"Die Willkommenskultur in ganz Main-Spessart ist da", sagte Landrätin Sabine Sitter am Donnerstag beim Pressegespräch mit den Mitarbeitenden der Koordinierungsgruppe des Landkreises zum Ukraine-Krieg. Sie lobte die große Hilfsbereitschaft von Organisationen und Privatleuten aus dem Landkreis. Doch neben gutem Willen ist jetzt vor allem gute Organisation gefragt. Die wichtigsten Fragen zur Ukraine-Hilfe im Landkreis im Überblick.
Wie läuft die Unterbringung der Geflüchteten ab und wie viele Menschen sind bereits hier?
Derzeit beschäftigt den Landkreis vor allem die Unterbringung der Menschen aus der Ukraine. Dabei wird nach einem Stufenprinzip vorgegangen. Die Main-Spessart-Halle in Marktheidenfeld ist die erste Anlaufstelle für alle, die im Landkreis ankommen und nicht direkt bei Familie oder Bekannten wohnen können. Dort sind derzeit 47 Menschen untergebracht, sie sollen dort jedoch maximal eine Woche bleiben.
Die nächste Stufe ist die Notunterkunft im ehemaligen Krankenhaus in Marktheidenfeld, in dem sich zurzeit (Stand Donnerstagmorgen) 104 Geflüchtete aufhalten. Auch diese Unterkunft ist nicht dauerhaft, sondern nur für maximal sechs bis acht Wochen vorgesehen, bis die Menschen in eine geeignete dezentrale Unterkunft umziehen können. Dafür greift der Landkreis vor allem auf die Wohnungsangebote von Privatleuten zurück, die auch weiterhin per E-Mail an wohnraum@Lramsp.de gemeldet werden können. Bisher sind 13 Personen in solchen dezentralen Unterkünften untergebracht. "Der Transfer läuft hier aber gerade erst richtig an", berichtete Thomas Reuter, der die Unterbringung für das Landratsamt koordiniert.
Eine zweite Notunterkunft für einen Aufenthalt von maximal zwei Monaten soll die vergangenes Jahr geschlossene Jugendherberge in Lohr werden, die derzeit leer steht. Dort sind 96 Betten zur Verfügung, die Unterkunft müsse jedoch erst noch besichtigt werden.
Außerdem gibt es bisher 155 Registrierungen beim Einwohnermeldeamt von Menschen, die direkt bei Familie oder Bekannten untergekommen sind. Insbesondere in Wiesenfeld und in Frammersbach sind dem Landratsamt größere Familiencluster bekannt. Insgesamt sind im Moment also 306 Geflüchtete aus der Ukraine im Landkreis Main-Spessart. "Wie viele Menschen zusätzlich privat untergekommen sind, wissen wir natürlich nicht", sagte Stefan Krebs, der die Koordinierungsgruppe Ukraine am Landratsamt leitet.
Wie viele Wohnungsangebote gibt es bisher? Und was ist dabei wichtig?
Bisher sind 224 Wohnungsangebote von Privatleuten beim Landratsamt eingegangen. "Doch davon kommen nicht alle in Frage", erklärte Thomas Reuter. Wichtige Kriterien sind die Dauer der Verfügbarkeit und die Ausstattung der Räume. "Wir versuchen vorrangig vollmöblierte Wohnungen zu vermitteln", so Reuter. Wichtig sei auch die Frage der Verständigung, also ob die Wohnungssteller Ukrainisch oder Russisch sprechen oder man mit den Geflüchteten auf Englisch kommunizieren könne. Ein Helferkreis in der Nähe sei ebenfalls von Vorteil, ebenso wie ein abgeschlossener Wohnraum. Gesucht werden auch Unterkünfte, in denen Haustiere erlaubt sind, da einige Geflüchtete mit ihren Tieren ankommen.
Wie werden die Menschen versorgt?
In den Notunterkünften des Landkreises werden die Geflüchteten mit Lebensmitteln versorgt und von der Küche des Klinikums bekocht. Über das Klinikum werden die Geflüchteten auch auf Corona getestet und erhalten Angebote für eine Impfung. Menschen, die bei Privatleuten unterkommen, erhalten Geldleistungen, von denen sie sich unter anderem mit Lebensmitteln versorgen können. Die Höhe hängt auch von der Ausstattung der Unterkunft ab, zum Beispiel, ob dort WLAN vorhanden ist. In den Notunterkünften wird den Menschen auch eine psychosoziale Beratung angeboten.
