Das Familienunternehmen Kuhn Bauzentrum mit Sitz in Lengfurt und einer Filiale in Zellingen besteht seit 97 Jahren. Im Interview erzählen die Geschäftsführerinnen Isabel Schneider und Carmen Romejko sowie Seniorchef Karl Dengel von den Herausforderungen in der Baubranche und sie sagen wie es ist, in einen Familienbetrieb hineinzuwachsen.
Carmen Romejko: Keiner aus der Familie möchte die Verantwortung für die Firma und die vielen Mitarbeiter alleine übernehmen. Es benötigt viel Zeit, Hingabe und Verständnis. Ich habe in meiner Kindheit erlebt, dass unsere Eltern von Montag bis Samstag in der Firma waren. Sie hatten unter der Woche keine Freizeit, die sie mit uns verbringen konnten. Ich wollte in erster Linie für meinen Sohn da sein, als er noch klein war. Die Entscheidung, in die Geschäftsführung einzusteigen, habe ich der Familie zuliebe getroffen, um meine Schwester und meinen Cousin zu unterstützen.
Isabel Schneider: Für mich war nach der Ausbildung schnell klar, dass ich im Familienunternehmen arbeiten werde. Erst später wurde vereinbart, dass mein Cousin Sebastian und ich die Firma leiten sollen. 2021 kam meine Schwester Carmen hinzu.
Schneider: Wir drei sind zusammen aufgewachsen, fast wie Geschwister. Die Firma war damals noch in Homburg, unsere Uroma war oft mit uns Kindern im Hof gesessen und hat auf uns aufgepasst. Als wir schon zur Schule gingen, sind wir zur Mittagszeit in das Geschäft gekommen.
Romejko: Wir hatten eine Zugehfrau, die für alle gekocht hat. Wir haben gemeinsam zu Mittag gegessen und machen das noch heute so. Wir Kinder hatten einen eigenen Schreibtisch im Büro und dort Hausaufgaben gemacht. Danach sind wir nach Hause gelaufen. Unsere Mütter waren bis 18 Uhr im Laden. Die Väter sind Lkw gefahren, im Sommer bis spät abends.
Schneider: Jeder von uns hat seine Kompetenzen, die er bestmöglich einbringt. Es ist gut, dass wir drei ganz unterschiedliche Sichtweisen haben. Ich würde mir schwer tun mit Finanzierungsgesprächen bei der Bank. Sebastian hingegen führt nicht so gerne Mitarbeitergespräche.
Romejko: Wir vertrauen uns gegenseitig und pflegen einen sehr respektvollen Umgang miteinander.
Romejko: Unsere Firma lebt davon, dass wir als Familie funktionieren. Wichtig ist, dass man einen Partner hat, der hinter einem steht und Verständnis für die Situation hat. Zum Glück haben wir alle solche Partner. Wir arbeiten übrigens nicht nur zusammen, wir verbringen auch gerne unsere Freizeit miteinander, manchmal sogar die Urlaube.
Karl Dengel: Trotzdem gelingt es uns sehr gut, Geschäftliches und Privates zu trennen. Wenn wir uns bei Familienfesten treffen, sprechen wir nie über die Firma.
Romejko: Wir machen verschiedene Arbeitszeitmodelle möglich, weil wir wissen, wie wichtig das ist. Wenn jemand ausfällt, springen wir aus der Geschäftsführung mit ein. Wir sind nicht nur Eigentümer der Firma, sondern bemüht, unsere Mitarbeiter glücklich zu machen. Wir sind in allen Lebenslagen für sie da – wie in einer Familie.
Schneider: Wir begegnen uns alle auf Augenhöhe. Egal ob Auszubildender, Lagermitarbeiter, Putzfrau oder Chef – bei uns wird jede Arbeit wertgeschätzt. Wenn ich etwa sehe, dass auf der Treppe Dreck liegt, dann putze ich das einfach weg.
