Vor der Gemündener Scherenberghalle begrüßten die Höflers aus Höllrich mit einem Plakat gegen die "Monstertrasse", wie sie sie nennen. Drinnen herrschte mehr Andrang als vermutet. Weitere Stuhlreihen mussten aufgestellt werden, um allen gut 200 Besucherinnen und Besuchern einen Sitzplatz zu bieten. Sie wollten von Netzbetreiber Tennet erfahren, warum die geplante Fulda-Main-Leitung, auch P43 genannt, unerwartet durch Main-Spessart verlaufen soll. Das Unverständnis war groß, warum ein – vor wenigen Jahren erst erheblich erweitertes – Wasserschutzgebiet bei Bad Brückenau der Grund ist, dass die viel kürzere Vorzugstrasse entlang der A7 aus dem Rennen sein soll.
"Kein Mensch findet unsere Masten schön", sagte Thomas Wagner, Referent für Bürgerbeteiligung bei Tennet. Er und weitere Tennet-Vertreter erklärten, dass die Trasse durch Main-Spessart zwar viel länger sei und viel konfliktträchtiger, zudem 40 Prozent teurer als die ursprüngliche Vorzugstrasse entlang der A7. Aber das Wasserschutzgebiet bei Brückenau sei eben so groß, dass man dort mehrere Masten hineinstellen müsste – und das sei verboten. Eine Befreiung von diesem Verbot werde es wohl nicht geben, weil es ja als Alternative die Trasse durch Main-Spessart gebe. Eine Umgehung sei aufgrund der Größe, wegen der nahe beieinander liegenden Siedlungen und des Biosphärenreservats nicht möglich. Die Bundesnetzagentur muss nun über den Vorschlag Tennets entscheiden.
Abzweigung nach Hammelburg konfliktreicher als Verlauf durch Main-Spessart
Mehrere Bürger und Bürgermeister nutzten die anschließende Gelegenheit für Wortmeldungen. Den Anfang machte jedoch Sebastian Kühl vom Landratsamt, der sagte, dass die Autobahn A7 auch mitten durch das Wasserschutzgebiet verlaufe, und wissen wollte, ob die Abzweigung nach Hammelburg geprüft worden sei. Ein Tennet-Vertreter sagte, dies sei geprüft worden, aber bei dem Verlauf durch Main-Spessart gebe es im Vergleich weniger Konflikte und höhere Bündelungsanteile, weil sie entlang einer Gasleitung und der bestehenden Hochspannungstrasse Aschaffenburg–Bergrheinfeld laufe.
Karsbachs Bürgermeister Martin Göbel sagte, für die neue Autobahnbrücke bei Römershag seien auch Pfeiler im Wasserschutzgebiet errichtet worden. Dafür habe es keine Alternative gegeben, meinte Tennet-Vertreter Wagner. In Karsbach, so Göbel, würde die Leitung auch nahe einem Wasserschutzgebiet verlaufen. Strommasten im "schönen Saaletal" nannte er zudem "unsinnig", was ihm viel Beifall einbrachte.
Interessanter Vorschlag des Gräfendorfer Bürgermeisters
Der Gräfendorfer Bürgermeister Johannes Wagenpfahl machte den Vorschlag, die Leitung durch das Brückenauer Wasserschutzgebiet oberirdisch als Erdkabel zu verlegen und darüber einen Damm aufzuschütten, dann brauche man nicht zu betonieren. "Wir gucken uns das mal an", meinte Wagner, gab aber zu bedenken, dass es dann am Anfang und Ende Kabelübergangsanlagen brauche, die wie kleine Umspannwerke aussähen.
Thassilo Maxeiner vom Gemündner Öko-Kreis sagte, ein Gutachten von Professor Jarass habe vor zwei Jahren ergeben, die Trasse sei überflüssig. Wagner gab zu bedenken, dass es ein Bundesgesetz gebe, dass die Leitung gebaut werden müsse. Außerdem seien sich alle Experten einig, dass es die Trasse brauche – außer Jarass. Richard Sauterleute gab zu bedenken, dass die MSP-Trasse 50 Kilometer durch Wald laufe, die andere nur 22, weshalb man wegen der zunehmenden Stürme und der Gefahr von Windbruch doch die Variante mit weniger Schneise wählen solle.
Hat Tennet sich bei der Länger der Main-Spessart-Trasse verrechnet?
Der Höllricher Gerhard Keßler meinte, Tennet müsse sich verrechnet haben. Die Trasse durch Main-Spessart sei nicht nur acht, sondern 20 Kilometer länger. Falls man sich vermessen habe, entschuldige man sich dafür, sagte Wagner. Ein Karsbacher beklagte, dass alle vier Ortsteile betroffen wären. Dabei habe man schon Einschränkungen durch zwei Gasleitungen und den Truppenübungsplatz.
Jürgen Lippert, Bürgermeister in Gemünden, stellte die Frage nach der Angemessenheit, wenn ein Wasserschutzgebiet schwerer wiege als die vielen Hemmnisse in Main-Spessart. Wolfgang Remelka, ebenfalls Gemünden, bekam auf die Frage, was mit betroffenen Grundstückseigentümern sei die Auskunft, dass diese eine Entschädigung erhielten.
Unmut kam auf, als Wagner um 19.30 Uhr die allgemeine Fragerunde beendete und auf die einzelnen Tennet-Mitarbeiter an den Infoständen verwies. Die wurden auch rege genutzt, während Landrätin Sabine Sitter und die betroffenen Bürgermeister aus dem Raum Gemünden und Eußenheim die Köpfe zusammensteckten.
Trasse könnte bei Gössenheim der Bundeswehr im Weg sein
An einem Stand war ein Besucher der Meinung, dass die massive Erweiterung des Wasserschutzgebiets bei Brückenau im Jahr 2016 doch absichtlich geschehen sei, um die Stromleitung zu verhindern. An einem anderen Stand gab Patrick Hagedorn, Betreiber des Gössenheimer Flugplatzes für Ultraleicht-Flieger zu bedenken, dass die Trasse mit den etwa 60 Meter hohen Masten sehr nahe an seinem Flugplatz und zudem in einer Tiefflugschneise für Bundeswehrhubschrauber verlaufen würde.
Der genaue Trassenkorridor ist im Internet einsehbar unter https://emuapps.gis.arcadis.com/ADE_PROD/A140/.