Krisenstimmung in Main-Rhön: Der Automobilzulieferer Preh mit etwa 1700 Mitarbeitern in Bad Neustadt baut rund 420 Stellen ab. Ebenso plant der französische Automobilzulieferer Valeo die Fertigung am Standort Bad Neustadt bis spätestens Sommer 2024 einzustellen, was zur Entlassung von rund 310 Mitarbeitern führen wird. Auch ZF in Schweinfurt will Arbeitsplätze abbauen. Vorerst geht es dort um knapp 400 Stellen, die wegen der aktuellen Flaute bis Ende 2024 wegfallen sollen.
Eine aktuelle Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) bestätigt, dass die Lage angespannt ist. Bei Valeo zum Beispiel sieht der Sozialplan eine Transfergesellschaft vor. Aber was ist eine Transfergesellschaft und was bringt sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern? Das erklärt Elisa Härder, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Würzburger Kanzlei Steinbock & Partner.
Elisa Härder: Transfergesellschaften werden von der Bundesagentur für Arbeit gefördert und sind ein arbeitsmarktpolitisches Instrument. Sie bieten Unternehmen die Möglichkeit, Personal sozialverträglich abzubauen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wechseln zu einem festgelegten Zeitpunkt in ein befristetes Arbeitsverhältnis bei der Transfergesellschaft, das in der Regel auf maximal zwölf Monate begrenzt ist.
Härder: Die Mitarbeiter verlieren nicht sofort ihren Job, sondern wechseln in eine Transfergesellschaft. Dort erhalten sie Transfer-Kurzarbeitergeld, das die Agentur für Arbeit finanziert. Dieses Geld beträgt etwa 60 bis 67 Prozent des vorherigen Nettogehalts. Manchmal gibt der Arbeitgeber noch etwas dazu. Während dieser Zeit unterstützen Fachkräfte die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Bewerbungen und bieten Weiterbildungsmaßnahmen an, um eine neue Stelle zu finden.
Härder: Der Wechsel eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin in die Transfergesellschaft erfolgt freiwillig. Es wird ein Vertrag zwischen dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer und der Transfergesellschaft abgeschlossen, um das bestehende Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden und den Eintritt des Mitarbeiters in die Transfergesellschaft zu ermöglichen, bekannt als "dreiseitiger Vertrag". Die Transferzeit wird für jeden Mitarbeitenden individuell auf Basis des Sozialplans bestimmt und in diesem Vertrag festgeschrieben.
Härder: Das Transfer-Kurzarbeitergeld ist niedriger als das bisherige Gehalt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen dadurch weniger in die Sozialkassen ein, einschließlich geringerer Rentenbeiträge. Finden diese nach zwölf Monaten in der Transfergesellschaft keine neue Anstellung, fällt auch das Arbeitslosengeld niedriger aus, als wenn sie sich direkt arbeitslos gemeldet hätten.
Härder: Sowohl der Wechsel in eine Transfergesellschaft, als auch der Erhalt einer Abfindung sind möglich. Mit dem Wechsel in die Transfergesellschaft stimmt der Arbeitnehmer der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Trotzdem kann er oder sie die vom Betriebsrat ausgehandelte Abfindung beanspruchen. Allerdings kann die Abfindung bei einem Wechsel in eine Transfergesellschaft geringer ausfallen. Die Höhe der Abfindung hängt vom Verdienst, der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter ab.
Härder: In der Transfergesellschaft arbeiten die Arbeitnehmer nicht regulär. Sie nutzen die Zeit, um sich selbstständig um Beratung, Bewerbungen und Qualifizierung zu kümmern. Sie suchen aktiv nach einer neuen Arbeitsstelle und werden von einem Karriereberater dabei unterstützt. Vermittlungs- und Weiterbildungsveranstaltungen sind für sie verpflichtend. Da die Arbeitszeit in der Transfergesellschaft null Stunden beträgt, haben die Mitarbeiter keine Anwesenheitspflicht zu festgelegten Arbeitszeiten.
Härder: Auch rentennahe Jahrgänge können sich Gedanken über den Einritt in eine Transfergesellschaft machen. Sollte die Jobsuche nicht erfolgreich sein, erhalten sie für maximal zwei Jahre Arbeitslosengeld und können so die Lücke zur Rente schließen. Zu den Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Rente sollten sie sich unbedingt beraten lassen.
Härder: Ja, natürlich. Transfergesellschaften kommen vor allem dann zum Tragen, wenn wir schwierige wirtschaftliche Zeiten haben, zuletzt zum Beispiel bei der Covid-19-Pandemie. Gerade erleben wir in der Automobil- und der Automobilzulieferer-Industrie eine Entlassungswelle und in diesen Branchen sind Transfergesellschaften gang und gäbe.