Dengel: Wir sind stolz darauf, dass wir kaum Mitarbeiter von außen in die Firma geholt haben. Die meisten haben als Auszubildende hier angefangen.
Dengel: Wir beziehen viele Baustoffe aus der Region, zum Beispiel vom Stahlhandel Reinhard in Würzburg oder Ziegel von Wienerberger in Helmstadt. So können wir Kunden bei Bedarf kurzfristig beliefern. Unsere guten Beziehungen zu Lieferanten waren im vergangenen Jahr ein großer Vorteil für uns, als viele Baustoffe knapp waren.
Schneider: Bei uns kaufen die Leute, weil wir "Kuhn" sind. Die kennen uns und die Mitarbeiter, die hier schon sehr lange arbeiten, persönlich. Handwerkern geht es vor allem darum, schnell und kompetent bedient zu werden. Darin sind wir stark.
Romejko: Wenn es Reklamationen gibt, versuchen wir, möglichst schnell eine Lösung zu finden. Wir bemühen uns, die Bindung zu den Handwerkern zu stärken, etwa mit Schulungsabenden oder Produktvorstellungen.
Dengel: Wir hatten in den vergangenen zwei Jahren circa zehn Prozent Umsatzsteigerung. Seit Herbst 2022 bemerken wir einen Rückgang; es wird weniger gebaut. Auch die Jahre davor liefen bombastisch gut. Aber wir hatten auch enormen Stress, jeder Einzelne war an seiner Belastungsgrenze angekommen.
Schneider: Unsere Oma Gerda, die Seniorchefin, hat oft erzählt, dass sie einen Schuhkarton mit vier oder fünf Musterfliesen, 15 mal 15 Zentimeter, in verschiedenen Farben hatte. Voller Stolz hat sie ihn hervorgeholt, wenn Kunden Fliesen kaufen wollten. Heute lachen wir darüber und bieten eine viel größere Auswahl.
Dengel: Trends werden immer schnelllebiger. Jedes Jahr müssen wir prüfen, welche Produkte gut liefen, welche wir wegen zu geringer Nachfrage aus dem Sortiment nehmen. Gerade sind Deckenheizungen im Kommen. Nach Massivholz-Decken fragt keiner mehr.
Schneider: Wir haben seit kurzem einen Online-Shop. Das ist für uns eine Möglichkeit, Kunden aus der Region über unser Sortiment zu informieren. Sie können sich einen Wunschzettel erstellen und sich das Material vorbereiten oder liefern lassen. Das ersetzt nicht die persönliche Beratung vor Ort, ergänzt aber unser Angebot. Wir wollen damit auch bekannter werden.
Romejko: Wir bekommen derzeit ein neues Softwareprogramm, das die Warenwirtschaft und nach und nach auch die Disposition, also beispielsweise die Routenplanung unserer Lkws, die bisher noch von Hand gemacht wird, vereint. Wir wollen damit die Arbeitsabläufe vereinfachen.
Dengel: Wir waren bis vor kurzem auf das Privatkundengeschäft konzentriert, das hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Zu unserer Stammkundschaft zählen mittlerweile viele Handwerksbetriebe und Bauunternehmen.
Dengel: Die Preise für Porenbeton- und Ziegelsteine haben Anfang des Jahres kräftig angezogen, auch Dachziegel sind nochmal teurer geworden. Bei Silikon oder Fliesen fallen die Preise. Ich gehe davon aus, dass der Bedarf nach Baustoffen sinkt und die Preise günstiger werden. Ich glaube aber nicht, dass wir das Niveau erreichen, das wir vor drei Jahren hatten.
Schneider: Ich glaube, dass die Zukunft für uns alle sehr fordernd wird. Wir werden einen Rückschritt zu den Entwicklungen der letzten Jahre erleben. Ich vertraue darauf, dass wir auch diese Zeit mit unserem Team gut meistern werden.