Enkelkind statt Arzthelferin, Modelleisenbahn statt Ultraschall, Motorrad statt Patientenstuhl: Wenn Internist und Gastroenterologe Ulf Racké zum 30. September seine Praxis in Bad Neustadt schließt, wird sein Alltag ein anderer sein. Ab 1994 praktizierte er im ehemaligen Rötter-Gebäude in der Roßmarktstraße, 2002 zog seine Praxis aufgrund gestiegener Patientenzahlen in das Gebäude gegenüber der Polizeiinspektion um.
"Ich gehe mit ein bisschen Wehmut. Die Praxis ist mein Kind, ich habe sie aufgebaut", sagt Racké. Aber irgendwann müsse Schluss sein, immerhin werde er bald 68 Jahre alt. Eigentlich habe er schon zum 31. März schließen wollen, den Termin aber den Patienten zuliebe verschoben. Der 30. September sei nun endgültig.
Rackés Fachgebiet Gastroenterologie beschäftigt sich als Teilbereich der inneren Medizin mit Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie der Speiseröhre, Leber, Gallenblase und Bauchspeicheldrüse. Auch kardiologische Untersuchungen führt er durch, ebenso proktologische bei Erkrankungen des Enddarms.
2500 Spiegelungen von Magen und Darm pro Jahr in der Praxis in Bad Neustadt
Rund 40.000 Personen hat Ulf Racké in seiner Patientenkartei. Das entspricht – rein rechnerisch – der Hälfte der Einwohnerzahl des Landkreises Rhön-Grabfeld. "Meine Praxis ist bayernweit eine der größten Einzelpraxen in der Gastroenterologie", sagt der Mediziner. Rund 2500 Spiegelungen führt er pro Jahr durch, etwa 60 Prozent im Darm, 40 Prozent im Magen.
Aufklärung ist ihm ein Anliegen, etwa durch Vorträge, sowie Vorsorge, um Krankheiten frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Wenn keine Heilung möglich ist, wolle er den Patienten trotz Krankheit ein möglichst normales Leben ermöglichen. In den vergangenen Jahren habe sich die Qualität der Untersuchungen deutlich verbessert.
Rackés Interesse an der Medizin begann früh: "Ich wollte schon immer Arzt werden. Ab meinem 16. Lebensjahr war ich beim Roten Kreuz aktiv", sagt der Mediziner. Der naturwissenschaftliche Aspekt habe ihn am Arztberuf gereizt und dass er Menschen helfen könne, was ihn heute noch täglich motiviere. Bis vor einiger Zeit fuhr er zusätzlich zur Arbeit als niedergelassener Arzt Notarzteinsätze, insgesamt 27 Jahre lang. Zum 30. September wird er auch den Praxisalltag hinter sich lassen.
Bisher fand Ulf Racké keinen Nachfolger für seine Bad Neustädter Praxis
Noch sei kein Nachfolger in Sicht, so Racké. Und das, obwohl der 67-Jährige sogar einen Recruiter, also Personalvermittler, beauftragte, ihn bei der Suche zu unterstützen. Mit einigen Kandidaten habe er Gespräche geführt, allerdings fehle vielen Ärzten der Mut, sich niederzulassen. "Eine Praxis zu führen, ist mit viel Arbeit verbunden. Heute legen die meisten mehr Wert auf die Work-Life-Balance. Hinzu kommt die politische Unsicherheit", so Racké.
Ein Ärzte-Ehepaar habe abgelehnt, weil es nicht "in die Abgeschiedenheit von Bad Neustadt" gewollt habe. Doch sein Kassensitz werde erst am 31. März 2025 eingezogen. Nachfolge-Interessenten könnten sich somit auch nach dem 30. September bei ihm melden.
Wenn er bald mehr Freizeit hat, will er diese vor allem seiner Frau, den beiden Töchtern und dem ersten Enkelkind widmen, das die Familie Anfang September erwartet. "Außerdem möchte ich mehr Motorrad fahren. Meine Modelleisenbahn ist in all den Jahren auch zu kurz gekommen".