"Du kriegst nur Geld, wenn du auch gute Ideen hast", erklärte Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann nicht ohne ein gewisses Selbstbewusstsein während der Pressekonferenz mit Hubert Aiwanger im Landratsamt in Bad Neustadt am Freitag. Weil dem von der aktuellen Arbeitsmarktkrise gebeutelten Rhön-Grabfeld Förderungen durchaus gut täten, hatte Habermanns Team in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Akteuren im Vorfeld zum Besuch des bayerischen Wirtschaftsministers einiges an Vorarbeit geleistet. In einem Positionspapier präsentierten sie, was sie sich für die Zukunft Rhön-Grabfelds vorstellen.
Ein Vorstoß, der bei Aiwanger offenbar auf offene Ohren stieß: "Die wissen, was sie wollen", formulierte Aiwanger am Ende des Besuchs in einem kurzen Pressegespräch mit dieser Redaktion, nicht ohne den Satz hinterherzuschieben: "Und das unterstützen wir!" Konkreter sollten seine Zusagen an diesem Freitagmittag aber nicht werden.
Aiwanger: "Wohlstand in der Region sichern und strukturellen Abwärtssog verhindern"
Der bayerische Wirtschaftsminister war anlässlich des angekündigten Arbeitsplatzabbaus bei Bad Neustadts Automobilzulieferer Preh zu einem Runden Tisch zur aktuellen Arbeitsmarktsituation in den Landkreis gekommen, an dem rund 50 Akteure, darunter Vertreter des bayerischen Landtags, regionaler Unternehmen, der Arbeitnehmer und Gewerkschaften, der Kammern sowie der Regionalpolitik und Verwaltung teilnahmen. Habermann sprach in der anschließenden Pressekonferenz von einem "atmosphärisch sehr guten Gespräch" "mit vielen konstruktiven Ansätzen" und dem klaren Commitment von allen, "die Situation als Chance zu nutzen".
"Es geht darum, Wohlstand in der Region zu sichern und zu verhindern, dass sich ein struktureller Abwärtssog entwickelt", formulierte Hubert Aiwanger seine Zielsetzung. Angesichts der leistungsfähigen Unternehmen in der Region, die den Weltmarkt bedienen, sähe er "ganz gute Chancen".
Aiwangers Verständnis für die Unternehmensleitung: "Unternehmen müssen Personal abbauen"
Kritik an der Ampel-Regierung blieb nicht aus: Aufgrund bundespolitisch hausgemachter Probleme – als Beispiele nannte er hohe Steuern und hohe Energiepreise – seien Unternehmen in eine Situation gekommen, dass sie "Personal abbauen müssen". Der Bund müsse endlich die standortpolitischen Rahmenbedingungen verändern: "Strompreis runter, Unternehmens- und Einkommensteuer runter, dafür Einsparungen bei Fehlentwicklungen im Bürgergeld für Arbeitsfähige."
Was die bayerische Staatsregierung tun könne? Bestehende Unternehmen mit einer Reihe von Förderprogrammen stützen, die es teils schon gebe, die man aber eventuell auch noch ausweiten werde. Darüber hinaus nannte er Kredit- und Darlehensangebote als Möglichkeiten. Zudem setze man auf Neugründungen und Start-up-Förderungen.
Der Wirtschaftsminister lädt Rhön-Grabfelds Akteure zu weiteren Gesprächen nach München
Ganz konkret lud der Wirtschaftsminister Rhön-Grabfelds Akteure zu einem gemeinsamen Gespräch mit Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium noch vor der Sommerpause nach München, "um in einen Arbeitsprozess einzusteigen, wo wir konkret Programme finden, wo wir wie Geld fließen lassen können".
"Wir haben Ideen entwickelt und Anstöße gegeben", so Habermann. Nun müsse man in den engen Austausch einsteigen. Eine der vorgestellte Lösungsstrategien trägt den Titel "regio FIT-NES". Dahinter verbirgt sich ein Fond für Innovation und Transformation, der Transformationsprojekte von regionalen Unternehmen und kommunalen Akteuren mit den Forschungseinrichtungen der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt gezielt fördern soll. Der Finanzierungsbedarf wird in der Projektskizze mit 50 Millionen Euro über eine Laufzeit von 63 Monaten beziffert.
Wo es für den Landkreis Rhön-Grabfeld Zukunftsperspektiven gibt
Als weitere mögliche neue Geschäftsfelder in der Region, die im Rahmen der Diskussion angesprochen worden seien, benannte Aiwanger auf Nachfrage die Themen Kreislaufwirtschaft sowie das Thema Wasserstoff mit einem Windpark in der Region. "Vielleicht findet sich über kurz oder lang auch ein ganz neuer Player, der sich hier ansiedeln möchte." Auch der Wunsch nach einer Ertüchtigung des 110-kV-Netzes sei an ihn herangetragen worden. "All diese Dinge prüfen wir in alle Richtungen."
Nach dem Austausch im Landratsamt besuchte Wirtschaftsminister Aiwanger das Unternehmen Preh. Davor wie auch danach äußerte er sich wenig hoffnungsvoll, dass tatsächlich Arbeitsplätze gerettet werden könnten: "Da sind wir realistisch." Er sei nicht gekommen, um um Weiterbeschäftigung zu betteln, sondern setze "auf neue Perspektiven". Ziel des Treffens sei es nicht gewesen, das Unternehmen als "Buhmann" an den Pranger zu stellen. "Wir sehen deren Wettbewerbslage und sind dankbar, dass sie die Betriebe stabilisieren", so Aiwanger. Nun gehe es darum, die frei werdenden Mitarbeiter in anderen Unternehmen oder etwa in Start-ups unterzubringen.
Was Betriebsrat und Gewerkschaften vermissten
Auf dem Betriebsgelände empfingen etwa 15 Angestellte den Wirtschaftsminister mit einem Protestbanner. Preh-Betriebsratsvorsitzender Daniel Rossmann äußerte sich im Anschluss mit der Begegnung nur teilweise zufrieden: "Teils hat er uns Möglichkeiten in Aussicht gestellt, was man tun kann für die, die freigesetzt werden. Aber natürlich gibt es momentan noch keine Lösung für den Erhalt der Stellen hier."
"Aus unserer Sicht gab es leider keine konkreten Lösungsvorschläge", monierte auch IG-Metall-Gewerkschaftssekretärin Nadine Knauff. Dass Aiwanger Preh Bad Neustadt besuchte, zeige zwar seine große Wertschätzung für den Standort. Seine Aussagen zu den gefährdeten Arbeitsplätzen hätten sie aber "tief betroffen" gemacht. Sowohl Betriebsrat als auch die Gewerkschaft erneuerten ihr Bekenntnis "für jeden Arbeitsplatz zu kämpfen".
Derweil besichtigte der bayerische Wirtschaftsminister Teile des Werksgeländes. Was er aus Bad Neustadt mitnehme? "Dass man hier sehr bewusst mit der Situation umgeht, nicht unter Panikreaktionen leidet, sondern sowohl Politik, Landrat, Abgeordnete, Bürgermeister und Unternehmen an einem Strang ziehen und eine Strategie entwickeln, wie man wieder mehr Boden unter den Füßen kriegt."