Als vor gut einem Jahr Russland die Ukraine angriff, haben Andreas Lannig und seine Frau beschlossen, dass sie helfen wollen. Sie haben deshalb die Einliegerwohnung in ihrem Haus in Tiefenthal als Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung gestellt. Eine 29-jährige Ukrainerin und ihre Mutter sind dort am 1. April vergangenen Jahres eingezogen. "Heute würden wir das nicht noch einmal tun", sagt Andreas Lannig.
Nach ihrem Entschluss vor einem Jahr haben die Lannigs die kleine Wohnung im Erdgeschoss hergerichtet, eine Küche eingebaut, ein paar Möbel über Bekannte aus dem Dorf besorgt. Drei Tage vorher haben sie vom Landratsamt Bescheid bekommen, dass zwei Geflüchtete zu ihnen kommen. "Das lief eigentlich alles noch relativ gut und unbürokratisch", sagt Lannig. 200 Euro haben sie dafür monatlich erhalten, als Ausgleich für die Nebenkosten. Sie hätten aber auch deutlich mehr verlangen können, wie sie später erfahren haben.
Zu dieser Zeit sei die Rede davon gewesen, den Wohnraum für vier oder fünf Monate bereitzustellen. "Da haben wir gesagt, klar, das machen wir gern", so Lannig. Doch die Zeit verging und dann war es kurz vor Weihnachten, da wollten sie die beiden auch nicht rauswerfen. Bis April, haben sie sich gesagt, wäre es schön, wenn die Ukrainerinnen eine andere Wohnung finden würden. Denn wenn die Söhne der Lannigs zu Besuch sind, nutzen sie normalerweise die Einliegerwohnung.
Die Miete zahlt das Jobcenter
Zum ersten April haben die beiden Ukrainerinnen nun tatsächlich eine Bleibe gefunden. Vor gut einer Woche sind sie in eine Ferienwohnung in Marktheidenfeld gezogen, die Bekannte der Familie Lannig vermieten. "Das war aber reiner Zufall. Und bis dahin hat es uns viel Zeit und Nerven gekostet", sagt Lannig. Er kritisiert, dass es von staatlicher Seite keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer Wohnung oder dem Bewältigen der vielen bürokratischen Hürden gebe.
Im Februar haben die Lannigs beim Landratsamt angeklopft und sich erkundigt, wie die Ukrainerinnen an eine eigene Wohnung kommen könnten. "Da hieß es dann, wir sind nicht mehr zuständig", erzählt Lannig. Zwar sei ihnen klar gewesen, dass das Jobcenter für die Bezahlung zuständig sei. Doch um die Suche nach einer neuen Wohnung und die Anträge beim Jobcenter müssten sich die Ukrainerinnen selbst kümmern, hieß es von dort. "Das ist aber nicht möglich. Das geht einfach nicht mit der ganzen Bürokratie", so Lannig. Beide besuchen zwar einen Deutschkurs. Doch für das Ausfüllen von komplizierten Formularen reiche das Sprachniveau noch lange nicht.
Viele Vermieter wollten keine Ukrainer
Also haben die Lannigs sich gekümmert. Sie haben sich bei einer gemeinnützigen Baugenossenschaft und Organisationen gemeldet, aber nie eine Antwort erhalten. Sie haben bei Ebay-Kleinanzeigen geschaut und inseriert, ihre Suche in der Whatsapp-Gruppe des Ortes gepostet und sich auf verschiedene Anzeigen gemeldet. Dabei herausgekommen ist nichts. Das Feedback der Vermieter sei immer ähnlich gewesen: "Ukrainer wollen wir nicht."
Neben der Suche nach einer Wohnung hat das Paar im vergangenen Jahr viel Zeit in andere Behördengänge investiert. "Wir haben sie bei der Anmeldung bei der Krankenkasse unterstützt, haben uns um die Aufenthaltsgenehmigung gekümmert, ein Konto bei der Bank eröffnet." Da sei ihnen auch erst einmal bewusst geworden, was man eigentlich alles in die Wege leiten müsse. Den Zeitaufwand könne man am Anfang gar nicht richtig abschätzen.
