
Ein neues Bundesgesetz soll künftig Betreuungslücken für Grundschulkinder schließen. Ab August 2026 haben Erstklässler einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gegenüber ihrer Gemeinde, der bis zum Schuljahr 2029/30 stufenweise auf alle Grundschüler erweitert wird. Dabei ist ein Betreuungsumfang von acht Stunden an Werktagen vorgesehen, wobei die Unterrichtszeit hierbei inbegriffen ist. Zudem soll verpflichtend eine Ferienbetreuung angeboten werden. Die Schließzeiten der Einrichtungen sind auf maximal 20 Tage pro Jahr begrenzt.
Umgesetzt werden muss das Gesetz, das 2021 beschlossen wurde, von den Kommunen. Für die Stadt Mellrichstadt bedeutet das, dass deutlich mehr Hortplätze gebraucht werden als bisher. Doch wo sollen so viele Kinder nach der Schule betreut werden? Eine Frage, die Bürgermeister Michael Kraus und VG-Geschäftsstellenleiter Peter Hehn umtreibt, wie eine Anfrage dieser Redaktion zeigt.
2008 wurde der erste Hort-Raum in Mellrichstadt eröffnet
Eine Ganztagsbetreuung ist in Mellrichstadt schon seit 2008 möglich. Damals wurde ein erster Gruppenraum in der Grundschule Mellrichstadt renoviert und zum Hort umgestaltet. Die evangelische Kirchengemeinde ist Trägerin der Einrichtung, die im Laufe der Jahre immer mehr Zulauf erfahren hat und entsprechend erweitert wurde. Derzeit können 100 Kinder im Hort in der Friedenstraße, der Räume in der Grundschule und der benachbarten Realschule umfasst, nach dem Unterricht betreut werden. Gerade einmal fünf freie Plätze zeugen davon, dass dieses Angebot in der Stadt gebraucht wird.

Bis 2029 muss Mellrichstadt allerdings laut Gesetz deutlich mehr Hortplätze vorhalten. Bürgermeister Michael Kraus macht die Rechnung auf: Rund 240 Kinder besuchen die Malbach-Grundschule in Mellrichstadt, für rund 80 Prozent der Mädchen und Jungen werde erfahrungsgemäß ein Hortplatz gebraucht. Das würde bedeuten, dass sich die Zahl der angebotenen Hortplätze mindestens verdoppeln müsste.
Ganztagsbetreuung ist schon jetzt an der Kapazitätsgrenze
Doch woher den Platz dafür nehmen? "Wir betreiben den Hort schon jetzt in zwei Häusern und sind an der Kapazitätsgrenze", macht der Stadtchef deutlich. Klassenzimmer in Grund- und Realschule können zudem laut Kraus nicht einfach nach Unterrichtsende als Horträume genutzt werden. Dafür gebe es gewisse Anforderungen, Auflagen und Vorgaben, die erfüllt werden müssen. "Wir haben momentan noch keine Lösung, wie wir ab 2026 den gesetzlichen Vorgaben gerecht werden können", sagt dazu auch VG-Chef Peter Hehn.
Was also käme für eine Hort-Erweiterung infrage? Derzeit sucht die Stadt nach Möglichkeiten. Bürgermeister Michael Kraus hatte zuletzt bei der Bürgerversammlung in Mellrichstadt das St. Niklas-Seniorenheim ins Gespräch gebracht, damals noch in der Annahme, dass das Gebäude ab diesem Herbst leer stehen würde. "Hier gibt es Turnsäle und Gemeinschaftsräume, was eigentlich ideal für die Einrichtung des Horts gewesen wäre", so Kraus. Mit dem Weiterbetrieb des Heims bis 2026 ist diese Option aber erst einmal nach hinten gerückt.
Neubau dauert lange und kostet Millionen
Einen Neubau möchte die Stadt vermeiden. Solch ein Projekt in so kurzer Zeit umzusetzen, sei nahezu unmöglich und zudem schlichtweg zu teuer. "Allein die Planung, bis der Bau losgehen könnte, würde gut vier Jahre dauern", nennt Peter Hehn einen zeitlichen Rahmen. "Zudem würde ein Neubau mehrere Millionen Euro kosten." Angesichts der hohen Investitionen in die Kindergärten und Schulen der Stadt, die in diesem und den kommenden Jahren im Haushalt niederschlagen, sei das finanziell kaum zu stemmen.

"Auf die Gemeinden wird vom Bund eine Aufgabe heruntergebrochen, die sehr viel Geld kostet", sagt Hehn. Was zur Folge haben könne, dass künftig jede Gemeinde erst einmal für ihre eigenen Kinder sorgt.
Stadt und VG-Gemeinden suchen nach Lösungen
Bislang sei das aber noch kein Thema. In Mellrichstadt laufen bereits Gespräche zwischen der Stadt und den VG-Gemeinden Oberstreu, Stockheim und Hendungen, deren Kinder ebenfalls die Malbach-Grundschule besuchen. Bürgermeister, Schulleitung und Hortträger beraten, wie es möglich gemacht werden könnte, dass die Hortplätze in Mellrichstadt für alle reichen und wie die Ganztagsbetreuung generell in der Zukunft gestemmt werden kann.
"Falls wir keine Möglichkeiten finden, müssen wir aber auch über Alternativlösungen nachdenken", macht Kraus deutlich. Was bedeuten könnte, dass die rund 60 Kinder, für die Mellrichstadt ab dem Schuljahr 2026/27 Plätze im Hort vorhalten muss, Vorrang vor den Kindern aus den umliegenden Gemeinden haben. Das wolle zwar niemand, aber "klar ist, dass es immer mehr Platzbedarf in den kommenden Jahren geben wird", so Kraus. Im Jahr 2020 hatten 56 Hortplätze noch ausgereicht. Seither wurde das Angebot auf 75 und zuletzt auf 100 Kinder erweitert.