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Bad Neustadt
Flüchtlinge in Rhön-Grabfeld: Die mühsame Arbeit der Integration hat so viele Hürden
Rund 360 Menschen im Asylverfahren, dazu rund 1000 Frauen, Kinder und Männer aus der Ukraine: Die behördliche und ehrenamtliche Betreuung verlangt den Leuten viel ab.
Eike Dombrowski und Cornelia Klötzke (Amt für soziale Angelegenheiten, Flüchtlings- und Integrationsfragen beraten die Asylbewerberin Mafea Khudida (rechts).
Foto: Gerhard Fischer | Eike Dombrowski und Cornelia Klötzke (Amt für soziale Angelegenheiten, Flüchtlings- und Integrationsfragen beraten die Asylbewerberin Mafea Khudida (rechts).
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:58 Uhr

Sie kommen aus 20 Nationen, die Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Welt. Um rund 360 Frauen, Männer und Kinder, die in Deutschland Asyl suchen, kümmern sich die Integrationsberater Cornelia Klötzke und Eike Dombrowski im Landkreis. Dazu kommt noch die Tätigkeit von Jessica Wolf. Sie koordiniert die Ehrenamtlichen im Landkreis, die sich für die Menschen aus den Krisenregionen der Welt einsetzen. Nicht mitgezählt sind die rund 1000 Flüchtlinge aus der Ukraine, die hier seit Kriegsausbruch Zuflucht gefunden haben. 

Flüchtlinge in Rhön-Grabfeld: Die mühsame Arbeit der Integration hat so viele Hürden

Fünf größere Gemeinschaftsunterkünfte

Vier größere Gemeinschaftsunterkünfte betreibt der Landkreis Rhön-Grabfeld: In Mellrichstadt, in Saal, in Fladungen und in Bad Königshofen. Dazu kommen Häuser in Stockheim, Ostheim, Unterelsbach, Nordheim, Heustreu und Mellrichstadt. Die Flüchtlingsunterkunft in Burgwallbach, ebenfalls mit einer größeren Anzahl von Flüchtlingen ähnlich einer Gemeinschaftsunterkunft,  wird von der Caritas betreut. In den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises sind 260 Flüchtlinge untergebracht, in den dezentralen Unterkünften 98 Menschen.

Der ehrenamtliche Übersetzer Ahmad Al Daher aus Mellrichstadt lebt seit acht Jahren in Deutschland und engagiert sich bis heute als Arabisch-Dolmetscher. Darüber freut sich auch die Integrationslotsin des Landkreises Rhön-Grabfeld, Jessica Wolf.
Foto:  Gerhard Fischer | Der ehrenamtliche Übersetzer Ahmad Al Daher aus Mellrichstadt lebt seit acht Jahren in Deutschland und engagiert sich bis heute als Arabisch-Dolmetscher.

20 Nationen sind vertreten, einen Schwerpunkt bilden Menschen aus Afghanistan (104) und Syrien (70). In der Gemeinschaftsunterkunft Mellrichstadt überwiegen die Männer. Von den 94 Bewohnerinnen und Bewohnern sind 59 Männer, 35 Frauen, unter 18 Jahren sind hier 32 Personen. In der Gemeinschaftsunterkunft Bad Königshofen ist das Verhältnis jedoch umgedreht. Von den 78 Bewohnern sind 48 weiblich, 30 sind Männer, unter 18 Jahren sind hier 21 Personen.

Die eigentliche Integration kommt zu kurz

"Die eigentliche Integrationsarbeit kommt häufig zu kurz", fasst es Eike Dombrowski zusammen. Vor allem die Begleitung der Menschen bei Behördengängen mache einen Gutteil seines Arbeitstages aus. Es geht um die Verlängerung von Ausweisen, um Hilfe beim Ausfüllen eines Antrages an die Asylbehörde.

Bei einem anderen Klienten ist ein Ablehnungsbescheid eingegangen, also muss das juristische Weitergehen beraten werden. In einem weiteren Fall sind Eltern und Kinder krank und brauchen Hilfe. Bei 50 bis 70 Klienten am Tag bekommt man einen Eindruck für das Arbeitspensum der beiden Integrationsberater Klötzke und Dombrowski. 

"Es ist praktisch unmöglich, einen schnellen Kinderarzttermin zu bekommen. Das ist belastend, auch wenn das vielen deutschen Familien genauso geht", so Dombrowski. Immer wieder aufwändig sei insbesondere die Anfahrt von den dezentralen Unterkünften zu den Behörden. Oftmals seien Ehrenamtliche gefordert, die zum Beispiel Fahrdienste übernähmen.