Lannig kann verstehen, dass das Landratsamt nicht die personellen Ressourcen hat, jeden einzelnen ukrainischen Geflüchteten zu betreuen. Doch irgendwo müsse er seine Kritik platzieren. Bei der Aufnahme sei ihnen gesagt worden: Wir helfen euch jetzt und wir helfen euch, wenn es wieder beendet werden soll. Doch das war definitiv nicht der Fall, sagt Lannig. "Es hat nie jemand gefragt, ob man Unterstützung braucht oder ob es irgendwo hakt." Das habe er einfach vermisst.
Der Fehler liegt im System, findet Lannig
Der Fehler liege im System, das es Geflüchteten und Helfer schwer mache, findet Lannig. Und das ärgert ihn. Am Anfang lief vieles schnell und unbürokratisch. "Doch dann schlägt die deutsche Bürokratie knallhart zu." Unterstützung haben sie zwar von der Ukraine-Hilfe Main-Spessart bekommen, mit der sie viel im Austausch standen. Doch auch das sei eine ehrenamtliche Organisation.
Kurios fand Lannig auch eine weitere Aussage des Landratsamtes: Es sei gängige Praxis, dass man den Geflüchteten die Wohnung kündige – dann müsse sich eben die Gemeinde um deren Unterbringung kümmern. "Wir haben gesagt, wir wollen ihnen helfen – dann können wir sie doch nicht einfach rausschmeißen", findet Lannig. Hätte es mit der Ferienwohnung nicht geklappt, hätten sie die beiden auch noch weiter dort wohnen lassen. "Aber ewig wollten wir es halt auch nicht machen."
In einer Stellungnahme verweist das Landratsamt auf die Verlagerung der Zuständigkeit an die Jobcenter seit Juni 2022. "Trotz der fehlenden gesetzlichen Zuständigkeit versucht das Landratsamt, die bestmögliche Unterstützung anzubieten", schreibt Pressesprecher Markus Rill. Nicht selten ergebe sich das Problem, dass Wohnungsanbieter keinen Mietvertrag mit Wohnungssuchenden aus der Ukraine abschließen möchten. Es sei aber rechtlich nicht möglich, dass der Landkreis selbst Wohnungen anmiete und diese an Geflüchtete weitervermiete.
"Möglichkeiten des Landratsamtes sind beschränkt"
"Die Möglichkeiten des Landratsamts bei der Wohnungssuche konkrete Hilfe zu leisten, sind also beschränkt", so Rill weiter. Das Jobcenter verweist auf die Betreuung durch Integrationsfachkräfte und die Vermittlung an soziale Stellen. Bei drohender Obdachlosigkeit rät das Landratsamt außerdem, sich möglichst frühzeitig an die Wohnsitzgemeinde zu wenden, damit diese helfen kann. "Wir möchten Familie Lannig unseren Dank aussprechen und Anerkennung zollen für ihr humanitäres Engagement", heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme.
Auch wenn die Lannigs in Zukunft eigentlich keine Geflüchteten mehr aufnehmen möchten, haben sie weiterhin einen Wunsch: "Einfach mehr Unterstützung für die Helfer und einen verlässlichen Ansprechpartner."
Gut dass dieser wiedereinmal öffentlich thematisiert wurde.
Es hakt in allen Bereichen. Jugendamt, Gleichstellung, Ausbildungsförderung, Pflege, Jugendarbeit, Baurecht und einige andere Bereiche.
Mit Blick auf Würzburg, Schweinfurt oder Aschaffenburg schneidet meines Erachtens MSP weniger gut ab.
Klappt ja wunderbar
Was ist hierbei der Hintergrund - müßte da nicht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, greifen?
Noch werden Mieter nicht "zugeteilt".
Einen Mieter in sein Eigentum einziehen zu lassen ist für einen privaten Vermieter auch Vertrauenssache und es entscheidet sehr oft die Sympathie. Es gibt immer Gründe Bewerber abzulehnen ohne das gleich die Rassismuskeule geschwungen und Diskriminierung gerufen wird.
Ich selbst habe keine Wohnung zu vermieten, aber wenn es so wäre, dann will ich schon selbst entscheiden, an wem ich meine Wohnung vermiete? Nach welchen Kriterien ich da entscheide, geht Niemanden etwas an.