Wer im Moment überlegt, im Sommer sein Dach neu zu decken, der könnte in die Röhre schauen. Denn Dachziegel und Ziegelsteine sind derzeit Mangelware und entsprechend teuer. "Wenn ich jetzt Dachziegel bestelle, sind wir im November, Dezember", sagt Stefan Weyer von Weyer Holzbau in Ansbach (Lkr. Main-Spessart). "Das ist wirklich eine verrückte Sache, so was hatten wir noch nicht." Manche Kunden hätten ihr Projekt schon verschoben. Eine Alternative seien Betonziegel, aber auch die würden aufgrund der erhöhten Nachfrage schon teurer. Wir haben mit Baustoffhändlern, Baufirmen, Zimmerern und Dachdeckern gesprochen, wie sie und ihre Kunden mit der Knappheit und den höheren Preisen umgehen, und was der Grund für die Misere ist.
Bei Brückner Bau in Gemünden, das schlüsselfertige Häuser baut, haben sie den Mangel an Ziegelsteinen stark gespürt. "Wir sind mehr auf Porenbeton umgestiegen", sagt Frank Brückner. Bei einem Haus, bei dem sie den Keller noch mit Ziegelsteinen gemauert haben, hätten sie oben mit Porenbeton (bekannt etwa unter der Marke Ytong) weitergemacht, weil keine Ziegel mehr zu bekommen waren. Ein großer Ziegelstein-Lieferant habe vor sechs Wochen kundgetan, dass er nicht mehr liefern könne, und dies mit logistischen Schwierigkeiten begründet, so Brückner.
Sebastian Dengel vom Bauzentrum Kuhn in Lengfurt berichtet von einer sehr hohen Nachfrage nach Dachziegeln und Ziegelsteinen momentan. Hinzu kämen steigende Energiekosten und weniger Lkw-Fahrer aus der Ukraine. Die Preise seien schon um 30 Prozent gestiegen. "Mehrere Lieferanten liefern aktuell gar nicht." Die Werke kämen teilweise nicht hinterher mit der Produktion.
Manche seien zwei Jahre im Dauerbetrieb gelaufen und müssten jetzt die Produktion für Wartungsarbeiten unterbrechen. Das Werk eines großen Dachziegelherstellers sei zwischenzeitlich insolvent gewesen. Im Onlineshop des Baustoffhändler haben Kunden aus ganz Deutschland nachgefragt, ob sie die dort angebotenen Dachziegel noch hätten. "Das haben wir natürlich nicht gemacht, sondern haben lieber Kunden vor Ort bedient." Das Bauzentrum habe ein großes Lager und vorausschauend eingekauft, weswegen Unternehmen aus der Region ihre Ware bekämen und Privatkunden auch meist. Manchmal müssen sie Privatkunden aber auch enttäuschen.
Ein großer Aufwand, an Ware zu kommen
Brian Renzelmann führt einen Ein-Mann-Dachdecker- und Spenglerbetrieb in Esselbach. Gerade habe er wieder eine Preiserhöhung um 40 Prozent gekriegt, sagt er. Man müsse flexibel sein und "sich sehr reinknien", um an Ware zu kommen. Bei manchen Dachziegel-Herstellern gebe es einen Bestellstopp bis zum Herbst. Im Zweifelsfall müssten Kunden leider warten. "Uns sind da auch die Hände gebunden."
Auch beim Gebhardt Bauzentrum in Karlstadt sind Dachziegel und Mauerziegel momentan knapp. "Manchmal haben wir die Ware und die Wettbewerber nicht, manchmal ist es umgekehrt", sagt der stellvertretende Niederlassungsleiter Manfred Kraus. Teilweise gebe es von der Industrie Kontingente, die zugeteilt werden. Auch er berichtet von Bestellstopps.
