
"Wenn wir helfen können, dann müssen wir doch helfen!", dachte sich Roswitha Thomas. Gesagt, getan. Sie und ihr Mann haben vor über einer Woche die Ukrainerin Natascha (45 Jahre) und ihre beiden Kinder Sascha (15) und Maria (8) bei sich in Thüngen aufgenommen. "Wir haben auf der Flucht nur die wichtigen Dokumente und ein paar warme Sachen mitgenommen", erzählt Natascha. An der ungarisch-ukrainischen Grenze wurden sie mit dem Reisebus von Werntal-Reisen mit nach Thüngen genommen.
"Diese Herzlichkeit und Dankbarkeit, die man zurückbekommt, das ist das Schönste", sagt Ralf Thomas. Eigentlich sollten sie eine andere Familie mit einer Katze aufnehmen, das war ihnen aber zu heikel, da auch die noch die junge Schäferhündin Fella zur Familie Thomas gehört. Sie übernahm die Rolle als Eisbrecherin. "Fella hat das Herz geöffnet und Freude reingebracht", sagt Ralf Thomas. Fella ist eigentlich sehr gut erzogen, aber in den letzten Tagen war er ein bisschen nachsichtig, wenn die Hündin von den Gästen aus der Ukraine verhätschelt oder am Tisch gefüttert wurde. "Da werde ich nicht schimpfen", sagt er. Zur Freude von Fella, die während des Gesprächs am Esstisch immer wieder von den ukrainischen Gästen gestreichelt wird.
Gespräch mit der Verwandtschaft in der Ukraine sorgte für einen "Gänsehaut-Moment"
Die Familie von Natascha kommt direkt aus der Hauptstadt Kiew. Nataschas Mann ist noch dort und "verteidigt das Land". Auch die Oma von Sascha und Maria ist noch in der Ukraine, sie kümmert sich um den Opa, der im Rollstuhl sitzt. Über das Handy sind sie "fast stündlich in Kontakt, außer sie verstecken sich vor den Bombenangriffen", erzählt Natascha.

"Es war sehr schwierig, unser Zuhause zu verlassen, aber wir hatten Angst um die Kinder, deswegen sind wir geflohen", sagt die gelernte Buchhalterin. Bei einem Telefonat in die Heimat hat Natascha den Thomas das Handy gereicht. Da haben Oma und Opa erzählt, dass sie "überglücklich und stolz sind, dass wir auf die Familie aufpassen. Das war ein Gänsehaut-Moment", sagt Ralf Thomas. Die Kommunikation funktioniert überwiegend mithilfe von Übersetzer-Apps auf dem Smartphone.
Picknick, Hundetraining, Spaziergang, Eis essen
Ob sich die Familie aus der Ukraine, die bei den Thomas in einer ausgebauten Wohnung im Dachboden untergekommen ist, inzwischen gut eingelebt hat? Sascha und Maria nicken und antworten sofort mit "Ja". "Wir mögen uns sehr und sind sehr glücklich und dankbar, dass wir in einer Familie mit einem so großen Herzen leben", übersetzt die Smartphone-App die Antwort von Natascha. Sie hätte nicht mit einem solchen Regenbogenempfang gerechnet. Roswitha kullert eine Freudenträne über die Wange.
"Wir haben viele Orte gesehen, ein Picknick gemacht, waren beim Hundetraining dabei. Wir sind den ganzen Tag unterwegs und machen etwas", erzählt Natascha. Am vergangenen Wochenende war "unsere gemischte Familie" in Bad Kissingen im Park spazieren, anschließend haben sie ein Eis gegessen, sagt Ralf Thomas. An diesem Wochenende wollen sie wieder nach Bad Kissingen, dann bekommt Sascha einen Hund, mit dem er selbst trainieren darf.
Sascha ist für ihn ein "richtiger Kumpel geworden, er hilft mir, wo er kann". Gemeinsam haben sie den Wintergarten hergerichtet, in dem sich die ukrainische Familie mit anderen Geflüchteten treffen kann. "Wir möchten, dass sie sich wohlfühlen", sagt Roswitha Thomas.
Fahrräder, um sich alleine mit Freunden im Ort zu treffen
Sascha hat in seiner Heimat Karate gemacht. Er zeigt stolz ein Foto eines Wettbewerbs, bei dem er ganz oben auf dem Siegertreppchen steht. Maria ficht gerne. Ralf Thomas will den Kindern die Möglichkeit bieten, ihren Hobbys in Deutschland nachzugehen. Der Antrag für die Schule sei auch schon gestellt. Inzwischen sind Sascha und Maria wie eigene Enkelkinder für sie. "Wir sind alle richtige Freunde geworden in so kurzer Zeit", sagt Roswitha Thomas.

Was sie sich noch wünschen: Einen Fahrradverleih in Thüngen. Gerade Sascha fahre gerne Fahrrad. Damit können sie sich mit den neuen Freunden im Ort treffen. "Sie kennen sich schon gut aus in Thüngen", sagt Ralf Thomas, der aus Nordrhein-Westfalen stammt und seit 16 Jahren in Thüngen lebt. Er hat gerade drei Wochen Urlaub und wollte eigentlich zu einer Familienfeier in die alte Heimat, die Teilnahme aber inzwischen abgesagt. "Aber sie kämen hier alleine zurecht, sie haben ihre eigenen Haustürschlüssel, können kommen und gehen, wann sie wollen", sagt Roswitha Thomas.
Auch heute hat die neue "Großfamilie" noch viel vor. Am Nachmittag fahren sie nach Nürnberg, um Nataschas Schwägerin mit der 17-jährigen Tochter abzuholen, die in der Nachbarschaft unterkommt. Sie befinden sich im Moment in einem Zug von Polen nach Berlin, von dort fahren sie weiter nach Nürnberg. Auf den heutigen Abend freut sich Hobbykoch Ralf Thomas dann besonders. Da kocht Natascha das Lieblingsgericht der Kinder aus der Heimat: Kohlrouladen mit Gehacktem und Reis.
Der Abschied würde schon heute schwerfallen
"Es ist sehr schlimm, dass es in unserem Zeitalter des 21. Jahrhunderts noch einen Krieg gibt", sagt Natascha. Sie wünsche sich, dass alle in Frieden zusammenleben und sich gegenseitig helfen. Und sie erzählt, dass sie sehr zuversichtlich ist, dass der Krieg bald endet. "Da hat sie mehr Hoffnung als wir", so Ralf Thomas. Er rechne mindestens mit einem Jahr und versichert: "Sie dürfen so lange bleiben, wie sie müssen."
Eines ist sicher, wenn es irgendwann so weit ist: "Wir werden in Kontakt bleiben und sie auf jeden Fall in Kiew besuchen", sagt Ralf Thomas. Und der Abschied wird allen schwerfallen, es werden wohl Tränen fließen. Selbst, wenn die Gäste morgen schon in die Ukraine zurückkehren könnten.
Die meisten trauen sich nicht den ersten Schritt zu tun!
Selbst unsere indischen Freunde unterstützen jetzt die Flüchtlinge aus der Ukraine.
Sie bekommen dafür Tausenddank zurück, die Herzlichkeit ist unbeschreiblich.
Schade, dass wir nicht mehr Platz haben.