
Vor rund drei Jahren diskutierte der Stadtrat von Bad Neustadt über eine Verkehrsberuhigung für den Stadtteil Herschfeld. Daraus entstand die Entwicklung eines Integrierten Mobilitätskonzeptes für die gesamte Stadt. Nach Verkehrszählungen und Gesprächen mit unterschiedlichen Beteiligten ist nun die Meinung der Bevölkerung gefragt.
Neben der noch bis Mitte März laufenden Online-Befragung fand jüngst ein Bürgerworkshop statt. In diesem Rahmen stellte das Planungsbüro R+T den rund 50 Anwesenden – darunter auch Stadträte und städtisches Personal – die aktuellen Ergebnisse vor. Einige Stühle in der Stadthalle blieben leer, die interessierten Bürgerinnen und Bürger diskutierten aber lebendig über Probleme und Chancen in Sachen Mobilität.
Verbesserungspotenzial, wenn man zu Fuß in Bad Neustadt unterwegs ist
Was den Fußverkehr betrifft, wünschen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Verbesserung durch Querungshilfen und mehr Barrierefreiheit im öffentlichen (Straßen-)Raum. Einen Fokus soll es auch geben auf Klima- und Umweltschutz in der Altstadt durch Entsiegelung und Begrünung. Außerdem gewünscht: Sichere Schulwege und breitere Gehwege. Denn mit der Begrenzung durch Bäume oder Gartenmauern gehe es mitunter eng zu.

Die Stadt denke grundsätzlich an die Barrierefreiheit, so die Analyse des Büros. Das Altstadtpflaster sei teilweise aber schwer begehbar (zum Beispiel für Rollatoren oder Kinderwagen) oder es gäbe viele, enge Treppen wie an der Stadtmauer. Gelobt werden die Fußgängerzonen, verkehrsberuhigte Bereiche mit vielen Sitzmöglichkeiten, die kompakten Strukturen in der Kernstadt und eine gute Anbindung an den ZOB.
Wenn Radwege in Bad Neustadt plötzlich enden
Viele Planungsziele gibt die Bevölkerung den Experten und der Stadt für den Bereich Radverkehr mit auf den Weg. Vorrangiges Ziel ist die Schaffung eines lückenlosen Radverkehrsnetzes auf wichtigen Achsen. Denn bislang, so die Kritik, enden die Wege teilweise plötzlich. An wesentlichen Routen fehlen Lückenschlüsse.
Weitere Ziele: Den Alltagsverkehr auf dem Rad und die Zufahrt zum Bahnhof stärken, die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Radverkehrs an Knotenpunkten oder "neue" Dinge wie eine Fahrradstraße oder Radschnellwege ins Auge fassen.

Viele Stimmen entfallen auf die Forderung, Radfahrstreifen an Hauptstraßen zu etablieren. Ein Punkt, den auch das Planungsbüro moniert. Es würden Überleitungen des Radverkehrs an großen Kreuzungen, wie beispielsweise an der Meininger Straße, fehlen. Lob gibt es für die Radanbindung außerorts an die Ortsteile und viele Radwege abseits von Straßen.
Was sagen die Verkehrsexperten zum Autoverkehr in Bad Neustadt?
Viele positive Dinge, das dürfte die Öffentlichkeit eher überrascht haben, attestieren die Verkehrsplaner der Stadt, was den fließenden Autoverkehr angeht. In Wohngebieten gilt fast überall Tempo 30, es herrscht eine gute überörtliche Anbindung an die Bundesstraße und der Durchgangsverkehr findet vorrangig auf dem Hauptstraßennetz statt. Und: Mehrheitlich läuft der Verkehr auf verkehrswichtigen Straßen reibungsarm ab. Moniert wird der Wirtschaftsverkehr in der Innenstadt und die Lade- und Liefervorgänge in der Altstadt.
Verkehr in der Altstadt von Bad Neustadt auf den Prüfstand stellen
Vonseiten der Bevölkerung gibt es unterschiedliche Ziele, die man sich für die Zukunft wünscht. Mehrheitlich einig ist man sich, dass die Dominanz der Kfz-Infrastruktur und des Autoverkehrs im Allgemeinen reduziert werden soll. Offen diskutieren sollte man, was den Verkehr in der Altstadt angeht. Schlagwort: "Altstadt neu denken." Eher kein Thema ist die Einrichtung ausgewiesener Lade- und Lieferzonen in der Altstadt.
Verbesserungspotenzial sehen Planer und Bürgerschaft beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Kritisiert werden die eher unübersichtlichen Fahrpläne, die fehlende Direktverbindung zwischen den einwohnerstarken Stadtteilen im Nordwesten und fehlende Abstimmung der Fahrpläne mit Anschlussbussen und der Bahn.
Den Menschen fehlt ein Kombiticket für Bus und Bahn
Ausbaufähig ist die Barrierefreiheit, vor allem im Hinblick auf den Ausbau der Bushaltestellen. Zudem fehlt den Menschen ein Kombiticket Bus/Bahn, weswegen man den Schienenverkehr in den Verbundtarif integrierten sollte. Auch über eine stärkere Digitalisierung (Apps, Echtfahrpläne) sollte man nachdenken.
Was ist gut? Die hohe Erschließungsqualität durch das eigene Stadtbusnetz, die tägliche Bedienung der einwohnerstarken Stadtteile oder eine 30-Minuten-Taktung für nachfragestarke Stadtbereiche unter der Woche. Auch die umsteigefreie Erreichbarkeit zahlreicher Ziele im Stadtgebiet wird gelobt.
Kaum Probleme mit Parkplätzen in der Stadt Bad Neustadt
Parkplätze sind genügend vorhanden, so lautet das Fazit der Planer für den Bereich "Ruhender Verkehr". Die Gesamtauslastung beträgt zur Stoßzeit 10 Uhr maximal 70 Prozent. Zudem sei das Parkleitsystem verbesserungswürdig, die Stadt könnte die Fahrerinnen und Fahrer besser zu Parkplätzen außerhalb der Altstadt lenken.
Trotz des Status als Modellstadt zeigt sich das Planungsbüro aus Darmstadt überrascht über die vielen in Bad Neustadt zugelassenen Elektrofahrzeuge. Mit 1114 läge die Stadt deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt. Sie verfügt derzeit über 53 Ladepunkte – das sind 26 öffentliche/halböffentliche Ladestationen.

Glaubt man (EU-)Forderungen, sind dies zu wenig. Jedoch ist noch nicht klar, wohin sich die Zahl von E-Autos in den kommenden Jahren entwickeln werde. Moniert wird, dass die Ladestationen keinem einheitlichen System folgen.
Mehr Carsharing und ein Fahrradverleihystem?
Positiv wird gesehen, dass E-Fahrzeuge auf öffentlichen Stellplätzen kostenlos parken dürfen und dass es Bike & Ride beziehungsweise Park & Ride am Bahnhof und ZOB gibt. Dennoch könnte man über eine Erweiterung des Carsharing-Angebots oder über die Einführung eines Fahrradverleihsystems nachdenken.
Zum Jahresende soll das Mobilitätskonzept zum Abschluss kommen. Vorher kann sich die Bevölkerung dann noch einmal aktiv beteiligen.