
Als Isabell Lang zu Gabriellas Lied ansetzt, dem dramatischen Finale des Musikschauspiels "Wie im Himmel", beginnen erste Tropfen zu fallen. Im Verlauf des dreiminütigen Stückes steigern sie sich zu einem wahren Regenguss und lassen das stoisch verharrende Ensemble auf der Freilichtbühne der Scherenburgfestspiele völlig durchnässt zurück. Darunter auch Gabriele Bayerschmidt, die zusammen mit Lang in dieser Spielzeit 20 Jahre Bühnenpräsenz bei den Festspielen feiert.
An das feuchtfröhliche Erlebnis aus dem Jahr 2022 erinnern sich beide beim Pressegesprächs zu ihrer Ehrung noch genau. Lang beschreibt ihre Darstellung der Gabriella als die Rolle, die ihr in 20 Jahren die meiste emotionale Energie gekostet habe. "In dieser Situation, dieses Lied im Regen, das war der Wahnsinn, da kriege ich heute noch Gänsehaut", sagt die 39-jährige Neuendorferin.

Bayerschmidt, die seit 2004 regelmäßig mit Lang zusammen auf der Bühne steht, pflichtet ihr bei. "Das hat mich auch sehr berührt." Während die 64-Jährige in "Wie im Himmel" nur eine kleinere Rolle spielte, stand sie zehn Jahre zuvor mit ihrer absoluten Lieblingsrolle ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit: Schwester Ratched in "Einer flog über das Kuckucksnest". "Die Rolle war genau das, was ich beim Theaterspielen so liebe, nämlich Facetten von mir zu zeigen, die sonst verborgen bleiben", schwärmt Bayerschmidt, die am Gemündener Theodosius-Florentini-Gymnasium Latein unterrichtet.
Als Lehrerin und Schülerin am Theodosius-Florentini Gymnasium kennengelernt
Die Schule war es auch, wo sich die beiden Frauen einst kennenlernten – als Lehrerin und Schülerin. Eine Konstellation, in der sie ihre erste Erfahrung auf Gemündens höchstgelegener Bühne teilten. Zu ihren Rollen in dem Lustspiel "Im Weißen Rößl" kamen beide durch ihren Kontakt zu Michael Albert – damals wie heute musikalischer Leiter der Festspiele. Bayerschmidt sang bei ihm im Kammerchor, während Lang bei ihm Gesangsstunden nahm.

Statt einer Musicalkarriere jetzt in der Krebsforschung tätig
Besonders im Leben von Isabell Lang eine entscheidende Phase, da sie sich damals dazu entschlossen hatte, eine musikalische Profikarriere zu verfolgen. Musicalsängerin wollte sie werden, der Vertrag mit der renommierten Stage School in Hamburg war bereits unterzeichnet – "aber dann kam mein Mann dazwischen", sagt die 39-Jährige und lacht. Eine Planänderung, die ihr damals nicht leicht gefallen sei. "Aber jetzt bin ich froh drum."

Ihrer Leidenschaft für das Musiktheater konnte sie durch die Scherenburgfestspiele dennoch treu bleiben, trotzdem sie sich beruflich seitdem in eine komplett andere Richtung entwickelt hat. Am biologischen Institut der Uniklinik Würzburg ist die mittlerweile promovierte Biologin nun in der Molekularen Inneren Medizin in der Krebsforschung tätig. Die Flexibilität, als "Laiin" auf der Bühne stehen zu dürfen – aber nicht zu müssen –, war für Lang auch in den Jahren von Vorteil, als sie ihre beiden Töchter bekam und deshalb pausierte.
20 Stücke in 20 Jahren – neben dem Lehrerberuf
20 Stücke in 20 Jahren kann sich hingegen Gabriele Bayerschmidt auf die Fahnen schreiben. Und das, obwohl die Festspiele 2020 coronabedingt pausiert hatten. Trotz ihres fordernden Berufs – "Als Lehrerin kann man nicht einfach Urlaub nehmen." – war sie nämlich im Jahr 2010 für eine verletzte Hauptdarstellerin in "Arsen und Spitzenhäubchen" eingesprungen – zusätzlich zu ihrer Rolle in "Der zerbrochene Krug".

"Das war wirklich meine größte Herausforderung bei den Spielen, aber die Rolle war ein Traum und ich habe es nicht bereut", erinnert sich die 64-Jährige. Nur eine Vorstellung habe nach der Verletzung ihrer Kollegin ausfallen müssen, dann sei Bayerschmidt in ihrer Rolle als Martha Brewster fit genug für den Auftritt gewesen.
Festspiele brauchen die Schauspielerinnen und die ihre Festspiele
Ein ehrenamtlicher Einsatz, der seinesgleichen sucht. Das wissen auch die Verantwortlichen der Scherenburgfestspiele und zeigen sich bei der kleinen Feierrunde zum Jubiläum dankbar und stolz, Bayerschmidt und Lang in ihren Diensten zu wissen. "Sie sind ganz klar zwei Größen, die wir auch brauchen", bringt es Geschäftsführerin Isabell Lützler auf den Punkt und Festspiel-"Vater" Hans Michelbach betont: "Wir sind froh, dass es euch gibt."

Wertschätzung, die die beiden Jubilarinnen freut, doch auch sie sind dankbar für die Möglichkeiten, die die Scherenburgfestspiele ihnen bieten. Auf dem dort gebotenen Niveau, mit professioneller Regie, professioneller Maske vom Mainfranken Theater und vor der einzigartigen Kulisse der Scherenburg ihr Hobby auszuüben, beschreibt Bayerschmidt als ein Privileg. Dazu kommt, dass das Team vor und hinter der Bühne über die Jahre zu einer großen "Scherenburgfamilie" zusammengewachsen ist, sagt Lang. "Wir können uns blind aufeinander verlassen und das möchte ich nicht mehr missen."
Aufführungen des Musiktheaters "Die Fledermaus", in dem Lang und Bayerschmidt heuer Rosalinde und Dr. Blind verkörpern, finden noch am 25. und 27. Juli sowie am 1., 3., 7., 9. und 14. August, jeweils um 20 Uhr statt.