Fast schon sein ganzes Leben lang begleiten die unerwünschten Brunnen des Zweckverbands Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM) den gebürtigen Hofstettener Ferdinand Heilgenthal. Hofstettenern wurde in den 1960ern mit Enteignung gedroht, wenn sie ihre Grundstücke nicht hergeben. Als Bursche habe er das bei einer Veranstaltung im Sportheim selbst gehört. Es wurden mehrere Brunnen gebohrt, aber nie genutzt, weil der Grundwasserspiegel beim Abpumpen massiv absinkt.
Die Bürgerinitiative Wasser e.V. Hofstetten erreichte, dass Wasserschutzgebiete rund um die nicht benötigten Brunnen aufgehoben wurden. Die Brunnen selber aber sind immer noch da. Eigentlich wollte der FWM sie zurückbauen, aber hat es sich dann anders überlegt und auf einen Bescheid des Landratsamts Main-Spessart warten wollen. Den hat der Zweckverband inzwischen bekommen, aber nun klagt der FWM dagegen. Für Heilgenthal, seit Jahren Vorsitzender der BI, scheint das Thema zur unendlichen Geschichte zu werden.
Dem ein oder anderen mögen bei einer Fahrradtour zwischen Gemünden und Lohr mehrere rund 30 auf 30 Meter große, mit einem massiven Zaun umgebene Grundstücke schon aufgefallen sein. "Ich bin schon oft gefragt worden, um was es sich bei den stark geschützten Anlagen am Maintalradweg handelt", berichtet Heilgenthal. Dahinter befinden sich die Brunnen der FWM – und inzwischen jede Menge Gesträuch.
Pflege der Brunnenbereiche wurde offenbar eingestellt
Der zweite BI-Vorsitzende Reiner Mehrlich spricht von "Schandflecken". Die FWM habe 2017, als sie bekundete, die insgesamt sechs Brunnen, wie von Fachbehörden lange schon gefordert, freiwillig zurückzubauen, die Pflege eingestellt. In einem umzäunten Brunnenbereich stehen nicht abgeerntete Apfelbäume – die vermutlich bestgesicherten weit und breit. Wenn die Brunnen verfüllt würden, so Heilgenthal, gäbe es aus seiner Sicht auch keinen Grund mehr für die Zäune, die immerhin im Naturpark Spessart stehen.
Ein halbes Dutzend Ordner hat Heilgenthal zum Streit um die Brunnen bei sich daheim in Gemünden – Schreiben, Zeitungsartikel und Leserbriefe. "Man könnte fast ein Buch drüber schreiben – oder ein Theaterstück", feixt er. Im Grunde ist er zufrieden mit dem bisher Erreichten. Das Hauptziel, die Aufhebung der nicht benötigten Wasserschutzgebiete und die damit verbundenen Einschränkungen, habe die BI erreicht. Er wundere sich aber etwas, wie der FWM als Körperschaft des öffentlichen Rechts bislang die Forderungen des Wasserwirtschaftsamts und des Bayerischen Landesamts für Umwelt ignoriert habe und jetzt sogar gegen einen Bescheid klage. Dabei forderten die Ämter seit Jahren, dass die Brunnen gemäß der Wasserschutzrichtlinien zurückzubauen sind, damit sich hereindrückendes Mainwasser in den Brunnen und den zahlreichen in umliegenden Äckern und Wiesen befindlichen Pegeln nicht mit dem Grundwasser vermischt.
Pumpversuche im Jahr 2000 nach vier Monaten abgebrochen
Dass die Brunnen nie in Betrieb gehen würden, sei nach einem nach vier Monaten abgebrochenen Pumpversuch im Jahr 2000 klar gewesen. Damals sank der Grundwasserspiegel um acht Meter ab. Danach habe sich lange nichts getan. Der FWM will die Hofstettener Brunnen in der Hinterhand halten. Der damalige FWM-Werkleiter Walter Höfling habe den Vorschlag gemacht, dass sich mit Brauchwasser aus den Brunnen ja Äcker auf der Fränkischen Platte bewässern ließen. "So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört", soll der damalige Chef des Amts für Landwirtschaft geäußert haben, als Heilgenthal ihm bei einem Anruf davon erzählte.
Und das Landratsamt habe die 1972 ausgewiesenen Wasserschutzgebiete trotz mehrfacher Aufforderung zunächst nicht aufgelöst. Erst im August 2013 war mit den Schutzgebieten Schluss. Und 2017 dann die frohe Botschaft vom FWM: Er will 2022 die Brunnen rückbauen und verfüllen. Vor einem Jahr dann die überraschende Kehrtwende: Es gebe andere wichtige Themen mit höherer Priorität, begründete Werkleiterin Eva von Vietinghoff-Scheel bei einer Verbandsversammlung, warum der FWM doch nicht zurückbauen will. Außerdem fehle Geld.
Der FWM forderte einen rechtskräftigen Bescheid mit genaueren Angaben zu den Auflagen. Den gab es vom Landratsamt: "Der FWM wurde mitgeteilt, dass die Brunnen zurückgebaut bzw. verfüllt werden müssen. Ein entsprechendes Rückbaukonzept muss dem Landratsamt vorher vorgelegt werden", heißt es von dort. Es gehe im Wesentlichen um mögliche Gefahren für das Grundwasser.
FWM: Hofstettener Brunnen für den Katastrophenfall
Dagegen klagte der FWM, das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Würzburg läuft. Auf Anfrage bei der Werkleiterin und beim Zweckverbandsvorsitzenden Thomas Eberth, Landrat von Würzburg, schreibt die Pressestelle des Würzburger Landratsamts: "Die Werkleitung und die Verbandsversammlung geht nach wie vor davon aus, dass eine sofortige Verfüllung der Brunnen nicht notwendig und zielführend ist." Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser habe zudem "allerhöchste Priorität", vorhandene Infrastruktur für die Versorgung der Bevölkerung sollte nicht unnötigerweise zerstört werden. Nach Expertenmeinung – die BI hatte extra einen Diplomgeologen zu Rate gezogen – gibt es in Hofstetten aber kein Trinkwasser, sondern allenfalls Brauchwasser, das teuer aufbereitet werden müsste
Da der FWM derzeit viele notwendige Bau- und Sanierungsmaßnahmen, etwa den Hochbehälter Zellingen, hat, gebe es derzeit keine Kapazität "für eine weitere, nicht dringend erforderliche, Planung und Baumaßnahme", so das Landratsamt weiter. Erst wenn wieder Kapazitäten frei seien und die Hofstettener Brunnen auch im Katastrophenfall nicht gebraucht würden, sieht der FWM die Verfüllung der Brunnen für sinnvoll an.
Heilgenthal hat sich etwas Besonderes ausgedacht für den Fall, dass der FWM die Brunnen nicht bald zurückbaue. Auf angrenzenden Privatgrundstücken könnte mit Schildern, "ähnlich wie bei der Strecke 46", auf die Brunnen-"Relikte" hingewiesen werden, dann wüssten Radfahrer auch Bescheid. Vielleicht, so scherzt er, gebe es dafür sogar Fördergelder.