Ein Bergfried mit vier Meter dicken Mauern, Kellerverliese, schummrige Wehrgänge, herrschaftliche Palasgebäude: Burgen sind mächtige Symbole ritterlichen Lebens, geheimnisvolle und majestätische Zeugen mittelalterlicher Baukunst. "Gerade Burgen und ihre Bewohner prägen unsere Vorstellung vom Mittelalter", sagt Dr. Gerrit Himmelsbach vom Unterfränkischen Institut für Kulturlandschaftsforschung an der Uni Würzburg und Projektleiter Archäologisches Spessartprojekt. Über 100 Burgen gibt es laut Himmelsbach in Unterfranken: "Jede hat ihren eigenen Charme und ihre eigene Geschichte."
Im 10. und 11. Jahrhundert wurden in der Region die ersten steinernen Burgen gebaut. Mit massiven Mauern und Ecktürmen wirkten sie uneinnehmbar. Sie dienten jedoch nicht nur militärischen Zwecken, sondern waren auch herrschaftliche Residenz. "Burgen entlang eines Flusses waren immer wichtig, denn hier konnte man über den Zoll gut an Bargeld kommen", sagt der Historiker.
Auch heute noch seien Burgen und Klöster auffällige Landschaftsmerkmale. Viele Kulturwege des Archäologischen Spessartprojekts führen an einigen vorbei. Wir stellen hier vier Burgen, Klöster und Ruinen vor, deren Besuch sich lohnt.
1. Ein Unikum in Franken: die Ruine Schönrain bei Gemünden
Die Ruine Schönrain erhebt sich oberhalb des Mains zwischen Hofstetten und Steinbach (Lkr. Main-Spessart). Sie hatte eine wechselvolle, über tausendjährige Geschichte: Ab 1095 entstand dort ein politisch bedeutendes Benediktinerkloster, ein Ableger der mächtigen Abtei Hirsau im Nordschwarzwald. Im Bauernkrieg 1525 wurde das Anwesen komplett zerstört.
Eine Sage erzählt von einem Kloster der heiligen Lioba auf Schönrain, das um 750 entstanden sein könnte. Für den Wahrheitsgehalt spricht ein Saal, der Teil des Rienecker Schlosses ist. Ihn deutet Historiker Gerrit Himmelsbach als "frühe relativ große Saalkirche", in die von außen ein wuchtiges karolingisches Portal führt. Das Portal sei "ein Unikum dieser Art in Franken und deshalb kunstgeschichtlich bemerkenswert". Leider sei heute davon kaum mehr etwas zu sehen.
Die Grafen von Rieneck gestalteten das Kloster später zum schlossähnlichen Amtshaus mit Witwensitz um. Nach dem Tod der letzten Gräfin von Rieneck übernahm das Hochstift Würzburg 1601 Schönrain und verlegte das Forstamt nach Gemünden. Ab da diente Schönrain bis 1818 nur noch als königlich-bayerische Forstdienststelle und verfiel dann vollends. Heute gehört die Ruine auf der Gemarkung des Gemündener Stadtteils Hofstetten der Staatsforstverwaltung.
Anfahrt: Die Ruine liegt auf der Strecke zwischen Steinbach und Hofstetten. Am Fuße befindet sich ein öffentlicher Parkplatz. Von dort aus geht es zu Fuß knapp zwei Kilometer bergauf durch den Staatswald. Man sollte etwa 30 Minuten für die Strecke einplanen.
Wanderwege: Zur Ruine Schönrain führen mehrere Wanderwege. So gelangt man von Hofstetten aus über den Marienweg oder den Spessartweg I zur Ruine. Mehr Infos unter www.spessart-erleben.de/content/wanderung-zur-burg-schoenrain
2. Burgruine mit Rundum-Blick: die Burg Wertheim
Den Grafen von Wertheim bauten eine auch für die damalige Verhältnisse große, staufische Burganlage, die heute zu den schönsten und größten Burgruinen Süddeutschlands zählt. Eine Burganlage am Main, das sei für viele Adelige das Ziel gewesen, sagt Himmelsbach. Denn die Zolleinnahmen bedeuteten nicht nur Macht, sondern auch Reichtum.
Noch heute ist die Burganlage das Wahrzeichen von Wertheim (Main-Tauber-Kreis) und mittlerweile im Besitz der Stadt. Im 13. Jahrhundert machte Graf Poppo II. aus der Turmhügelburg seines Vorfahren eine standesgemäße kleine Residenz – mit Bergfried, Palas, Kemenate und erster Ringmauer. Bis ins 16. Jahrhundert wurde die Burg kontinuierlich ausgebaut. Die Wehranlagen erzählen noch von der trutzigen Stärke. Zur Ruine wurde das mittelalterliche Schloss durch starken Beschuss im Dreißigjährigen Krieg und durch eine Pulverexplosion 1619.
Heute ragt nur noch der staufische Bergfried in den Himmel, ein Renaissanceportal von 1562 zeigt sich nach der Renovierung in voller Schönheit. Die Burganlage, eines der beliebtesten Ausflugszielen zwischen Spessart und Odenwald, kann auf einem weitläufigen Rundweg nahezu komplett besichtigt werden. Vom Bergfried aus bietet sich ein herrlicher Blick über Main und Tauber und die Ausläufer von Spessart und Odenwald.
Anfahrt: In der Innenstadt von Wertheim gibt es Parkplätze, die Burgruine ist von der Altstadt aus gut in etwa 5 bis 10 Minuten zu erreichen. In der Burg befindet sich ein Restaurant mit Terrasse und Rundumblick über die Dächer der Altstadt bis in den Spessart hinein. Adresse: Tourismus Region Wertheim GmbH, Schlossgasse 11, 97877 Wertheim.
