Oberhalb des 1000-Einwohner Örtchens Obersinn befindet sich die Übungsstrecke der Motorsportfreunde Sinngrund, der Ludwig-Zeller-Ring. Wo normalerweise Crossmaschinen Staub und Erde aufwirbeln, stehen am Freitag, 29., und Samstag, 30. Juli, die Motoren still. Dafür dröhnen beim 8. Eisenwahn wieder Bässe, Schlagzeug und E-Gitarre vom Löwersberg hinab ins Tal.
Das zweitägige Metallfestival lockte im letzten Jahr 2000 Besucher an. In diesem Jahr könnten das sogar noch einige mehr werden. Immerhin ist den Organisatoren ihr musikalisch bislang größter Wurf gelungen. Sie haben die brasilianische Trash-/Death-Metalband Sepultura (Freitag, 29. Juli, ab 23.30 Uhr) verpflichtet. Wenn irgendjemand Karl Dill und Johannes Laudenbacher vor acht Jahren gesagt hätte, dass sie einmal Sepultura in den Sinngrund holen würden, hätten sie vermutlich laut los gelacht oder müde den Kopf geschüttelt.
Dill, Laudenbacher und ihre Freunde waren damals zwischen 16 und 17 Jahre alt. Keiner hatte einen Führerschein, aber alle hatten Bock auf Musik – vor allem auf Metal. Also pilgerten die Jungs zum Earthshaker-Festival nach Geiselwind oder zum Up From The Ground nach Gemünden. „Irgendwann haben wir uns überlegt, dass wir so etwas doch auch selbst auf die Beine stellen könnten“, erinnert sich der heute 24-jährige Dill. Als Mitglied bei den Motorsportfreunden Sinngrund hatte der gelernte Mechatroniker den geeignete Platz für das Konzert schnell ausgespäht.
Mutter als Chauffeur
Mutter Paula Dill löste das Führerscheinproblem, in dem sie die Jungs immer dann in der Gegend herumfuhr, wenn es nötig wurde. Drei Bands spielten bei der ersten Auflage des Eisenwahn von einem Lkw-Anhänger aus für 300 Leute. „Wir hatten so viel Spaß, dass wir unbedingt weitermachen wollten“, erinnert sich Dill. 2005 stockten die Organisatoren die Anzahl der Bands von drei auf 20 auf und verwandelten das Konzert in ein echtes Festival: Erstmals ging das Eisenwahn über zwei Tage und es durfte gecampt werden. „Seither wurde es immer größer, lauter und wilder“, sagt Dill.
Mutter Paula ist immer noch dabei, inzwischen als Finanzministerin. Und wie jeder gute Finanzminister wird sie umso nervöser, je näher die Veranstaltung rückt. Wie läuft der Kartenverkauf? Kommen genug Leute, um die Investitionen reinzuholen, die vor allem für Bühne und Bands drauf gehen. „Wir sind wirklich froh, dass wir so viele Helfer haben, die uns unterstützen. Sonst wäre das alles nicht möglich“, sagt Dill. Rund 250 Ehrenamtliche aus Obersinn und den Nachbarorten packen an einem Festival-Wochenende mit an: verkaufen Bier, sorgen für die Sicherheit oder fahren die Künstler zwischen Hotel und Bühne hin und her.
Inzwischen ist das Eisenwahn in der Szene so bekannt, dass Johannes Laudenbacher, der für die Buchung der Bands verantwortlich ist, die meisten Gruppen gar nicht mehr anschreiben muss. Die Agenturen melden sich beim ihm. Der 24-jährige Physiotherapeut bekommt sogar jetzt schon Anfragen für das Eisenwahn 2012. Das Obersinner Festival spricht vor allem Besucher an, die es ein wenig beschaulicher mögen. Zum Wacken, dem weltweit größten Metal-Festival, kommen bis zu 75 000 Menschen. Drei Tage lang steht das sonst eher beschauliche 1800-Einwohner-Dorf in Schleswig-Holstein ganz im Zeichen des Heavy Metal.
Und auch in Obersinn herrscht inzwischen so ein klein wenig Wacken-Atmosphäre. Die Geschäftsleute füllen vorsorglich ihre Lager mit Getränken und Grillgut auf, und es hat sich eine Art Vorgartenkultur entwickelt. Die Metaler werden zum Grillen eingeladen, dürfen in Obersinner Badezimmern duschen oder werden mit frisch geerntetem Salat bewirtet. Es ist nur eben alles eine Nummer kleiner oder besser gesagt ein paar Nummer kleiner: Wacken-light sozusagen. Und dabei soll es auch bleiben. „Irgendwann ist die Grenze erreicht“, sagt Dill. Das gilt für die Kapazitäten des Geländes wie für die der Organisatoren. Der harte Kern um Dill und Laudenbacher bereitet das Festival nämlich ausschließlich in der Freizeit vor.
Das Zehnjährige voll machen
Wie lange sie noch weitermachen, haben die Freunde noch nicht entschieden. „Aber das Zehnjährige wollen wir schon voll machen“, sagt Dill. Vielleicht erfüllt sich zum „Jubiläums“-Eisenwahn 2013 ja noch der größte musikalische Wunsch des Organisatorenteams. Das wäre, die britische Band Motörhead nach Obersinn auf die Bühne zu holen. Angefragt hat Laudenbacher schon – und immerhin keine Absage kassiert. „Der Termin hat ihnen nur nicht in den Tourplan gepasst“, erzählt er. Ein kategorisches Nein klingt anders.
ONLINE-TIPP
Nähere Informationen und Bilder vom Eisenwahn 2010 im Internet unter www.mainpost.de/regional/main-spessart/gemuenden