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Bischofsheim
"Als ob es unseres wäre!" Die Geschichte zweier Bischofsheimer Metzgerei-Frauen
In 42 gemeinsamen Jahren hinter der Fleischtheke wurde aus Elvira Lembach-Geis und Sabine Fieber nicht nur ein perfektes Team, sondern auch beste Freundinnen.
Sabine Fieber (links) aus Weisbach und Elvira Lembach-Geis aus Bischofsheim haben fast ihr ganzes Leben miteinander verbracht. Sie waren nicht nur Kolleginnen, sondern auch Freundinnen.  
Jetzt schloss die Metzgereifiliale.
Foto: Barbara Enders | Sabine Fieber (links) aus Weisbach und Elvira Lembach-Geis aus Bischofsheim haben fast ihr ganzes Leben miteinander verbracht. Sie waren nicht nur Kolleginnen, sondern auch Freundinnen.
Barbara Enders
 |  aktualisiert: 03.02.2025 02:33 Uhr

Morgens kurz vor 7 Uhr in der Bischofsheimer Schwedenstraße 1. In der Metzgereifiliale herrscht bereits reges Treiben, die Kühltheke ist eingeräumt, die Würste hängen in Ringeln, Kugeln und langen Strängen dahinter an der Wand. Sabine Fieber stellt eine Schale mit frischem Mett in die Theke, Elvira Lembach-Geis schneidet akkurat und flott mit einem scharfen Messer exakt gleich große Schinkenwürfelchen – hier ist alles Handarbeit.

Die beiden sind ein eingespieltes Team, Fachfrauen, die ihren Beruf von der Pike auf erlernten und seit 42 und 45 Jahren mit Leidenschaft ausüben beziehungsweise ausübten, muss man mittlerweile sagen. Ihr Arbeitgeber schloss die Metzgereifiliale, künftig wird sie ohne Personal weitergeführt. Für die beiden Frauen war die Nachricht ein Schock. Mit Herzblut haben sie ihre Arbeit verrichtet und viele Jahre eigenverantwortlich gearbeitet.

Fasching wurde schon immer großgeschrieben und die beiden Kolleginnen traten früher oft im gleichen Kostüm auf, hier noch in der Metzgerei Tann.
Foto: Elvira Lembach-Geis (Archivfoto) | Fasching wurde schon immer großgeschrieben und die beiden Kolleginnen traten früher oft im gleichen Kostüm auf, hier noch in der Metzgerei Tann.

Elvira Lembach-Geis, in Bischofsheim als Elli bekannt, begann 1979 ihre Lehre in der Metzgerei Tann am Marktplatz. Drei Jahre später begann Sabine "Bine" Fieber aus Weisbach als Azubi und wurde Elvira Lembach-Geis' Lehrmädchen. Beide erlebten noch die Schlachtung in der Metzgerei. Die Tiere wurden über die Mühlgasse angeliefert und warteten im Hof. "Wir trauten uns oft gar nicht zum Gefrierhaus, denn da mussten wir durch die armen Tiere hindurch", erinnerten sie sich. Doch das gehörte dazu.

Tatkräftig beim Zerlegen und Ausbeinen

Nach dem Schlachten halfen sie den Metzgern beim Zerlegen und Ausbeinen, damit sie die Fleischteile kennenlernten. "Wehe, wir hätten es danach nicht gekonnt! Da hätte uns Metzger Fritz ausgelacht", erinnert sich Lembach-Geis. Die Auszubildenden mussten auch einige Späße mitmachen. Sie sollte beim Metzger Mangold die "Schwartemochepress´" holen. Der Depperts Karl schickte sie, breit grinsend ins Schlachthaus, wo sich die Metzger bereits kaputtlachten.

Elvira Lembach-Geis hat ihr Fotoalbum mitgebracht. Die beiden Frauen schwelgten in Erinnerungen.
Foto: Barbara Enders | Elvira Lembach-Geis hat ihr Fotoalbum mitgebracht. Die beiden Frauen schwelgten in Erinnerungen.

Sabine Fieber musste im Eisenwarenhandel Geissler das Bratwurstmaß holen, die Mädchen hatten einiges einzustecken. Damals erhielten sie 250 Mark Lohn, davon wurden 100 Mark Essensgeld abgezogen, weil sie mittags bei ihrer Chefin mitaßen. Trotzdem schaffte Elvira Lembach-Geis es, vom Rest für Führerschein und Auto zu sparen. Stolz fuhr sie abends mit ihrem Käfer nach Hause nach Frankenheim. Dabei wunderte sie sich über die lachenden Leute am Marktplatz. Zu Hause sah sie, dass ihr die Metzger am Auto hinten eine lange Schnur mit Sauschwänzchen und -füßen angebunden hatten.

