Vor knapp vier Jahren beschloss der Stadtrat die Erstellung eines Integrierten Mobilitätskonzeptes (IMK) für das gesamte Stadtgebiet. Seitdem beschäftigte sich nicht nur das Gremium mit der künftigen Stadtentwicklung, sondern auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger. Verkehrszählungen gingen ins Land, verschiedenste Analysen, Arbeitsgruppen-Sitzungen, Workshops und Gespräche mit den Akteuren. Nun liegt der Abschlussbericht des beauftragten Büros R+T Verkehrsplanung aus Darmstadt vor. Am Donnerstag wurde er den Stadtratsmitgliedern vorgestellt. Diese stimmten im Anschluss dem Inhalt einmütig zu.
Was sind die Ziele des Mobilitätskonzeptes?
"Wie gestalten wir Mobilität in Bad Neustadt besser?" Das sei die Aufgabenstellung des Konzeptes, führte Ralf Huber-Erler von R+T Verkehrsplanung eingangs aus. Die Ziele im Einzelnen seien die Mobilitäts-Gewährleistung aller Einwohner, vor allem der "schwächeren" Verkehrsteilnehmer, wie Kinder, ältere Menschen oder mobilitätseingeschränkte Personen. Des Weiteren die Abstimmung der verschiedenen Verkehrsmittel Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und Kfz-Verkehr aufeinander und der Ausbau eines zusammenhängenden Netzes für alle Verkehrsmittel. Auf der Agenda stehen noch die Optimierung des bestehenden ÖPNVs, die klimafreundliche Entwicklung des Verkehrs und damit auch die Reduzierung des Autoverkehrs in der Stadt.
Wie ist es um die Mobilität in Bad Neustadt bestellt und was sollte verändert werden? Darauf ging Jenny Büttner von R+T Verkehrsplanung ein.
Fußverkehr: Barrierefreiheit und Aufwertung des Marktplatzes
Der Fußverkehr habe eine "attraktive Altstadt mit Fußgängerzonen und großflächig verkehrsberuhigten Bereichen". Die Zugänge zur Altstadt könnten für Fußgänger attraktiver gestaltet werden. Auch seien die Wartezeiten an Ampeln häufig zu lange und die Grünzeiten zu kurz. Generell sei in Gesprächen die Altstadt immer wieder ein zentrales Thema gewesen, erklärte Büttner.
Als Maßnahmen empfiehlt das Mobilitätskonzept unter anderem die Schaffung von zusätzlichen barrierefreien Wegen und eine besondere Gestaltung der Zugänge zur Altstadt, eine Aufwertung des Marktplatzes und der Hohnstraße mit Entsiegelung, Begrünung und Bespielung, die Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Kellereigasse, die barrierefreie Gestaltung von Knotenpunkten und wichtigen Achsen, die Erhöhung der Verkehrssicherheit (auch für Schülerinnen und Schüler) sowie eine Umgestaltung des Bahnhofsumfelds und eine fußläufige Anbindung zur Innenstadt.
Radverkehr: Lückenschlüsse an den wesentlichen Routen
Im Bereich Radverkehr stellt das IMK eine attraktive Anbindung außerorts an die Ortsteile mit vielen Radwegen abseits von Straßen heraus. Es würden jedoch Lückenschlüsse entlang wesentlicher Routen fehlen. Insbesondere an großen Kreuzungen mangele es an Überleitungen für Radfahrer.
Hier schlägt das Mobilitätskonzept unter anderem die Herstellung von Querungshilfen auf wichtigen Fahrradachsen, Radrouten zur Anbindung der Stadtteile, Schulen und des Bahnhofs, eine Verbesserung des Angebots an Radabstellanlagen, eine gesicherte Radverkehrsführung im Bahnhofsumfeld, die Erstellung eines Radverkehrskonzeptes und die Optimierung der Beschilderung und Wegweisung vor. Insgesamt soll der Alltagsverkehr auf dem Rad gestärkt werden.
ÖPNV: Ein Shuttle von den Parkplätzen in die Altstadt von Bad Neustadt
Beim ÖPNV lobt das Konzept die hohe Erschließungsqualität durch ein eigenes Stadtbusnetz und die umsteigefreie Erreichbarkeit zahlreicher Ziele im Stadtgebiet. Demgegenüber seien die Fahrpläne im Stadtbusverkehr eher unübersichtlich. Eine Abstimmung der Fahrpläne zur Unterstützung des Umsteigens von Bus und Bahn fehle. Ebenso Bahnhaltepunkte in den Umlandgemeinden.