Wie sind die Schulen und Kindergärten auf die Geflüchteten vorbereitet?
Die Schulen im Landkreis bereiten sich derzeit auf die Ankunft von geflüchteten Kindern vor. Die größte Hürde sind die Sprachkenntnisse. Dolmetscher und Dolmetscherinnen werden deshalb gesucht. Sogenannte "pädagogische Willkommensgruppen" werden derzeit an vielen Schulen eingerichtet. "Die Kindergärten werden das größte Nadelöhr, denn hier wissen wir von den Kommunen, dass sie schon recht dicht sind", sagte Sitter. Die Schulpflicht gilt für die geflüchteten Kinder aber erst drei Monate nach ihrer Ankunft.
Was für Spenden werden gerade gebraucht?
Die große Hilfsbereitschaft der Menschen hat sich vor allem auch an den vielen Sachspenden gezeigt. Florian Schüßler, Geschäftsführer der Caritas Main-Spessart, erinnerte aber noch einmal daran, auf gezielte Aufrufe zu achten. "Es hat keinen Sinn, wahllos etwas abzugeben, was dann gar nicht gebraucht wird", so Schüßler. Eine wichtige Anlaufstelle ist der Helferkreis Main-Spessart, der sich in Marktheidenfeld gebildet hat. Weitere Informationen gibt es unter www.hilfe-ukraine-msp.de
Eigens für die Ukraine-Hilfe wurde auch ein Spendenkonto von der Caritas eingerichtet. "Das gespendete Geld wird dann ausschließlich für die Versorgung der Geflüchteten in Main-Spessart eingesetzt", betonte Schüßler. Davon werden zum Beispiel Fahrtkosten von Privatleuten bezahlt oder ein erstes Taschengeld für die Geflüchteten. Das Spendenkonto lautet "Flüchtlingshilfe MSP", IBAN: DE15 7905 0000 0049 3331 98, BIC: BYLADEM1SWU Sparkasse Mainfranken.
Was ist bei privaten Hilfsaktionen für die Ukraine zu beachten?
Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine haben sich schnell private Hilfsaktionen gebildet, die auch auf eigene Faust Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geholt haben. Von diesen Privataktionen rät das Landratsamt ebenso wie das BRK nach wie vor dringend ab. "Man darf nicht vergessen, dass das ein Kriegsgebiet ist, in das die Menschen fahren", so Sabine Sitter. Transporte nach Deutschland sollten ausschließlich über professionelle Organisationen laufen, sonst könnten wichtige Logistikwege verstopft werden. "Inzwischen haben wir das aber kanalisiert bekommen", sagt Sitter. Mit den Akteuren der privaten Organisationen habe es viele Gespräche gegeben.
Wie hoch ist die Arbeitsbelastung im Landratsamt?
"Das Personal geht auf dem Zahnfleisch", sagte Jacqueline Ratka, die mit Stefan Krebs die Koordinierungsgruppe Ukraine leitet. Das Landratsamt sei durch die Corona-Pandemie seit zwei Jahren ohnehin schon stark belastet. Derzeit liege der Fokus neben dem Tagesgeschäft voll auf dem Ukraine-Krieg. Landrätin Sitter bittet bereits jetzt um Verständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern, wenn die Bearbeitung eines Antrags mal etwas länger dauere.
Wie ist die Lage im Vergleich zur Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015?
"Die Hilfsbereitschaft ist jetzt größer als damals, vielleicht weil wir näher dran sind", so ist der Eindruck von Thomas Reuter. Außerdem gebe es schon eine gewisse Erfahrung, die Zusammenarbeit mit dem BRK, THW und anderen Organisation sei eingespielt. Florian Schüßler von der Caritas betonte jedoch noch einmal, dass man nicht vergessen dürfe, dass noch über 400 andere Asylbewerber, die nicht aus der Ukraine stammten, im Landkreis seien. Er warnte vor einer Unterscheidung der Geflüchteten in zwei Klassen.