In Aschaffenburg hat das Christian Schad Museum eröffnet. Schad, geboren 1894, zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Moderne. Sein Leben reflektiert die Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts – von Dada über Expressionismus, Neue Sachlichkeit bis zum Magischen Realismus der Nachkriegszeit. Auf drei Etagen werden Werke aus allen Schaffensperioden des Künstlers gezeigt, der bis zu seinem Tod 1982 in Aschaffenburg lebte.
Eigentlich sollte das Museum im denkmalgeschützten Ensemble des ehemaligen Jesuitenkollegs direkt neben der Kunsthalle Jesuitenkirche bereits 2017 öffnen. Doch es gab bauliche Probleme, die Klimaanlage streikte. Die Kosten stiegen von geplanten 4,6 Millionen Euro auf 6,5 Millionen Euro. Seit 3. Juni läuft nun der Museumsbetrieb. Anja Lippert, Kunsthistorikerin und Sachgebietsleiterin Stadtgeschichte, hat den Aufbau des Museums von Anfang an begleitet.
Fünf Gründe, warum sich ein Besuch des neuen Museums lohnt:
1. Aschaffenburg als Kunstmetropole entdecken
Das Christian Schad Museum ist eines von acht Museen in Aschaffenburg. Es liegt auf der Museumsmeile zwischen Schloss Johannisburg und Stiftsbasilika. Dass es das Museum gibt, ist der Witwe des Künstlers, Bettina Schad, zu verdanken. Sie gründete zwei Jahre vor ihrem Tod im Jahr 2000 eine Stiftung und vermachte der Stadt Aschaffenburg den gesamten Nachlass des Künstlers, knapp 3200 Werke. "Diese Bandbreite ist nur in Aschaffenburg zu sehen", sagt Lippert.
Der gebürtige Oberbayer Christian Schad lebte in München, Genf, Zürich, Wien und Berlin. Was führte ihn nach Aschaffenburg? "Schad kam 1942 das erste Mal in die Stadt, um das Portrait einer Bürgerin zu malen", erzählt die Kunsthistorikerin. Im Jahr darauf erhielt er einen städtischen Auftrag für die Kopie der berühmten "Stuppacher Madonna" von Matthias Grünewald. "Als Berlin bombardiert und sein Atelier zerstört wurde, verlegte er seinen Wohnort an den Untermain."
2. In die Künstlerbiografie eines spannenden Jahrhunderts eintauchen
Schad machte kein Abitur, er wollte bereits mit 18 Jahren Künstler werden. "Er hatte das Glück, reiche Eltern zu haben, die ihn Zeit ihres Lebens förderten", erzählt Lippert. Als im Juli 1914 der Ersten Weltkrieg unmittelbar bevorstand, schickten ihn seine Eltern 1915 zur Kur nach Zürich, damit er nicht den Militärdienst antreten musste. "Als freischaffender Künstler experimentierte er in alle möglichen Richtungen", sagt Lippert. Es entstanden kubistisch und expressionistisch orientierte Werke.
Eindrucksvoll ist auch eine Serie mit Portraits von Patienten einer Nervenheilanstalt. "Schad interessierte sich schon immer für Personen am Rande der Gesellschaft", erläutert Lippert. Doch nicht nur das. In der neutralen Schweiz lernte er auch bekannte Künstler wie Hugo Ball, Emmy Hennings und Hans Arp kennen und erlebte die Entstehung der Dada-Bewegung mit.
3. Fotogramme und Schadographien kennenlernen
"Schadographien sind Schads wichtigster Beitrag zur Dada-Bewegung", erklärt die Kunsthistorikerin. Doch was ist das? "Von 1918 an arrangierte er Zufallsfunde wie Pflanzenteile und andere Alltagsgegenstände auf lichtempfindlichem Papier und belichtete sie unterschiedlich lange." Auf diese Weise entstanden abstrakte Kunstwerke. Eines dieser frühen Werke, "Schadographie Nummer 11", ist im Museum zu sehen.
Die erste Veröffentlichung eines solchen Schad'schen Fotogramms erfolgte 1920 in der Zeitschrift "Dadaphone". Später wurden wurden drei Fotogramme durch den Dada-Mitstreiter Tristan Tzara 1936 bei einer Ausstellung im Museum of Modern Art (MoMA) in New York gezeigt. 1937 erwarb das bedeutende Museum diese Werke. "Der Künstler selbst bekam das erst viel später mit", sagt Lippert. Heute tauchen die verschwommenen Formen, die an Röntgenbilder erinnern, als hinterleuchtete Motive an den Außenfassaden des neuen Museums auf.
4. Die Portraits der Neuen Sachlichkeit studieren
Im Sommer 1920 reiste Schad nach Rom, studierte dort die Meister der Renaissance. Erste Portraits entstanden. Von Rom zog er nach Neapel: "Dort war es wild, chaotisch und südländisch", sagt Lippert. In Italien begann der Künstler, seinen eigenen Stil zu entwickeln, den die Kunsthistorikerin als "sachlich, nüchtern und kühl" beschreibt. Schad heiratete Marcella, bekam einen Sohn, zu dem er kaum Kontakt haben würde, und zog weiter nach Österreich. "Die in Wien entstandenen Werke zeichnen sich durch ihre stilisierte Gegenständlichkeit und emotionale Kälte aus", sagt die Schad-Expertin.
Das Interesse an Schads Kunst blieb aber weiter aus. Einzig seine Frauenportraits wurden häufig als Titelbilder von Frauenzeitschriften veröffentlicht. Schad zog 1927 nach Berlin und tauchte ein in die Unterwelt. "Er malte Prostituierte, Homosexuelle, Szenen aus dem kleinkriminellen Milieu", erläutert die Kunsthistorikerin. Aus dieser Zeit stammt zum Beispiel die Silberstiftzeichnung "Liebenden Knaben". Schads Lebenspartnerin und wichtigstes Modell wurde Maria Spangenmacher, genannt Maika. "Die stoffliche Malweise insbesondere der Haut ist ein Höhepunkt in Schads Kunst", sagt Lippert.
5. Schads Werdegang von der NS-Zeit bis zum internationalen Ruhm nachverfolgen
In der Ausstellung wird auch die Zeit des Nationalsozialismus thematisiert. Schad trat 1933 in die NSDAP ein. Warum er das tat? "Schad wollte erfolgreich werden. Doch Aufträge und Kunden fehlten ihm weiterhin", sagt Lippert. Das Portrait der "Isabella" wurde 1937 bei einer Nazi-Ausstellung im "Haus der Kunst" in München gezeigt. "Schad wurde später als Mitläufer eingestuft", so die Expertin. Zugute kam ihm, dass er während der NS-Zeit kein Amt und keinen Rang innehatte.
1942 lernte er die junge Schauspielerin Bettina Mittelstädt in einem vegetarischen Restaurant kennen. "Sie wurde nicht nur seine Frau, sondern war Gefährtin, Vertraute und Betreuerin seines künstlerischen Werkes", sagt Lippert. Betina Schad kümmerte sich 1943 um den Umzug nach Aschaffenburg. Erst 1972 fand eine erste umfassende Ausstellung im Palazzo Reale in Mailand statt. Es folgten Ausstellungen in New York, Zürich, Wien, Paris und London. "Bettina Schad ist es zu verdanken, dass ihrem Mann nun auch ein eigenes Museum gewidmet ist."