatz, dass Gemeinwohl über Einzelinteresse steht, missachtet", so Hellmuth. Ihren Vorwurf, es sei damals undemokratisch gelaufen, wies das übrige Gremium zum Teil entschieden zurück.
Insgesamt 15 Behörden und die Herschfelder Bürgerinitiative hatten sich im Vorfeld geäußert. Eine Frage aus dem Gremium zielte auf einen neuen Fußweg ab, der die Wohnanlage über die Bergstraße mit dem Ortskern von Herschfeld verbinden soll. Jürgen Pröscholdt (SPD) störte sich am zu steilen Weg, der für Kinderwägen, Rollatoren und schwächere Fußgänger ungeeignet sei.
Bürgermeister Michael Werner entgegnete, dass die Topografie mit dem Berg eben bestehe und es im Stadtgebiet und in Herschfeld noch steilere Gegenden gäbe.
Was sagte das Rhön-Klinikum zu den Wohnplänen in unmittelbarer Nähe?
Neben Eingaben, was Umwelt, Land - oder Forstwirtschaft betrifft, äußerte sich auch das Rhön-Klinikum zur geplanten Wohnanlage. Die Klinik wies auf die Von-Guttenberg-Straße als Rettungsweg hin und bat darum, in der Bauzeit Lärm- und Vibrationsbelastungen zu begrenzen. Ansonsten könnte es im Klinikalltag wegen der großen radiologischen Geräte zu Problemen kommen. "Das Rhön-Klinikum steht dem Bauprojekt konstruktiv gegenüber", hieß es abschließend.
Deutlich länger und brisanter fiel die Stellungnahme der Bürgerinitiative aus. Ein Teil der Stadtverantwortlichen unterstütze primär die privaten Interessen eines Investors und stelle sich so über das Allgemeinwohl, so lautete ein Vorwurf. Und: Die Vernachlässigung des Bürgerwillens habe nicht nur den Stadtrat gespalten, sondern auch das Vertrauen etlicher Bürger in die hiesige Stadtpolitik verwirkt.
Die Stadt entgegnete, dass man die Bedenken der Bevölkerung durchaus ernst nehme. Das zeige sich unter anderem in der Reduzierung von fünf auf vier Häuser und deutlich weniger Wohneinheiten, als 2019 geplant. Außerdem sehe man aufgrund des gescheiterten Bürgerentscheids nicht, dass gegen einen breiten Konsens des Bürgerwillens "verstoßen" werde.
So viele Baulücken im Privatbesitz gibt es in der Stadt Bad Neustadt
Kritik richtete sich auch gegen das Argument der Stadt, mit der Wohnanlage dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Die Antwort: Im gesamten Stadtgebiet inklusive Stadtteile gäbe es circa 226 Baulücken im Privatbesitz, vor allem Bauplätze für Einfamilienhäuser. Viele Eigentümer, so die Erfahrung der Stadt, seien an einem Verkauf aber nicht interessiert. Das gelte auch für die rund 200 leerstehenden Gebäude.
Weitere Punkte: Beeinträchtigung des Ortsbilds durch die neuen Häuser und eine zunehmende Verkehrsbelastung. Die Stadt argumentierte mit Verkehrszählungen und Prognosen gegen diesen Kritikpunkt. In der Kirchstraße gäbe es trotz Wohnanlage dann nicht mehr Fahrzeuge im Vergleich zu einer Zählung 2014. Auch die Kreuzung Kirchstraße/von-Guttenberg-Straße weise weiter eine gute Qualität auf. Zudem sei die Von-Guttenberg-Straße breit genug (5,5 Meter), wenn sich Autos und Lkw begegnen.

Das vorliegende Entwässerungskonzept bezeichnete die Initiative als "unstimmig und fehlerhaft". Die Verwaltung wies darauf hin, dass beispielsweise ein Überflutungsnachweis üblicherweise erst im weiteren Verlauf der Genehmigung geprüft wird.
Fazit der Bürgerinitiative: Ein folgenschweres Bauvorhaben für Mensch und Natur mit Verlust von Lebensqualität.
"Wir sollten in Zukunft erst festlegen, wo wir hin wollen und dann kommen die Projekte", kommentierte Rita Rösch die Stellungnahme der Bürgerinitiative. Den Vorwurf der Mauschelei könne sie verstehen. Rechtlich sei aber alles in Ordnung gelaufen.
Bürgermeister Michael Werner weist Vorwürfe zurück und verteidigt den Stadtrat
Das bestätigte auch der Bürgermeister. "Hier gibt es vergleichbare Fälle", sagte Michael Werner. "Wir haben alles abgewägt, behandeln jeden Sachverhalt sachlich und bevorzugen keine Investoren. Von einer Intransparenz kann man nicht sprechen." Laut Bastian Steinbach (CSU) gehe es kaum noch transparenter und offener.
Eine deutliche Schlussbemerkung richtete der Bürgermeister an die Bürgerinitiative, von der einige Mitglieder im Saal anwesend waren. "Das sind harte Vorwürfe gegen jeden einzelnen Stadtrat, der dies ehrenamtlich in seiner Freizeit tut. Das ist nicht angemessen", so Michael Werner.