Öffnungszeiten: Die Burg Wertheim ist im November und Dezember November und Dezember freitags, samstags und sonntags von 11 Uhr bis Einbruch der Dunkelheit geöffnet. Infos und Führungen: Tourismus Wertheim, Gerbergasse 16, Mo bis Fr von 10 bis 16 Uhr, Tel. (09342) 93509-0, www.tourismus-wertheim.de
3. Ton, Steine, Scherben: die mittelalterliche Ruine Clingenburg
Das mittelalterliche Städtchen Klingenberg (Lkr. Miltenberg) mit seinen Fachwerkhäusern, dem Stadtschloss und den romantischen engen Gassen lädt zum Verweilen ein. Über allem prägt die Ruine der Clingenburg das einzigartige Stadtbild. Eine Vorgängeranlage der Clingenburg bestand bereits um 1100 und lag östlich der heutigen Ruine im Bereich des Klingenberger Tonbergwerks. Auf dem 7,5 Kilometer langen Kulturweg "Vom Ton, Steinen und Scherben" erreichen Wanderer heute den Ort und erfahren alles Wissenswerte rund um den früheren Tonabbau.
Erbaut wurde die Clingenburg 1177 von Conradus Colbo, dem Mundschenk Kaiser Friedrich Barbarossas, erklärt Gerrit Himmelsbach. In einer in Venedig ausgestellten Urkunde von 1177 habe er sich erstmals nach seiner neuen Burg "Conradus de Clingenburg" genannt. Die Verkehrsader Main bescherte der Stadt großen Reichtum. Durch Heirat kamen die Herren von Bickenbach in den Besitz von Burg und Herrschaft und residierten dort für etwa 250 Jahre. Erst nach ihrem Aussterben erwarb das Erzstift Mainz den Herrschaftsbereich und machte Klingenberg zur mainzischen Amtsstadt.
Ab 1891 fanden auf der Clingenburg, deren Innenhof sich hervorragend als Freilichtbühne eignet, sporadisch Burgspiele und Theateraufführungen statt. Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920 Jahre beendete die Festspiele. Im Jahr 1969 wurde die Theateridee wieder aufgegriffen. Von 1994 bis 2019 fanden dort die Clingenburg Festspiele statt. Heute wird die Burgruine für unterschiedliche Veranstaltungen wie Serenaden, Freilichttheater, Vereinsfeste und Konzerte genutzt.
Anfahrt: Man kann mit dem Auto bis zur Burg fahren, es gibt einen Besucherparkplatz. Alternativ kann man die Parkmöglichkeiten an der Mainbrücke in Klingenberg nutzen und zu Fuß zur Ruine wandern.
Führungen: Touristinformation der Stadt Klingenberg, Wilhelmstraße 12, 63911 Klingenberg am Main. Geöffnet Mo bis Freitag 9–12 Uhr, Tel. (09372) 13 360. E-Mail: info@klingenberg.de, Infos: www.klingenberg.de
4. Eine Burg von gigantischem Ausmaß: Ruine Homburg
Die Homburg liegt erhaben über dem Werntal auf dem Setzberg bei Gössenheim (Lkr. Main-Spessart): einst Herrschaftswohnsitz, dann Steinbruch, jetzt Heimaterbe. Heute kann man dort bei historischen Führungen in die Vergangenheit eintauchen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Burg 1170 im Zusammenhang mit Dietrich von Hohenberg, der Ministeriale in Würzburg war. Die Adelsfamilie Bickenbach verkaufte im Jahr 1469 die Burg an den Landesherrn Fürstbischof Rudolf II von Scherenberg.
Im Jahr 1680 begann nach einem Brand im Herrenhaus der Verfall der Hauptburg. 1780 teilte die Fürstbischöfliche Hofkammer den Besitz auf: Die Gemeinde Karsbach erhielt den Schlosshof, die Gemeinde Gössenheim das Hauptschloss. Doch die Homburg verfiel zusehends. Zum Steinbruch für die umliegenden Ortschaften degradiert, trugen die Bewohner nach und nach die Gemäuer ab. Erst ab 1960 setzte sich der neu gegründete Denkmalschutzverein Homburg für den Erhalt der Ruine ein.
Die Burgruine Homburg gilt von den Ausmaßen her nach dem Heidelberger Schloss als zweitgrößte Burgruine in Deutschland. "Und sie war bis vor einigen Jahren noch weitgehend unerforscht", erklärt der Historiker des Spessartprojekts. Mittlerweile ist sie neu vermessen. Um das historische Erbe zu erhalten, haben die Besitzer der Burgruine, die Gemeinden Gössenheim und Karsbach, eine umfangreiche Sicherung und Sanierung der Burg beschlossen.
Anfahrt: Burgruine Homburg, An der Homburg, 97780 Gössenheim. Die Burgruine kann ganzjährig kostenlos besichtigt werden. Die Gemeinde und der Denkmalschutzverein bieten Führungen für Gruppen an. Kontakt: Erich Fenn, Tel. (09358) 1404, E-Mail: erichfenn@t-online.de
Wanderung: Die Burgruine ist auch über einen Rundwanderweg von Gössenheim aus zu erreichen. Er verläuft auf einer Strecke von vier Kilometern, meist steil bergauf über Gössenheim, Kuhbachtal, Ruine Homburg, Bergmühle, Wassertretanlage, Eselsbrunnen und wieder zurück nach Gössenheim. Infos unter www.spessart-erleben.de/content/wanderung-zur-burg-homburg