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Obersinn
Trump-Anhänger, Marathons, Indianer-Kasinos: Was der Obersinner Karl Dill in den USA erlebt
Der 37-Jährige lebt in Oklahoma und erzählt von Trump-Schildern in Vorgärten, billigen Führerscheinen und riesigen Spielkasinos. Sportlich hat er sich hohe Ziele gesteckt.
Karl Dill aus Obersinn bei einem Ausflug ins Monument Valley.
Foto: Eva-Maria Franz | Karl Dill aus Obersinn bei einem Ausflug ins Monument Valley.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.11.2024 02:33 Uhr

Abenteuerlustig ist der Obersinner Karl Dill schon immer. Seit Januar arbeitet er nun für drei Jahre in den USA, und zwar in Tulsa. Durch die 400.000-Einwohner-Stadt im nördlich von Texas gelegenen Bundesstaat Oklahoma geht die Route 66. Oklahoma sei "knallrot", sagt der 37-Jährige, also eine Republikaner-Hochburg. Entsprechend sehe man in den Vororten viele riesige Trump-Schilder, Leute trügen ihre roten Make-America-Great-Again-Kappen, hätten Trump-Fahnen an den Autos. Die Schilder stünden schon, seit er drüben ist, erzählt Dill. Eine gesellschaftliche Spaltung könne er aber nicht ausmachen: "Wenn man sich mit den Leuten unterhält, kommt das Wahlthema relativ selten auf, wenn man nicht danach fragt."

Wir haben mit Karl Dill per Videotelefonat gesprochen. Hier ist es 15 Uhr, bei ihm in Tulsa 8 Uhr. An der Wand hinter ihm sieht man ein großes Bild vom Obersinner Feuerrädchen, ein Stück Heimat. Zwei Tage vorher ist er beim Chicago-Marathon mitgelaufen. Am Tag vor dem Gespräch ist er heimgekommen, am Nachmittag muss er schon wieder beruflich nach Chicago fliegen. Dill ist Servicetechniker im technischen Außendienst bei einer Firma aus Weikersheim (Main-Tauber-Kreis), die eine Niederlassung in Tulsa hat. "Die Maschinen, die sie hier bauen, stelle ich beim Kunden auf." Er macht auch Umbauten, Wartungen, Inspektionen – den gleichen Job wie in Deutschland.

Beruflich kommt Dill häufig nach Mexiko

Karl Dill vergangenes Jahr beim letzten Ironman in Tulsa.
Foto: Elisabeth Lantmeeters | Karl Dill vergangenes Jahr beim letzten Ironman in Tulsa.

So kommt er viel herum in den USA und Mexiko, für ihn eine willkommene Abwechslung. Auch in Deutschland war er viel unterwegs, "zu 80 Prozent Osteuropa", was in seinem Fall Rumänien, Serbien, Bulgarien, Ungarn bedeutete. Dass er in Mexiko beruflich nicht gerade in die Urlaubsorte, sondern in Industriezentren komme, finde er interessant. "Die Regel ist, du fliegst hin, machst deinen Job und fliegst wieder heim." Er versuche aber immer einen kleinen Eindruck zu bekommen, lasse sich Tipps geben für sehenswerte Orte und Restaurants.

"Wenn man sich mit den Leuten unterhält, kommt das Wahlthema relativ selten auf, wenn man nicht danach fragt."
Karl Dill über den US-Wahlkampf

Neulich war er in Rio Bravo an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. Sogar manche Mexikaner, erzählt er, ließen sich abends aus Mexiko herausfahren, um in den USA zu übernachten, weil es dort sicherer sei. Tagsüber merke man von Gefahren nichts, sagt Dill, aber nachts sollte man nicht hinausgehen, warnten Einheimische.

Eine kleine Skyline in Tulsa, aber tote Hose in der Innenstadt am Wochenende 

Sein Wohnort Tulsa ist die zweitgrößte Stadt in Oklahoma. Der Obersinner wohnt nah an der Innenstadt, aber "Downtown" sei relativ klein, es gebe eine kleine Skyline mit ein paar Hochhäusern, etwa den Bank-of-Oklahoma-Tower vom Architekten der Twin Towers. "Samstagmittag ist Downtown einfach fast nichts los", erzählt er. Cafés und Kneipen gebe es eher am Stadion.

