Frauen- und Familienthemen lagen Gudrun Hellmuth stets am Herzen. Bereits als junge Mutter und Kita-Leiterin wollte sie Türen aufbrechen. Als Stadträtin für die Freien Wähler hat sie sich über 20 Jahre lang eingemischt. Wo es in Gudrun Hellmuths Augen dieser Tage hakt und welche Prioritäten sie im Bad Neustädter Stadtrat setzen würde.
Gudrun Hellmuth: Meine Gründe sind persönlich und wohlüberlegt. Viel mehr möchte ich dazu nicht sagen. Es war mir eine große Ehre, im Stadtrat vertreten zu sein und mich aktiv einzubringen. Aber alles im Leben hat seine Zeit. Ich konnte mich nur engagieren, weil ich eine starke Familie im Rücken hatte. Nun braucht meine Familie mich. Dennoch war es mir wichtig, bis zur Sommerpause weiterzumachen. Nun kann das Gremium im Herbst neu durchstarten.
Hellmuth: Ich habe mein Mandat nie als Hobby gesehen, sondern als Wählerauftrag. Klar, könnte ich sagen: Dann musst du eben ein Stück weit pausieren. Aber das passt nicht zu mir. Ich habe schlichtweg nicht die Energie, Zeit und Kraft, diese Stadtratsarbeit, so wie ich sie mir vorstelle, weiterzumachen. Auch in Anbetracht dessen, dass aktuell im Stadtrat weitreichende Entscheidungen getroffen werden müssen.
Hellmuth: Ich hab immer geglaubt, eine gute Mischung aus Erfahrung und Innovation macht's. Mein Anspruch war es, in all den Jahren bei den Sitzungen anwesend und vorbereitet zu sein. Aber es hat sich so viel verändert. Vielleicht passt dieser Anspruch nicht mehr in die Zeit. Ich habe da ein anderes Selbstverständnis. Was meiner Meinung nach aktuell außerdem zu wenig im Stadtrat stattfindet: sich konstruktiv streiten, Argumente austauschen. Die Sitzungen sind dafür zu überfrachtet.
Hellmuth: Ich möchte niemanden angreifen. Die Kreisstadt Bad Neustadt soll eine gute Entwicklung nehmen. Das ist mein ureigenstes Herzensanliegen. Gleichzeitig spreche ich aber Dinge an, die angesprochen werden müssen. Die Stadtratsarbeit hat sich verändert, die Aufgaben sind sehr vielfältig. Zahlreiche Themen stehen auf der Agenda. Da müssen wir mehr priorisieren, wir werden nicht alles zeitgleich lösen können, weder finanziell noch verwaltungstechnisch.
Hellmuth: Wir brauchen Konzepte für den Klimawandel. Den Bürgern brennt das Thema Energieversorgung unter den Nägeln. Die Energiegewinnung ist auch eine Standortfrage und sichert Arbeitsplätze. Wir brauchen längst die Fernwärmenetze, Wohnkonzepte fürs Alter und eine einladende Gestaltung des Bahnhofsareals. In nahezu allen Bereichen wünsche ich mir mehr Bürgerbeteiligung.
Hellmuth: Ja, über die Agenda 21: "Sitzen, reden, denken, auf Bad Neustadts Bänken." Wir haben damals herumgesponnen, waren innovativ. Gut möglich, dass heute ähnlich interessierte Leute da draußen unterwegs sind. Aber eine Plattform, um deren Engagement abzugreifen, fehlt. Ich wünsche mir nichts mehr als kluge, junge Leute, die sich wieder einmischen. Ein Ohnmachtsgefühl der Bürger ist der Tod der Demokratie.
Hellmuth: Mir ging es immer um soziale Themen. Ich wollte Rahmenbedingungen schaffen, die Menschen ein gutes Zusammenleben ermöglichen. Kommunalpolitik habe ich immer auch aus Dankbarkeit gemacht. Es ist nicht selbstverständlich, dass Kinder in gute Lebensumstände hineingeboren werden. Haben Kinder dieses Glück nicht, braucht es ein wachsames Umfeld und maximale Unterstützung für gleiche Bildungschancen.
Hellmuth: Über Veranstaltungen anlässlich der Weltfrauentage konnte ich wichtigen Frauen-Themen ein Gesicht geben. Inhaltlich ging es um gleiche Bezahlung, Integration, Inklusion, aber auch um Hilfe bei häuslicher Gewalt. Mir war es außerdem immer wichtig, Frauen Mut zu machen, dass sie ihre Berufstätigkeit leben. Denn Altersarmut ist weiblich. Dass eine Partnerschaft ein Leben lang hält, ist ein Geschenk, aber nicht selbstverständlich.
Hellmuth: Erst einmal habe ich sehr früh geheiratet, wir haben jung unsere Kinder bekommen. Mein Mann und ich haben unsere Unterschiede stets respektiert und als Bereicherung wahrgenommen. Mein Berufsweg begann in Oberweißenbrunn, 1980 habe ich mit zwei kleinen Kindern die Leitung des Kindergartens Mariä Himmelfahrt übernommen. Sie können sich die Widerstände vorstellen! Mein Chef in Bad Neustadt, Pfarrer Josef Wirth, war ein Vordenker. So konnte ich von Anfang an Türen aufbrechen: Ich habe dafür gesorgt, dass die Kita mittags durchgängig geöffnet hat und Konzepte für ein warmes Mittagessen entwickelt, damit Frauen berufstätig sein können. Für solche Ideen habe ich anfangs keine Begeisterungsstürme geerntet.
Hellmuth: Wir sind eine der wenigen Kommunen weit und breit, die genügend Betreuungsplätze besonderer Güte anbietet. Auch die Schulen sind bei uns top.
Hellmuth: Nach 25 Jahren hat 2020 bei der Wahl des Bürgermeister-Stellvertreters das Los bei Stimmengleichheit für einen Mann entschieden. Seither gibt es wieder nur Männer in der Führungsriege der Stadt. Mir geht es nicht um Einzelpersonen, sondern um die fehlende Repräsentanz von Frauen und deren Sichtweise. Männer sind noch immer viel besser vernetzt als Frauen. Nicht zuletzt deshalb bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass es eine Frauenquote braucht.
Hellmuth: Herschfeld ist ein wunderschöner Wohnort, aber zugleich der am dichtesten bebaute Stadtteil in Bad Neustadt. Entsprechend gibt es berechtigte Beschwerden, die angebracht werden müssen. Beispielsweise fehlt in Herschfeld ein Zentrum oder Begegnungsraum. Ich gehe davon aus, dass der überwiegende Teil der Herschfelder das Klinikum befürwortet. Trotzdem muss man dafür die nötige Infrastruktur schaffen. Deshalb habe ich mich auch so vehement dagegen gestellt, dass in der neu geplanten Wohnanlage nahe dem Klinikum 300 Personen angesiedelt werden, da ich die Integration in den Ort als kaum umsetzbar einschätze. Ich denke, wer sesshaft werden will, wird von dieser Wohnform nicht angesprochen. Stattdessen sollte die hier sowieso bereits zurückgedrängte Natur geschützt werden.
Hellmuth: Mit "undemokratisch" meinte ich nicht die Arbeit des Stadtrats, sondern die Nicht-Einbindung der Bürger. Die Bürger sind mit einem fertigen Modell überrumpelt worden. Aber Stadtentwicklung geht immer nur mit Bürgern.
Hellmuth: Kluge Entscheidungen und parteiübergreifende Zusammenarbeit. Wir sollten als Kreisstadt nicht zaghaft, sondern mutig voranschreiten und Leuchtturmprojekte setzen.