Das Problem mit einem Sozialticket

Ein Sozialticket würde Dombrowski befürworten. Die Kreistags-SPD hat dazu schon mehrere Anläufe gestartet. Landrat Thomas Habermann verwies aber auf rechtliche Bedenken, weil das zu einer Doppelförderung von Sozialhilfeempfängern führen könnte, denn im Sozialhilfesatz ist der ÖPNV schon eingerechnet.

"Oft versuchen wir, mit Händen und Füßen zu kommunizieren, die Sprachkenntnisse sind ein wichtiger Faktor für Integration", so Dombrowski. Umso bedauerlicher sei es, dass viel zu wenige Sprachkurse angeboten würden. Die müssten wiederum gewisse Voraussetzungen erfüllen, um anerkannt zu sein. Im Kreisausschuss hatte es Landrat Thomas Habermann so zusammengefasst: "Lieber kein Sprachkurs als einer, der nicht jede behördliche Vorgabe erfüllt", kritisierte er das Zuviel an Bürokratie.

Zu wenig Sprachkurse und ungewisse Förderprogramme

Das Angebot an Sprachkursen hänge auch von Bundesförderprogrammen ab, deren Zukunft immer wieder ungewiss sei. Genauso verhalte es sich mit den beiden Stellen der Integrationshelfer am Landratsamt. Ende des Jahres laufe das Programm aus, eine Weiterführung sei noch nicht klar, am Bedarf zweifelt aber auch im Landratsamt niemand.

Ebenfalls bis Ende dieses Jahres läuft das Förderprojekt für Jessica Wolf, die als Integrationslotsin am Landratsamt arbeitet. Sie ist die Schnittstelle zwischen den Asylbewerbern beziehungsweise ukrainischen Kriegsflüchtlingen und den Ehrenamtlichen, die sich in ihren Gemeinden für die geflüchteten Menschen einsetzen.

Die Ortskräfte aus Afghanistan in Bad Königshofen

Wolf erinnert sich noch lebhaft an die Tage, als praktisch von Heute auf Morgen afghanische Ortskräfte im ehemaligen Haus St. Michael in Bad Königshofen unterkommen mussten. Wolf half dabei, den Bad Königshöfer Helferkreis wieder zu aktivieren und im Gespräch mit Bürgermeister, dem Jobcenter und der Vhs Netzwerke aufzubauen.

 "Wir haben eine Hochschwangere kurzfristig versorgt und Kinderimpfungen innerhalb kürzester Zeit organisiert", berichtet Wolf. "Ich halte Kontakt zu Kindergärten und Schulen, Kinderärzten, den Hausverwaltungen bis zur Krankenkasse", sagt die Integrationslotsin.

Eine Herausforderung kam dann am 24. Februar 2022 mit dem Beginn des Ukrainekriegs. Neue Helferkreise wurden ins Leben gerufen, viele Einzelhelfer engagierten sich im Alleingang für die Ukrainerinnen und Ukrainer. "Sehr erfolgreich war der Integrationslotsen-Newsletter mit aktuellen Infos für die Ehrenamtlichen im Landkreis", resümiert Wolf.

Der Wert der Ehrenamtlichen

Ohne die Ehrenamtlichen sei die Arbeit nicht zu bewältigen, sagt Wolf. Als Beispiel führt sie Ahmad Al Daher auf. Seit rund acht Jahren lebt der Mann in Mellrichstadt, arbeitet bei der Firma Reich und engagiert sich in seiner Freizeit als Dolmetscher für Arabisch. 

"Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine bemerken wir überall Ermüdungserscheinungen, auch bei den Ehrenamtlichen", so Wolf. Die seien aber weiterhin gefordert, denn die Zahl der Fälle reiße nicht ab. Wolf freut sich, dass im Dezember nach den Lockdown-Monaten erstmals ein Helfertreffen für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer stattfinden konnte.

Landkreisübergreifender Austausch

"Ich hoffe, dass das Jahr 2023 besser planbar wird als das vorausgegangene. Und ich möchte gerne einen landkreisübergreifenden Austausch zwischen Ehrenamtlichen ermöglichen", so Jessica Wolf abschließend.

Wer sich als Ehrenamtlicher oder Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit im Landkreis Rhön-Grabfeld engagieren will, kann sich an die Integrationslotsin Jessica Wolf am Landratsamt Rhön-Grabfeld wenden:
Tel.: 09771 94-225
E-Mail: jessica.wolf@rhoen-grabfeld.de 

 
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