"Oklahoma ist ehemaliges Indianerland", sagt er. In Tulsa seien die Cherokee gewesen, weiter im Norden die Osage. Leute mit indigenen Vorfahren hätten gewisse Privilegien, etwa das Betreiben von Spielkasinos. Ein solches Kasino sei ein richtiger Freizeitpark mit Hotels, Restaurants und Konzerthallen. Richtung Texas sehe man nichts als Kühe und Farmen, da sei das Land platt. "Aus dem Nichts", sagt Dill, "kommt auf einmal so ein Riesenpalast: The Cherokee Casino." Dort hielten Trucker zum Zocken, manche verbrächten ein langes Wochenende dort. Ein Bekannter habe seine Flitterwochen dort verbracht.

Karl Dill nimmt für Ausflüge lange Autofahrten auf sich

Dill arbeitet 80 Stunden in neun Tagen. So habe er jeden zweiten Freitag frei. Perfekt für Ausflüge am langen Wochenende. Er nehme so viele Orte mit wie möglich mit. "Oklahoma ist in der Mitte von allem, wir haben überall gleich weit hin." Alles sei einen "Hüpfer" entfernt – einen amerikanischen Hüpfer. Es seien acht bis zehn Stunden in die Rocky Mountains, in knappen zehn Stunden sei man am Meer südlich von Houston. "Eine Acht-Stunden-Fahrt ist für die USA nichts Außergewöhnliches", erzählt er. Der Sprit ist billig. Er hat sich einen typisch amerikanischen Pickup gekauft.

"Eine Acht-Stunden-Fahrt ist für die USA nichts Außergewöhnliches."
Karl Dill über lange Fahrstrecken

2019 lief er seinen ersten Marathon auf Hawaii, vergangenes Jahr in New York. Auch Ironman-Rennen absolviert er. Als er sich vergangenes Jahr Tulsa vorab anschaute, nahm er gleich den dortigen Ironman mit, der da zufälligerweise gerade stattfand. Dieses Jahr nahm er auch an zwei Ultraläufen in Utah und Colorado teil. Über seine Marathon-Motivation sagt er: "Wenn du mal einen Zehner gemacht hast, willst du einen halben machen. Wenn du einen halben gemacht hast, willst du einen ganzen machen. Wenn du einen ganzen gemacht hast, und merkst, dass noch was geht, machst du halt einen Ultra oder gehst auf einen Triathlon."

Welche Ziele er als Läufer noch hat

In acht US-Bundesstaaten ist er schon einen Marathon gelaufen. Es würde ihn reizen, in allen 50 Bundesstaaten einen zu absolvieren. Auch die sogenannten Major Six, die sechs größten Marathons der Welt in New York, Boston, Chicago, London, Berlin und Tokio reizen ihn. New York, Chicago und Berlin hat er schon. Allerdings sei es gar nicht so einfach, einen Startplatz zu bekommen. In Tokio habe es für ihn schon drei Mal nicht geklappt.

Karl Dill mit seinem Truck.
Foto: Sam Langdon | Karl Dill mit seinem Truck.

Dill kennt die USA schon ziemlich gut. Was ihn aber tatsächlich noch überrascht hat, war die Sache mit dem Führerschein. Dafür müsse man keine Fahrschule besuchen. Für die theoretische Prüfung gehe man einfach zur Behörde und beantworte am Computer 15 Fragen. Für die Praktische müsse man sein eigenes Auto mitbringen, das auch nicht unbedingt deutschen Tüv-Standards entsprechen müsse. "Dann machst du 20 Minuten deine Prüfung, zahlst den Leuten 40 Dollar und ein paar Tage später ist dein Führerschein in der Post." Die Jugendlichen lernten Autofahren mit den Eltern. Dill: "So fahren sie stellenweise auch."

Fürs Wacken-Festival nach Deutschland geflogen

Er komme zwei, dreimal im Jahr nach Deutschland. Zuletzt war der Metal-Fan, der zehn Jahre lang das Eisenwahn-Festival in Obersinn organisierte, da, um im August das Wacken-Festival zu besuchen. Er hängte gleich noch zwei Wochen Arbeit dran. Er habe jetzt zwar einen amerikanischen Arbeitsvertrag, aber als Deutscher immerhin noch 20 statt nur zehn Urlaubstage wie in den USA üblich. "Wir haben aber nicht weniger Freizeit." Es gebe relativ viele Feiertage, und wenn die auf ein Wochenende fallen, bekämen sie den Montag darauf frei. Auch Brückentage bekomme man oft geschenkt.

 
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Kommentare
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  • Roland Pleier
    Eine schöne Geschichte mit vielen interessanten Aspekten!
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