In ihrer Garage in Urspringen hatte sie angefangen: Ende Februar, als in der Ukraine die ersten Raketen Einschusslöcher hinterließen. Damals wollte Monika Matera Freunden und Verwandten im Kriegsgebiet helfen und fingt an, Sachspenden zu sammeln. Ihre private Initiative erfuhr so viel Solidarität, dass daraus rasch ein großer Helferkreis wurde, letztlich mit einer großen Lagerhalle am Dillberg 21, der "Hilfe für die Ukraine MSP".
Nach rund vier Monaten läuft die Hilfe vor Ort rundum professionell ab. Alles, was an Spenden reinkommt, von der Bodylotion bis zur Badehose, hat seinen festen Platz in der Halle. Die Wäsche nach Größe sortiert, Lebensmittel und Hygieneartikel beschriftet in den zahlreichen Regalen, beschriftet auf deutsch, teilweise auch auf ukrainisch.
Zweimal pro Woche können ukrainische Flüchtlinge aus Main-Spessart hier her kommen und sich eindecken. Nachdem die Halle anfangs öfters geöffnet hatte, sind die Zeiten mittlerweile auf zwei Termine pro Woche reduziert. Denn auch die engagiertesten Helfer sind irgendwann einmal erschöpft. "Das Ganze kostet natürlich auch Kraft", beschreibt Monika Matera, während sie Möhren in eine Tüte packt. Eigentlich hilft sie immer mittwochs nachmittags bei der Ausgabe. Heute ist sie schon früh da und bereitet vor. Von einigen Großfamilien hat sie schon im Vorhinein Einkaufslisten bekommen. Aber die meisten Ukrainer stehen bereits seit kurz vor acht Uhr vor der Tür zu der Halle am Dillberg.
System der Eintrittszettel, damit alle gleich behandelt werden
Bis sich diese um neun Uhr öffnet, trudeln erst noch die restlichen Helfer ein. Unter ihnen auch drei ukrainische Frauen. Mariia Matviiv ist mit ihrer 14-jährigen Tochter aus Lwiw geflüchtet und bei Freunden in Marktheidenfeld untergekommen. Lisa Nöth aus Birkenfeld bringt die ukrainischen Schwestern Iryna und Olena Perevizniak mit, die zusammen mit ihren Kindern, Mutter und Großmutter dort untergekommen sind. "Sie haben von sich aus angeboten, uns zu helfen", erzählt Lisa Nöth. Für die Verständigung an der Ausgabe sind die Muttersprachlerinnen Gold wert.
Kurz vor neun Uhr sind elf Helferinnen und Helfer da, die sich in der Halle verteilen. Teils an der Ausgabe stehen, teils bei der Beratung rund um Kleidung, Schuhe oder Haushaltswaren helfen oder Ware wieder auffüllen. Reyhan Musa übernimmt den Einlass. Er wohnt in Höchberg, arbeitet aber am Dillberg und kombiniert so seinen Helfereinsatz mit der Arbeit. Er hat in der Schule russisch gelernt. Während er den Hereinströmenden einen Zettel in die Hand drückt, erklärt er, dass sie diesen an der Ausgabe abgeben müssen. "Das haben wir eingeführt, damit es keine Ungerechtigkeiten gibt, nachdem sich die Leute zu Anfang teilweise mehrmals angestellt haben", erklärt er.
Rund 100 bis 150 Menschen kommen wöchentlich zu den Öffnungszeiten an die Halle am Dillberg. Auch an diesem Mittwoch sind es bis 10 Uhr schon 80 Leute vor und in der Halle. Schwierig wird es, wenn zu den 150 Flüchtlingen aus Main-Spessart noch weitere 100 aus umliegenden Regionen herkommen, wie zuletzt. "Die Leute kommen teilweise aus Wertheim und Miltenberg", erzählt Sebastian Dosch. Auch er ist im Orga-Team der Ukraine-Hilfe MSP und kümmert sich vor allem um die Spendenbeschaffung.
