
Der Winter im Jahr 1923 auf dem Kreuzberg begann schon im November und war schneereich wie lange nicht. Wie in der Chronik des Klosters nachzulesen ist, lag der Schnee im Hof bis zu fünf Meter hoch. Da war es höchst beschwerlich, zur Klosterkirche zu kommen. Dennoch machten sich in der Weihnachtszeit vor 100 Jahren mehr Gläubige als sonst auf den anstrengenden Weg. Seit dem Weihnachtsfest gab es in der Klosterkirche nämlich eine neue Attraktion zu bestaunen: Erstmals war dort eine Weihnachtskrippe aufgestellt.

Über die Krippe selbst ist wenig bekannt. Lediglich ein unscharfes Bild existiert. Entsprechend kann auch der heutige Guardian des Klosters, Bruder Korbinian Klinger, bei diesem Thema nur auf die Kloster-Chronik verweisen. Demnach bot im Jahr 1923 das 700-jährige Jubiläum der ersten Krippenfeier, die der Ordensgründer, der Heilige Franziskus im Jahr 1223 im italienischen Greccio abhielt, den "willkommenen Anlass, auch in der Klosterkirche Kreuzberg den Anfang mit einer Krippe zu machen ..."
Jung und Alt stapften durch den Schnee zur Krippe
Auf Anregung des Ordens-Generals spendeten die "Tertiären" (Laiengemeinschaften) für die Krippe. Die Oberweißenbrunner stifteten die Leinwand zum Panoramagemälde von Bethlehem, aus Wildflecken kamen die Bretter für das Podium und Aufbau. Andere spendeten Geld und ein Großspender aus Amerika ermöglichte es, "aus der bekannten Meisterhand des berühmten Krippenbauers, Seb. Ostenrieder, Professor und Architekt in München, eine künstlerische und würdige Krippe zu bekommen." Zunächst schuf der eine Darstellung des Geburtsgeschehens und die Verkündigung durch die Engel. Der Chronist ging damals aber davon aus, dass sich jeder künftige "Lokalobere" um die weitere künstlerische Ausstattung der Krippe kümmern werde.

Und die Chronik belegt auch, wie gut die Neuerung ankam: "Die Rhönbewohner, denen eine solche Krippe etwas Neues ist, wie auch die übrigen Kreuzbergbesucher sind dankbar dafür. Seitdem diese Krippe am Heiligen Abend 1923 durch die Bemühungen des Fr. Medulf zum ersten Mal in elektrischem Licht erstrahlte, war es oft erbauend zu sehen, wie Alt und Jung durch den tiefen Schnee den Berg herauf stampften, nur um diesen Anziehungspunkt des Kreuzberges sehen zu können."
Neue Krippe mit Rhöner Typen von Günter Metz
Heute hat sich manches geändert. Weiße Weihnachten sind selbst auf dem Kreuzberg eine Seltenheit und Besucher kommen gerade im Winter kaum zu Fuß. Geblieben ist die Krippentradition, die seit nunmehr genau 100 Jahren besteht.
Die alte Krippe ist allerdings verschwunden. Da sie am Ende eher einem Sammelsurium an Krippenfiguren glich, finanzierte ein anonymer Spender dem Kloster die Neuanschaffung. Seit 2002 steht in der Weihnachtszeit eine Krippe mit Figuren des Langenleitener Bildhauers Günter Metz vor dem Antoniusaltar in der Klosterkirche. Den aufwändig gestalteten Krippenstall hat Krippenbaumeister Alois Wehner aus Windshausen gebaut, der Hintergrund wurde von Oskar Hartmann aus Hilders gemalt. Und auch diese Krippe zieht viele Besucher an. So viele, dass sie in den Corona-Jahren gar nicht aufgebaut wurde, um Menschenansammlungen zu vermeiden.
Bruder Korbinian versteht die Faszination für Krippen. Sie sind für ihn Sehnsuchtsorte, zeigen sie doch gerade in ihrer Einfachheit eine Geschichte, die zu Herzen geht. Das sei es doch, was wir bei aller Schwere des Lebens so gerne brauchen, ist der Geistliche überzeugt. "So eine Krippe macht etwas mit uns", betont er. Sie liefere "heilende Bilder", die viele Menschen aus ihrem Alltag herausheben und sie wieder zu Kindern werden ließen.
Zwei Franziskaner und ein Bernhardiner gehören zur Krippe
Und sie wecken viele Erinnerungen. Bruder Korbinian erinnert sich gut an das "Kripperlschaun" in seiner Heimat Freising zu Kinderzeiten. Dort seien es oberbayerische Krippen gewesen. Aber auch in der Rhön sei es ein Bedürfnis, das weihnachtliche Geschehen in die heimische Landschaft zu holen. So verlege die neue Kloster-Krippe im Unterschied zu ihrer Vorgängerin das Geschehen von Bethlehem vor 2023 Jahren in die Rhön. Die Szene spielt in einer verschneiten Winterlandschaft am Fuße des Kreuzbergs. Günter Metz hat dazu echte Rhöner Typen geschnitzt, die sich an echte Gestalten anlehnen.

Kurz vor Weihnachten steht die Krippe zwar bereits in der Kirche, aber sie zeigt noch nicht das Geschehen der Heiligen Nacht, sondern die Herbergssuche. Ein grantiger Wirt mit einem Most-Bembel in der Hand weist mit ausgestrecktem Arm Josef und die erkennbar schwangere Maria von seiner Türe. Ein Hirte, umgeben von Rhönschafen, beobachtet die Szenerie. In einer Krippe auf dem Kreuzberger dürfen Franziskanermönche nicht fehlen. Neben zwei Brüdern steht ein Bernhardiner, wie er schon immer zum Kreuzberg gehört hat.
An Heiligabend und zu Dreikönig wird die Krippe umgebaut
An Heiligabend wird die Krippe dann umgruppiert. Dann steht das Jesuskind im Mittelpunkt mit seinen Eltern, die im Stall eine Unterkunft gefunden und die Krippe zur Wiege umfunktioniert haben. Dann verkündet der Engel die Ankunft des Herrn mit dem "Gloria in excelsis deo", und Hirten strömen zur Krippe. Einen weiteren Umbau erfährt die Krippe am 6. Januar. Dann rücken die Heiligen Drei Könige mit ihren prächtigen Gewändern in den Vordergrund.

Nach alter Tradition bleibt die Krippe bis Mariä Lichtmess am 2. Februar stehen. Die Klosterkirche ist täglich von 8.15 bis 18 Uhr geöffnet. Die Klostergaststätte und der Berggasthof Elisäus sind vom 24. bis 26. Dezember geschlossen.