
Warum besteht ein so großer Unterschied, was die durchschnittliche Lebenserwartung von Einwohnern aus Deutschland (81,3 Jahre) im Vergleich zu Haiti (64) oder Sierra Leone (54,7) anbelangt? Blitzschnell gingen die Hände von Schülern der vierten Klasse aus Burglauer in die Höhe. Kein hochwertiges Essen, viel Arbeit, verseuchtes Trinkwasser oder keine gute medizinische Versorgung waren nur einige von vielen Erklärungen der Schüler.
Sie hatten zuletzt ihren großen Auftritt im Landratsamt Rhön-Grabfeld, als der Landkreis im dortigen Foyer erstmals eine Ausstellung zum Thema Fairtrade eröffnete. Jedes Kind stand stellvertretend für ein ausgewähltes Land und setzte sich an einen gedeckten Gabentisch. Das Besondere: Die Stuhlhöhen waren an die jeweilige Lebenserwartung gekoppelt. So saß "Deutschland" auf 45 Zentimeter Höhe, Sierra Leone lediglich auf knapp über 18 Zentimeter.
Rhön-Grabfeld eifert der Stadt Bad Neustadt nach
Unter anderem mit dieser Aktion will der Landkreis Rhön-Grabfeld auf das Thema fairen Handel aufmerksam machen. Hintergrund: Im Herbst 2020 stimmte der Kreistag nach einem Antrag von Karl Breitenbücher mit großer Mehrheit dafür, dass sich Rhön-Grabfeld - wie es bereits die Stadt Bad Neustadt vor einigen Jahren erfolgreich getan hat - für die Zertifizierung als Fairtrade-Landkreis bewirbt. "Mit dieser Entscheidung haben wir ein klares Zeichen gesetzt gegen ausbeuterische Kinderarbeit und Schwerstarbeit für einen Hungerlohn", sagte der stellvertretende Landrat Josef Demar.
Man setze sich für eine faire, nachhaltigere und sozialverträglichere Welt ein. "Ich freue mich, dass insbesondere die Kinder beim Thema Fairtrade einbezogen werden. Sie sind es doch, die uns Erwachsene in vielerlei Hinsicht oft zum Nachdenken bringen", so Demar weiter.

"Der faire Handel ist eine Möglichkeit, solidarisch, gemeinwohlorientiert und respektvoll miteinander umzugehen und Dinge gemeinsam umzusetzen", machte Norbert Dietzel, Mitglied der Steuerungsgruppe im Landkreis, deutlich.
Wie die Stadtschokolade von Bad Neustadt den Menschen in Ghana helfen soll
Er meinte damit unter anderem die faire Stadtschokolade von Bad Neustadt, die neuerdings mit Fotos von Schülerinnen und Schülern und vom Künstler Friedhard Meyer erhältlich ist. Die Schokolade entsteht in Zusammenarbeit mit dem Münchner Sozialunternehmen "Fairafric".
Dieses setzt sich dafür ein, dass die Produktion von Schokolade nach Ghana verlagert wird und so der Anteil Afrikas an der Wertschöpfung in der Schokoladenindustrie steigt. Denn rund 70 Prozent des weltweiten Kakaos stammen aus Afrika, nur weniger als ein Prozent der weltweiten Schokolade wird auch in Afrika produziert.

Als zweites Beispiel nannte Dietzel erhältliche Kakao-Bohnen von "Perú Puro". Das ist Bio-Edelkakao, der ökologisch angebaut und direkt, fair und ohne Zwischenhändler nach Europa gebracht wird. "Wir alle zusammen wollen dafür sorgen, dass das Ganze fairer wird und die Menschen in diesen Ländern eine Zukunftsperspektive bekommen", so Dietzel.
So setzt die Firma Pecht das Thema Nachhaltigkeit um
Gemeint ist hier auch der Einzelhandel, in dem fair produzierte und nachhaltige Produkte erhältlich sind. Dafür warb Bernd Titius, einer der beiden Geschäftsführer der Pecht Shoppingwelt in Bad Neustadt. Das Thema Nachhaltigkeit spiele schon seit einigen Jahren eine große Rolle im Unternehmen, sagt er.
Er spricht die Nachhaltigkeitswochen an, die das Kaufhaus in den letzten beiden Juni-Wochen wieder veranstaltet oder extra hervorgehobene nachhaltige Ware in den Läden. "Wir wollen die Lieferketten verringern und tauschen auch Lieferanten aus", so Titius. Das sei in manchem Sortiment einfacher, in manchen schwerer.
Die Mitarbeitenden sollen sich zudem immer wieder mit diesem Thema auseinandersetzen und sich gegebenenfalls um Informationen für die Kundschaft kümmern, wenn sie sie nicht sofort parat haben.
Der Pecht-Geschäftsführer will die Menschen jedoch nicht belehren, sondern zu bewussterem Konsum animieren. "Es wäre schon gut, wenn man sich seinen Lieblingspullover kauft und ihn dann mehrere Jahre lang trägt."
Rhön-Grabfeld: Wann kommt das Zertifikat "Fairtade-Landkreis"?
Nur zu gerne hätte Projektmanagerin Manuela Michel schon zur Eröffnung der Fairtrade-Ausstellung verkündet, dass Rhön-Grabfeld als "Fairtrade-Landkreis" zertifiziert wurde. Nach dem Antrag, einer gewissen Vorlaufzeit zur Erfüllung der verschiedenen Kriterien und der schlussendlichen Bewerbung müssten jedoch noch "ein paar Sachen nachjustiert" werden, bekam sie zuletzt als Rückmeldung. Mit einer positiven Entscheidung hofft man im Laufe des Jahres.