Hier merkt er deutlich, dass die Spendenbereitschaft zurückgegangen ist. Das Thema sei medial durch, so Dosch. Zwar bekämen sie nach wie vor Spenden, auch von einigen Firmen aus dem Raum Marktheidenfeld. Aber im Bereich der Lebensmittel und Hygieneartikel müssten sie dazu kaufen. Rund 5000 Euro koste das wöchentlich. Aber auch die Kapazitäten bei den Helfern seien erschöpft, so Dosch. Auch Hilfstransporte nach Polen und zurück gibt es keine mehr. Was auch mit den fehlenden Fahrern zu tun hat. Aber auch damit, "dass wir das, was die dort brauchen auch hier brauchen", erklärt Monika Matera.
Insofern zeichnete sich das Auslaufen der Hilfe in diesem Stil ab – zumindest was den Punkt der Warenverteilung angeht. "Wir arbeiten noch an einer kleineren Lösung", sagt Sebastian Dosch vom Organisations-Team. Die Spendenhalle aber werde Ende Juli aufgelöst. Auch, da diese wieder vermietet sei. Eine Versorgungslücke entsteht seiner Meinung dadurch nicht. Es sei genug staatliche Hilfe da, um das aufzufangen. "Rein theoretisch bekommt jeder Flüchtling Grundsicherung", erläutert er. Bis so ein Antrag durch sei, dauere es aber meist. "Das wird sich bei vielen noch vier Wochen ziehen", so Dosch. Bis dahin sei es gut, wenn die Leute noch über die Halle mit dem Nötigsten versorgt sind.
Und auch hier Ansprechpartner finden: Noch an der Tür spricht ein Ukrainer Monika Materna an. Er hat eine Augenkrankheit, die dringend behandelt gehört und wartet hier noch auf die behördliche Genehmigung. "Die Menschen sind mit unserer Bürokratie meistens völlig überfordert", erzählt Matera. Sie hat sich zusammen mit einer weiteren Helferin in die Team-Räume der Halle zurückgezogen, um "Papierkram" zu machen. Das sind in erster Linie Hartz-IV Anträge. "Wenn die Flüchtlinge kommen, haben sie meist nur ihren Ausweis im Checkkarten-Format dabei. Nach ein paar Wochen haben sie einen Ordner voll mit Dokumenten", beschreibt sie.
Hier zu helfen, Anträge durchzugehen, zu erklären, zu übersetzen, auszufüllen, diese Art von Hilfe wird auch weiterhin nötig sein und könnte insofern ein Bestandteil des zukünftigen Helferkreises bleiben. Zudem könnte man weiterhin als Vermittler auftreten: Die Datenbank mit den Kontakten zu ehemaligen Helfern, aber auch Sponsoren ist da, so Dosch. Das, was an Ware in der Spendenhalle Ende Juli übrig bleibt, könnte an Rot-Kreuz-Läden oder andere Sozialkaufhäuser gehen.
Ein Handkuss als Dankeschön
An diesem Mittwochmorgen aber gehören die Gedanken ins Hier und Jetzt: Immer noch steht eine Traube von Menschen vor der Tür. Sie warten geduldig, Einkaufstasche und Einkaufsliste bereits in der Hand. Manche zeigen an der Ausgabe-Theke auch per Handy, was sie brauchen. Weiter hinten bei der Bekleidung ist jemand aus dem Helferteam einem Herrn im Rollstuhl bei der richtigen Schuhauswahl behilflich. Als Dank bekommt sie einen Handkuss. Und immer wieder hört man "Danke" oder liest es. So wie auf einem Brief an der Ausgabetheke, auf dem steht: "Mein Name ist Mariia. Ich wollte mich bedanken, dass Sie den Ukrainern geholfen haben. Ich hoffe, dass wir Ihnen eines Tages helfen werden!"