Immerhin: "Es gibt immer mal wieder Lücken, wo man was kriegt." Insgesamt sei es ein großer Aufwand, an Ware zu kommen. Lieferungen hätten enorme Vorlaufzeiten, bei Dachziegeln drei bis sechs Monate. So etwas habe es sonst nicht gegeben. "Die Industrie entscheidet, ob du was kriegst oder nicht", sagt Kraus. Gebhardt schaffe es, seine Kunden zu bedienen, aber manchmal brauche es Geduld.
Michael Wurm, Chef vom Bauunternehmen Schmitt GmbH in Stetten, sagt: "Die Backsteine, das war schon ein Zirkus in letzter Zeit." Er berichtet von mehrmaligen Preiserhöhungen zuletzt und dass jeder vor einer angekündigten Preiserhöhung zum 1. Januar noch schnell bestellt habe, auch schon für Baustellen im Februar und März. Zum Teil musste er das selbst vorfinanzieren. Deswegen standen auf Baustellen monatelang Ziegelsteine herum. Früher habe es ausgereicht, dass man eine knappe Woche im Voraus bestellt hat, jetzt müsse man mehrere Wochen vorher bestellen.
Was sagt ein Ziegelhersteller dazu? Stefan Englert ist Geschäftsführer des Ziegelwerks Englert in Zeilitzheim (Lkr. Schweinfurt), einem der letzten übrig gebliebenen Ziegelwerke in Unterfranken. Er erhalte derzeit Anfragen von der Schweiz bis nach Hamburg, sagt er. Bisher habe er mit seinen Ziegelsteinen aber weiterhin nur Kunden in der Region beliefert. Er weiß zu berichten, dass ein großes Werk für Dachziegel und eines für Ziegelsteine in Norddeutschland die Produktion eingestellt haben, weil sie ihr Gas am Spotmarkt zu Tagespreisen einkaufen und der Gaspreis momentan einfach zu hoch sei. Ein weiterer großer Hersteller habe für Wartungsarbeiten zwei Wochen pausiert.
Zum Teil habe es auch Hamsterkäufe gegeben, als der Ukrainekrieg begonnen habe, so Englert. Kunden hätten Angst, dass das Gas und damit die Ziegel noch teurer würden oder das Gas ganz abgedreht wird. "Wenn der Gashahn zugedreht wird, gibt es keine Ziegel mehr", sagt Sebastian Dengel vom Bauzentrum Kuhn. Auch Ziegelproduzent Englert ist auf Gas angewiesen, zum Glück habe er einen langfristigen Vertrag. Zu schaffen mache ihm jedoch der hohe Dieselpreis. Zur Ziegel-Knappheit hat laut Englert auch der milde Winter beigetragen, wodurch auf dem Bau durchgearbeitet wurde und die Werke nichts auf Lager produzieren konnten.
Auch Dämmmaterial, Holzfaserplatten und Baustahl sind knapp
Derzeit sind neben Ziegeln weitere Baustoffe knapp und teuer, erzählen die Befragten, darunter Dämmstoffe, Holzfaserplatten und Baustahl. "Stahl kommt bei, aber die Preise sind extrem hoch", sagt Sebastian Dengel. Ein Grund sei das zerstörte Stahlwerk im ukrainischen Mariupol, das einen großen Teil des EU-Bedarfs bedient habe. Auch aus Weißrussland komme normalerweise Stahl, sagt Manfred Kraus vom Gebhardt Bauzentrum. Michael Wurm vom Bauunternehmen Schmitt sagt, dass Baustahl jetzt rund doppelt so teuer sei wie vergangenes Jahr. Er habe jetzt jede Menge Baustahlmatten auf Lager, während er früher nur ein paar gelagert hatte. Frank Brückner berichtet ähnliches. "Man muss halt immer rechtzeitig bestellen", sagt er.
"Man weiß nicht, wie lange die Misere noch anhält", sagt Manfred Kraus. Stefan Weyer von Weyer Holzbau vertraut darauf, dass der Markt die Sache regelt, weil, so hofft er, durch eine niedrigere Nachfrage die Preise auch wieder sinken. Holz sei vergangenes Jahr auch extrem teuer und kaum zu bekommen gewesen, inzwischen sei es wieder etwas günstiger.