Die Sitzung eines Kreisausschusses kann eine etwas bürokratische Angelegenheit sein, wenn Gelder für Beratungseinrichtungen vergeben oder endlich Öko-Stoffwindeln für junges Familienglück gefördert werden. Sie kann aber auch zur Sternstunde geraten. Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann (CSU) hat das Ende der öffentlichen Tagesordnung am Montagnachmittag genutzt zu einer fulminanten Generalabrechnung. Seine Tirade gegen eine versagende Bundesregierung erinnerte an die unvergessliche Wutrede des einstigen Bayern-Trainers Giovanni Trapattoni. Nur hatte Habermanns Ausbruch einen bitter ernsten Hintergrund.
SPD-Kreisrat Thorsten Raschert gab quasi den Einsatz für Habermanns Solopart, als er fragte, ob man auch bei Angestellten des Landkreises über betriebliche Impfungen nachdenke, wie es in Schweinfurt zum Beispiel der Fall sei. Es laufe ja jetzt langsam gut mit den Impfungen, so Rascherts allgemeiner Eindruck.
Mit dem ersten Ton schlug Habermann dann ein Fortissimo an, das bis zum Ende nicht wich: "Ehrlich gesagt: nichts läuft gut. Das Impfen läuft schlecht, weil wir keinen Impfstoff haben", schimpfte Habermann und setzte gesprochene "drei Ausrufezeichen" dazu. Wie schlecht es läuft, machte der Landrat mit einem beunruhigenden Satz klar: "In den Kalenderwochen 21, 22, 23 und 24" – also bis Mitte Juni – "haben wir keinen Stoff für Erstimpfungen, sondern nur für Zweitimpfungen". Auch bei den Arztpraxen registriere man eine Stagnation, weil keine weiteren Dosen geschickt würden.
"Wenn man bedenkt, dass wir seit Mitte Dezember ein voll funktionsfähiges Impfzentrum vorhalten, dann ist erst eine lächerliche Zahl von Menschen durchgeimpft", so Habermanns ernüchternde Bilanz: "Es läuft einfach nicht." Tatsächlich sind in Rhön-Grabfeld rund 36 Prozent der Bevölkerung erstgeimpft, bei den Zweitimpfungen ist man mit zehn Prozent erst in den zweistelligen Bereich gerutscht.
Habermann: "Das Ganze wurde völlig versemmelt"
Die Schuldigen dafür findet der Rhön-Grabfelder Landrat in Berlin beim Bund. "Erst werden wir angetrieben, umgehend eine Infrastruktur aufzubauen, dann läuft nix. Und ich will auch keine Schönrederei betreiben. Die Sache wurde völlig versemmelt", findet Habermann markige Worte zum angeblichen Versagen der Bundesregierung.
Und was ihn fast schon spürbar zur Weißglut bringt, sind die Versuche, die Schuld auf die Gesundheitsämter und die kommunalen Behörden abzuwälzen wegen angeblicher Bürokratie. "Das ist ein perfides Ablenkungsmanöver vom eigenen Versagen", schimpfte Habermann. "Das ist alles ein einziges Tarnen und Täuschen. Und eigentlich müsste sich Deutschland schämen, dass es so schlecht läuft", ließ Habermann seinem Ärger Luft.
Selbst gezimmerter Impfnachweis
Mit Recht werde aktuell eine Gerechtigkeitsdebatte geführt. "Ich bekomme täglich E-Mails, dass die Gruppe der Feuerwehrleute priorisiert werden müsste, dass wir in den Großbetrieben aktiv werden müssten. Alles verständlich. Aber wenn hier nichts ankommt, können wir nichts impfen. Und ehrlich gesagt bekommt man angesichts dessen auch mal die Nase voll", zeterte der Kreischef. Den Modellprojekten für Betriebsimpfungen bei Jopp in Bad Neustadt und den Fränkischen Rohrwerken in Königsberg sei nichts weiter gefolgt.
Er fühlt sich in vielerlei Hinsicht alleingelassen. "Nehmen wir das Thema Impfnachweis. Da gibt es null Hilfe oder Anleitung vom Bund. Also entwerfen wir gerade eine Scheckkarte hier im Amt, damit die Bürgerinnen und Bürger etwas vorzeigen können, wenn es Lockerungen und Öffnungen gibt", nennt Habermann ein weiteres Beispiel für die Mängel in der Koordination.
Ende der Impfreihenfolge "Augenwischerei"
Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vom selben Tag, die Impfpriorisierung bis Juni aufzugeben, ist für den Landrat letztendlich nur Augenwischerei. "Anscheinend will man die Leute für dumm verkaufen. Die Impffreigabe führt nicht zu einer Dynamisierung, wenn der Impfstoff schlicht nicht da ist. Und es entsteht nur zusätzlicher Druck auf die Impfzentren und Arztpraxen durch jüngere Impfwillige", glaubt Habermann nicht an einen Erfolg des Strategiewechsels.