Geraten wird zu einer Weiterentwicklung und einem "Neudenken" des Stadtbusverkehrs, einer ÖPNV-Anbindung der Gewerbegebiete, einem ergänzenden Angebot für die Stadtteile Dürrnhof, Lebenhan und Löhrieth, einer weiteren Vertaktung und Verdichtung des Angebots auf den Regionalbuslinien, einem 30-Minuten-Takt für Busse in der Kernstadt und darüber hinaus alle 60 Minuten, der Einrichtung zusätzlicher Bahnhaltepunkte, dem Einsatz umweltfreundlicher ÖV-Fahrzeuge und einer Machbarkeitsstudie eines Shuttles von umliegenden Parkmöglichkeiten in die Altstadt.
Mobilitätsverbund: Weiterer Ausbau des Carsharings
Positiv wird im Mobilitätskonzept herausgestellt, dass die Elektroinfrastruktur an vielen Stellen vorhanden sei. Am Bahnhof und am ZOB seien Bike & Ride sowie Park & Ride gegeben. Negativ: Die Radabstellanlagen am Bahnhof seien modernisierungsbedürftig. Es gebe kein systematisches Fahrradverleihsystem und kein einheitliches System der Ladestationen.
Empfohlen werden ein zusätzliches Angebot an Ladestationen, ein weiterer Ausbau des Carsharings, die Einrichtung einer Mobilitätszentrale am ZOB und eines Mobilitätshubs, das heißt eines Knotenpunktes, an dem gemeinsam genutzte Fortbewegungsmittel zur Verfügung stehen. Insgesamt sollen neue Mobilitätsangebote geschaffen werden.
Autoverkehr: Die Dominanz der Kfz-Infrastruktur reduzieren
In den Wohngebieten bestehen nahezu flächendeckend Tempo 30-Zonen, stellt des IMK heraus. Auch gebe es eine gute überörtliche Anbindung über die B279. Auf den verkehrswichtigen Straßen herrsche mehrheitlich ein reibungsarmer Verkehrsablauf. Zudem seien ausreichend Parkstände in den Randbereichen der Kernstadt vorhanden. "Die Analyse ergab nur wenige Defizite", betonte Jenny Büttner. Ein Defizit sei, dass in zentralen Bereichen – Marktplatz, Otto-Hahn-Straße – mit der Parkplatzsuche die Auslastung recht hoch sei.
Maßnahmeansätze seien ein verkehrsberuhigter Bereich in der gesamten Altstadt, eine Erweiterung von Tempo-30-Zonen in der Kernstadt, eine zusätzliche Änderung der Verkehrslenkung außerhalb der Altstadt, der Ausbau des Parkleitsystems mit einer Lenkung außerhalb der Altstadt, ein Parkraumkonzept für die Altstadt, konsequente Kontrollen und Ahndungen im Kfz-Verkehr und eine Optimierung des motorisierten Hol- und Bringverkehrs am Schulberg. Insgesamt soll die Dominanz der Kfz-Infrastruktur reduziert und die Altstadt neu gedacht werden.
Was kann relativ schnell umgesetzt werden und was ist wichtig?
Als Sofortmaßnahmen schlägt das IMK beispielsweise die Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger durch eine Überprüfung der Gehwegbreiten und der Sicht vor, die Herstellung von Querungshilfen auf wichtigen Fahrradachsen, die Erstellung eines Radverkehrskonzeptes, die Einrichtung einer leicht verständlichen Auskunft zu ÖPNV-Abfahrtszeiten an den Haltestellen und den Ausbau eines Parkleitsystems mit Lenkung der Autos außerhalb der Altstadt.
Schlüsselmaßnahmen seien unter anderem die Schaffung von zusätzlichen barrierefreien Zuwegungen zur Altstadt, die Aufwertung des Marktplatzes und der Hohnstraße, die barrierefreie Gestaltung von Knotenpunkten, Radrouten zur Anbindung der Stadtteile, der Schulen und des Bahnhofs, ein verkehrsberuhigter Bereich in der gesamten Altstadt, ein Parkraumkonzept für die Altstadt und Geschwindigkeitsreduzierungen in der Kernstadt und in Herschfeld.
Diskussion: Konfliktpotential bei der Reduzierung von Parkplätzen
Stadtrat Alexander Barthelmes (CSU) hob in der anschließenden Diskussion heraus, dass eine Reduzierung von Parkmöglichkeiten in der Innenstadt Konfliktpotential beinhalte. "Wenn es kommt, wird es nicht einfach", meinte er. Rita Rösch (SPD) forderte, dass nun zügig konkrete Maßnahmen formuliert werden sollen. Außerdem sagte sie: "Der Verkehr wird nur dann weniger, wenn alle diesen ein Stück weit vermeiden." Es brauche niemand Angst zu haben, dass das Werk in der Schublade lande, entgegnete Bürgermeister Michael Werner. "Mit dem Mobilitätskonzept haben wir ein gutes Handwerkszeug für die Zukunft."