Die Ruine Henneburg oberhalb von Stadtprozelten (Lkr. Miltenberg) ist eine der größten Burgruinen in Bayern. Auf einem Ausläufer des Kühlbergs thront sie etwa 70 Meter hoch über der Ortschaft. Durch den leuchtend roten Buntsandstein ist das imposante Bauwerk schon von Weitem zu sehen.
Man kann die Burg mit dem Auto erreichen oder hinauf wandern. Besonders schön ist die Anfahrt mit dem Fahrrad auf dem Main-Radweg. Start der Tour ist in Freudenberg am Main (Main-Tauber-Kreis). Dort überquert man den Main und fährt auf dem Radweg etwa 15 Kilometer in Richtung Stadtprozelten. Die Route führt direkt am Fluss entlang und hat kaum Steigungen. Nur das letzte Stück hinauf zur Ruine hat es in sich. Da muss man sogar mit dem E-Bike kräftig in die Pedale treten.
Oben angekommen belohnt einen gleich ein eindrucksvoller Blick über das Maintal des südlichen Mainvierecks. Die wichtigsten Infos zur frisch renovierten Burg und zum Besuch dort im Überblick.
Was ist das für eine Burg und wie alt ist sie?
Timo von Bratselde, 1127 Vogt des Stiftes St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg und Verwalter deren Besitztümer im Mainviereck, zu dem auch Prozelten gehörte, gilt als der Gründer des Burgbezirks und Auftraggeber für einen Vorläuferbau der Burg Prozelten, wie die Henneburg zunächst hieß. Mehrfach wechselte die Burg, die an einer wichtigen Handelsstraße zwischen Würzburg und Frankfurt lag, im Laufe der Jahrhunderte den Besitzer.
Timo von Bratselde war ein Sohn des Graf Gotebolds II. von Henneberg, daher kommt wohl die Bezeichnung "Henneburg" als Ableitung von "Henneberg", erklärt Gästeführerin Dorothea Zöller. Für die Größe und den letzten Ausbau war der Deutsche Orden im 14. und 15. Jahrhundert verantwortlich. Ab 1688 verfiel das einst prächtige Bauwerk. Erst der bayerische König Ludwig I. verbot im 19. Jahrhundert die Burganlage als Steinbruch zu benutzen.
Wann und wie wurde die Henneburg saniert?
Nach einem Blitzschlag im Juni 1978, der drei Menschen das Leben kostete, wurde die Henneburg in den Jahren 1982 bis 1986 erstmals saniert, erklärt Gina Gehrig-Spanlang von Kultur und Tourismus Stadtprozelten. Die Türme wurden restauriert und Befestigungsanlagen ergänzt, der unterirdische Wehrgang wurde wieder begehbar gemacht, ein abschließbares Tor am großen Turm angebracht und ein Besucherparkplatz angelegt.
Der Freistaat Bayern hat 2016 mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen auf der Henneburg begonnen. Der Mauerbestand wurde gesichert, der große Bergfried saniert, die Ringmauern und das Palasgebäude wurden überkront. Insgesamt 3,1 Millionen Euro hat der Freistaat ausgegeben. Jetzt können die Besucher dieses Kulturdenkmal wieder uneingeschränkt besuchen.
Was erwartet die Besucher auf der Henneburg?
Wer die Burgruine erkunden möchte, sollte eine Taschenlampe einpacken. Durch einen dunklen Gang schlängelt sich eine enge Treppe nach oben zu den ehemaligen Wehrgängen. Erst wenn die unterschiedlich geformten Schießscharten auftauchen, fällt etwas Licht in den düsteren Gang. "Burgen waren immer ein Zeichen von Macht und ein Ausdruck von Stärke", sagt Dorothea Zöller, die immer wieder Führungen dort anbietet. Der Wehrgang ist fast vollständig erhalten, die Besucher können so einen kleinen Eindruck von der Situation im Mittelalter bekommen.
Weiter geht es durch zwei langgezogene Palasbauten, die auch relativ gut erhalten sind. Man muss beim Rundgang keiner festen Route folgen, alles Sehenswerte ist mit neuen Tafeln gut beschildert.
"Das Leben auf der Burg war kalt, teuer und alles musste nach oben gebracht werden", erklärt die Gästeführerin. Geheizt worden seien nur wenige Zimmer. "Meistens gab es eine Kemenate", sagt Zöller. Das Wort leitet sich ab vom lateinischen Wort Caminus, was Ofen, Feuerstätte oder Kamin bedeutet. "Dieser Raum war in der Regel geheizt und hier schliefen der Burgherr und seine Frau."
Warum kann man auf der Henneburg zum Bogenschießen gehen?
"Die Ruine war früher unser Abenteuer-Spielplatz", erinnert sich Michael Gössl, der in dem 1500-Einwohner-Örtchen aufgewachsen ist. Seit Juli 2021 bietet er im Burggraben und in den umliegenden Wäldern 3-D-Bogenschießen für Anfänger und Profis an. Der heutige Burgherr und seine Frau Susanne haben rund um die Burg einen 3D-Bogenschützen-Parcours geschaffen. Auf einem knapp fünf Kilometer langen Rundweg können Schützen auf Rehe, Wildschweine oder Bisons - allesamt aus Schaumstoff - zielen. 30 Stationen mit etwa 100 sogenannten 3-D-Tieren sind eingerichtet. "Manche Schützen kommen in mittelalterlicher Kleidung – passend zur Burg", sagt Gössl.
Gössl hat früher als Kaminkehrer gearbeitet und kam nach einem Unfall zum Bogensport: "Das Bogenschießen hat mich wieder fit gemacht", sagt der 58-Jährige. "Die Bewegungsabläufe beim Bogenschießen haben etwas Meditatives. Man fokussiert sich. Man ist in der Natur. Man genießt die Stille. Das ist total entspannend."
Wer Interesse hat, kann im Burggraben gegen Gebühr eine Probestunde nehmen. "Wem es Spaß macht, der kauft sich meist die Ausrüstung selbst", sagt Gössl.
Was macht die Faszination an Ruinen aus?
Die Burgruine in Stadtprozelten wird gerne als eine der schönsten Ruinen in Süddeutschland bezeichnet. "Das liegt auch daran, dass hier bereits der bayrische König Ludwig I. im 19. Jahrhundert umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführen ließ", vermutet Benjamin Spies, Burgenforscher und Archäologe am Museum für Franken in Würzburg. Daher sei die Burgruine in einem bemerkenswert gutem Zustand, umso mehr seit der umfangreichen Sanierung.
Bauernkrieg und Dreißigjährigen Krieg habe sie unbeschadet überstanden, sagt Spies: "Das ist sehr ungewöhnlich." Doch sei die Burg schließlich im pfälzischen Erbfolgekrieg etwa um 1688 vermutlich durch die Franzosen zerstört worden. Nicht ganz spurlos ging auch der Zweite Weltkrieg an der Burg vorüber. So findet man noch heute Einschusslöcher von Maschinengewehren am Burgeneingang und an einem der Außentürme, der deutschen Soldaten in den letzten Tagen des Krieges als Unterstand gedient hatte.
Höhepunkt ist freilich die Aussicht vom großen Bergfried aus über das Mainviereck und die umliegenden Ortschaften. Hier oben, auf dem höchsten Punkt der Anlage, erlebt man nicht nur die Wehrhaftigkeit, sondern auch das Erhabene.