Auch beim Thema Arztpraxen schwillt Habermann der Kamm. "Der Deutsche Landkreistag beklagt, dass im Vergleich die Praxen auf dem unterversorgten Land proportional schlechter bedient werden als in Ballungszentren, die proportional überversorgt sind. Das ist verfassungsrechtlich schon bedenklich. Denn jeder Bürger und jede Bürgerin muss den gleichen Zugang zu Impfstoff haben", sagt Habermann. Aber hier verlaufe die Verteilung eben nicht gesteuert vom Bund. Der Landkreistag fordert deshalb zum Ausgleich mehr Impfdosen für die Zentren auf dem flachen Land.
Däumchendrehen und Talkshow-Tourismus
Auch ein Solostück verdient ein kraftvolles Finale. Das hatte Habermann parat mit einem Politiker-Bashing im wenig schmeichelhaften Volkston. "Wir stehen in den Impfzentren bereit und müssen Däumchen drehen. Aber die Minister besuchen eine Talksendung nach der anderen, um eine Show abzuziehen", zürnte Habermann. "Sie reisen von einem Auftritt zum anderen, statt ihre Arbeit zu machen. Wenn ich Kanzler wäre, würde ich meinen Ministern solche hochbezahlten Shows verbieten", sagte Habermann.
Ein furioser Schlussakkord. Nur ein Trapattoni-Satz hat bei Habermann eigentlich gefehlt: "Bundesregierung hat gespielt wie Spritze leer."
An anderer Stelle wwird hier in der MP berichtet, dass sich die Abiturienten beschweren, dass die Mathe-Abiprüfung zu schwer war. Es ging dabei um Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wenn ich das auf das Impfchaos beziehe, müsste also die Lösung heißen: Die Wahrscheinlichkeit, dass das unsere Politiker hinkriegen, liegt bei NULL. Alles klar?
Aufgrund neuer Mutationen sind die bisher verimpften Dosen nicht mehr wirksam und alle benötigen neue Impfungen mit neuen Impfstoffen, erinnert euch an diese Worte
Bremen, VfB, VfL Wolfsburg). Also danach wurde alles gut....die Hoffnung bleibt.
Gut gesprochen Herr Habermann. Sollte Frau Sitter auch mal lesen; das nenne ich Engagement für die Bürger.
Außerdem: Wenn der Impfschachtel nur die vereinbarten Impfbuchaufkleber beiliegen kommt der Arzt, das Impfzentrum, ... schnell in den Verdacht von Mauscheleien. Der verantwortliche Beamte/Angestellte ist dann bei unserer Bürokratie schnell in 3facher Ausfertiugung beizulegen!
Stattdessen nur Schauspieler, Karrieristen und Lemminge.
nicht nur Jens Spahn hat falsche Hoffnungen geweckt. Allen voran war es doch unser Ministerpräsident der zuerst die Priorisierung in den Arztpraxen aufgehoben hat (noch vor dem Bund). Eine Milchmädchenrechnung. Da wird Millionen Bürgern in Bayern Hoffnung gemacht und in Wirkichkeit reicht der vorhandene Impfstoff die nächsten Wochen hauptsächlich für Zweitimpfungen (egal wo) - und verantwortungsbewusste Ärzte werden auch weiterhin nach Priorisierung Erstimpfungen durchführen bzw. brauchen die Zuteilungen nun auch in erster Linie für Zweitimpfungen.
Zum Glück gibt es ja noch Politiker und deswegen besteht doch ab und an die Chance an einer "Impflotterie" teilzunehmen oder vielleicht den richtigen Arbeitgeber zu haben. Dann geht die Impfung auch ohne Priorität - beides im Lkr. HAS geschehen. Das ist sehr sozials von diesen christlich gesinnten Politikern - Ironie aus.
- Impfquote Erstimpfung: 59,29 %
- Impfquote Zweitimpfung: 18,62 %
https://achtung.passau.de/index.php?c=30
liegt das etwa nicht in Bayern??
Das ist fast das doppelte was wir in Rhön-Grabfeld haben.
Soviel zur gerechten Verteilung.
ganz einfach, die hatten eben das Glück wie andere Grenzregionen Sonderkontingente zugewiesen zu bekommen als die Inzidenz dort hoch war. Diese Rationen haben dann gleichzeitig anderswo gefehlt.
Ausgleichen kann man das auch kaum noch weil die Menschen in diesen Regionen auf ihre Zweitimpfungen warten. Das bedeuetet im Zweifelsfall noch mehr Impflieferungen dorthin - die Zweitimpfung ist sehr wichtig was den zeitlichen Abstand betrifft.
Wer dagegen noch nicht erstgeimpft ist kann bis zum St. Nimmerleinstag warten, da eilt es ja nicht.
Hier bist du der "Depp" und kannst dich wenn du Glück hast und Bewohner des Lkr. HAS bist an der "Impfstoffverlosung" beteiligen:
https://www.mainpost.de/regional/hassberge/hassbergkreis-impfstoff-sonderkontingent-ist-vergeben-art-10605373
Vergleich haut also nicht ganz hin...
Das würde den Unterschied nicht erklären.
Seltsam ist das schon.
Außerdem sind jetzt die Inzidenzen so niedrig das man nun auch in anderen Kreisen wieder aufholen könnte, wenn man wollte.