Bloß keine Wurst in der Mittagspause

Für ihre Mittagspause kauften sie damals bei der Angelina ein, "die hatte feine Sachen", erinnert sich Elvira Lembach-Geis. "Und dann zum Bäcker Voll die Treppe hoch, denn wir konnten keine Wurst mehr sehen"!

Am letzten Öffnungstag wurde nach Geschäftsschluss das ganze Ladengeschäft bis in die hintersten Ecken der Theke gründlich geputzt, als würde es am Montagmorgen wieder weitergehen.
Foto: Barbara Enders | Am letzten Öffnungstag wurde nach Geschäftsschluss das ganze Ladengeschäft bis in die hintersten Ecken der Theke gründlich geputzt, als würde es am Montagmorgen wieder weitergehen.

Trotz allem war es eine gute Zeit. Fasching wurde auch in der Metzgerei gefeiert. Sabine Fieber bekam einst einen Schreck, als sie morgens um 6 Uhr ihre Chefin Irmgard Tann in vollem Fastnachtskostüm antraf. Auch die Verkäuferinnen standen jedes Jahr maskiert hinter der Theke. Doch die Chefin hatte auch Verständnis, wenn sie nach durchgemachtem Altweiberfasching morgens etwas müde waren. Aber gearbeitet haben beide trotzdem, auch wenn sie den Geruch von frischem Leberkäse und Wurst nicht haben konnten.

"Früher war alles so familiär", erinnert sich Sabine Fieber, "wir haben Späßlich gemacht, beim Deget die Weck geholt und auch mal ein Schwätzchen gehalten", das gibt es schon lange nicht mehr.

Aus der Metzgerei "Tann" wurde die Metzgerei Gutermuth

1992 wurde der "Tann" vom Metzger Gutermuth übernommen, der 2000 eine neue Metzgerei in der Bahnhofstraße baute. Das Geschäft am Marktplatz wurde zur Filiale und von den beiden Frauen eigenverantwortlich geführt. "Siglinde Gutermuth hat uns ihr Vertrauen geschenkt. Wir haben bestellt, verkauft und hinterher geputzt", erinnern sie sich. "Die große Außentreppe haben wir geschruppt – was haben wir das Putzen gehasst!"

Sogar um die jahreszeitliche Dekoration haben sie sich gekümmert – mit ihren eigenen Sachen. Die Kundschaft hat das immer registriert. "Sogar beim Friseur haben sie damals erzählt, dass bei uns alles so sauber ist", weiß Elvira Lembach-Geis noch. Dafür bekamen "die Määdlich", wie sie oft genannt wurden, zu Weihnachten kleine Geschenke, ein Kunde brachte "seinem Dreamteam" jeden Freitag süße Stückchen vom Bäcker. Die beiden waren all die Jahre nie krank, hatten nur für ihre Kinder pausiert. Sie arbeiteten viel am Wochenende, wenn die Väter zu Hause waren und halfen beim Kochen fürs Catering.

Mit den Kunden wurde am letzten Tag mit einem Glas Sekt angestoßen.
Foto: Barbara Enders | Mit den Kunden wurde am letzten Tag mit einem Glas Sekt angestoßen.

2015 wurde die Filiale in das Gebäude des früheren Metzgers Mangold verlegt. Jetzt bekamen die beiden nicht mehr viel vom Ortsgeschehen mit. 2023 übernahm Metzgerei Zink das Unternehmen und Sabine Fieber und Elvira Lembach-Geis dazu. "Wir haben uns immer bemüht, die Kunden zufriedenzustellen, waren immer mit Herzblut dabei und die Leute waren auch gut zu uns." Bei Bekanntgabe der Filialschließung beschlossen sie, dass es Zeit für etwas Neues sei.

Die letzten Wochen und Tage waren keine leichten, Kunden verabschiedeten sich, brachten Blumen und Süßigkeiten und es flossen viele Tränen – auf beiden Seiten.

"Es war ein herzlich schöner, letzter Tag, der war gut für meine Seele", sagt Sabine Fieber beim Gehen und richtet dabei noch eine Wurstdose im Regal aus.

 
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